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Das demokratische Österreich braucht den ​Abriss des "Hitlerhauses"

Ergreifen wir die Chance, probieren wir etwas Neues. Etwa mit einem Architekturwettbewerb für ein funktionelles Gebäude.
Foto von John Sobek

Replik auf Elias Hirschl: Das Hitlerhaus abzureißen wäre eine Kapitulation vor den Nazis

Gleich vorweg: Selbstverständlich ist es mir als Historiker und vergangenheitspolitischer Sprecher der Grünen ein Anliegen, Geschichte aufzuarbeiten und nicht zu verdrängen. Und trotzdem trete ich für den Abriss des "Hitlerhauses" in Braunau ein.

Das klingt vielleicht auf den ersten Blick überraschend, aber es stellt für mich den pragmatischsten Umgang mit einem Problem dar, das nun seit Jahrzehnten besteht. Natürlich gibt es nicht die eine, absolut richtige Meinung zu dem Thema. Sicher kann man—wie es Elias Hirschl macht—mit durchaus nachvollziehbaren Gründen dagegen sein. Doch er lehnt sich meiner Meinung nach deutlich zu weit hinaus, wenn er den Abriss als "Kapitulation vor den Nazis" bezeichnet. Es ist das Gegenteil: Das demokratische Österreich setzt dem braunen Spuk ein klares Ende.

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Hirschl selbst berichtet vom unsäglichen Nazitourismus nach Braunau—übrigens nicht nur aus Deutschland, wie sein Hinweis andeutet, wonach seine Mutter jahrelang für den Hinweise auf den Standort des Hauses jeweils fünf D-Mark Trinkgeld lukriert habe.

Ich halte es auch für unangebracht, die Nazi-Pilger als "Volltrottel" zu bezeichnen. Das mag auf einige zutreffen, aber in der Mehrheit sind es gefährliche Rechtsextremisten, gewaltbereite Neonazis und unverbesserliche Holocaust-Leugner. Ihnen einen ihrer "Altäre" zu nehmen, macht durchaus Sinn. Das belegen auch die Reaktionen auf einschlägigen Facebook-Seiten, wo der mögliche Abriss des Gebäudes von Ewiggestrigen wütend kommentiert wurde.

Hirschl meint, Verbote nutzten nichts, denn auch das Verbot für den "Hitlergruß" hindere Neonazis nicht daran, Hitler in anderer Form zu huldigen. Das ist natürlich richtig, wie so manche "Drei-Bier"-Bestellungen überdeutlich bewiesen haben. Sollen deshalb aber Nazi-Symbole oder gar der Hitlergruß legalisiert werden? Nein: Es ist ein Kampf um die kulturelle Hegemonie in unserem Land, in dem wir eindeutig neonazistische Symbole verbieten. Nach Hirschls Logik könnte ja auch die NSDAP wieder legalisiert werden, denn natürlich gelingt es Neonazis immer wieder, sich neue Organisationsformen und sogar Parteien zu schaffen. Ich verweise hier nur kurz auf die kontroversielle Diskussion über ein mögliches Verbot der NPD in Deutschland.

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Das Gebäude für Zwecke zu verwenden, "die Hitler verabscheut hätte" und "in großen bunten Lettern auf die Fassade" zu schreiben, dies sei ein "Ort der Vielfalt und des Friedens", klingt für mich ein bisschen naiv. Denn wie Hirschl selbst betont, hat es in der Vergangenheit über Jahrzehnte nichts genutzt, das Haus der Lebenshilfe zur Verfügung zu stellen.

Auch der Hinweis auf das denkmalgeschützte Ensemble in Braunau, an dessen Ende sich das Haus befindet, überzeugt mich nicht. Er selbst schreibt von einem "hässlichen gelben Haus"—wenn man zur Enteignung dieses einen Hauses ein eigenes Gesetz beschließt, kann man auch eine Regelung zum Abriss finden. Und diese Möglichkeit ist mit dem nun vorliegenden Gesetzestext auch explizit geschaffen worden: "Dem Erreichen des Zieles dieses Gesetzesvorhabens sollen auch allfällige Erwägungen, etwa des bundesgesetzlichen Denkmalschutzes, nicht entgegenstehen, sodass auch eine vollständige Beseitigung des Geburtshauses von Adolf Hitler von den vorstehenden Erwägungen mitumfasst ist."

Ergreifen wir die Chance, probieren wir etwas Neues! Etwa mit einem Architekturwettbewerb für ein funktionelles Gebäude.

Die Braunauer Bevölkerung hat ein Recht darauf, dass dem Spuk ein Ende bereitet wird und nicht ständig kahlgeschorene Nazis aus aller Welt—zunehmend auch aus Osteuropa—mit Hitlergruß in der Stadt auftauchen. Ich würde daher sagen: Ergreifen wir die Chance, probieren wir etwas Neues! Etwa mit einem Architekturwettbewerb für ein funktionelles Gebäude, das gerne die Lebenshilfe nützen könnte und dazu, wenn ich sehr weit denken darf, für die Beherbergung einer Forschungsstelle für Rechtsextremismus. Denn die bräuchte es dringend in Österreich.

Und sollten dann noch Neonazis aufmarschieren, wären die "Forschungsobjekte" gleich vor Ort. Das wäre keine "Kapitulation vor den Nazis", sondern die Machtdemonstration eines demokratischen Staates und einer demokratischen Gesellschaft.