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Brennende Autos, Flüchtlinge als Druckmittel, beschlagnahmte Waffen – in Berlin gab es Ärger

"Wir sind scheiße wütend, lasst es richtig knallen" Alles, was wir über die Räumung des besetzten Hauses in der Rigaer Straße wissen.
Foto: imago | Christian Mang

"Wir sind scheiße wütend, lasst es richtig knallen", steht da, und: "Stürzt Berlin ins Chaos!" So endet der Aufruf der Hausbesetzer aus der Rigaer Straße 94, nachdem ein Großaufgebot von 300 Polizisten, diversen Securitys und Arbeitern das Erdgeschoss des Hauses am Mittwoch zwangsgeräumt hatte.

Ins Chaos stürzte Berlin dann zwar nicht, aber geknallt hat es in der Nacht zum Donnerstag nicht nur einmal: Im Prenzlauer Berg und in Friedrichshain brannten Autos, in Moabit und Kreuzberg hat jemand die Schaufenster von Banken eingeworfen. Auf mehreren Straßen hatten Randalierer vorübergehend Barrikaden errichtet, in Kreuzberg schoben Unbekannte brennende Mülltonnen auf die Straße. An eine der Banken hat jemand "Love R 94" und "Hate Cops" gesprüht, aber auch bei den anderen Taten geht die Polizei von einer Verbindung zu der Räumung aus.

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Chaoten-Mob randaliert auf Berlins Straßen.— Nacht Floh (@BZ_NachtFloh)23. Juni 2016

Die Eskalation war allerdings angekündigt. Schon im Jänner hatten Leute aus dem Umfeld der Besetzer gedroht, für jeden Polizeieinsatz gegen die Rigaer 94 eine Million Euro Sachschaden zu verursachen. Wenn die Rigaer geräumt werden sollte, hieß es dann Ende Februar, käme der Berliner Innensenator "in den Kofferraum".

Der Hintergrund: Im Januar hatten zwei Unbekannte einen Verkehrspolizisten angegriffen und waren dann in das besetzte Haus geflohen. Kurze Zeit später stürmten 550 Polizisten das Haus und durchsuchten es von oben bis unten. Sogar Berliner Politiker kritisierten den Einsatz als überzogen. Seitdem rechneten die Bewohner jeden Tag mit einem Räumungsversuch. Am Mittwoch ist es dann passiert.

Die Razzia im Jänner. Foto: imago | Christian Mang

Wie lief die Räumung ab?

Am Mittwochmorgen rückten circa 300 Polizisten vor der Rigaer Straße 94 an. Sie sollten die etwa 20 Arbeiter schützen, die die Hausverwaltung angeheuert hatte, um die Kneipe "Kadterschmiede" und eine Werkstatt im Erdgeschoss zu räumen. Dabei kontrollierten sie auch mehrere Bewohner und verhafteten eine Person, gegen die ein Haftbefehl vorlag.

Die Bewohner unternahmen erstmal nichts dagegen, selbst dann nicht, als die Polizei ein Dutzend Fahrräder und einen Rollstuhl aus dem Hof entfernte, auf einen LKW lud und wegfuhr. Später erklärte die Polizei noch, sie habe eine Kiste mit Schlagstöcken und einer "Schusswaffe" im Haus gefunden, die sich später als Gaspistole herausstellte.

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Warum hat die Polizei das Haus geräumt?

In einer Pressemitteilung erklärt die Hausverwaltungsfirma des Hauses, dass im Erdgeschoss jetzt Wohnungen für Geflüchtete entstehen sollen, für die das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) reguläre Mieten zahlen soll.

Mehr als ein Beobachter hält das für ein reines PR-Manöver. "Ich habe große Zweifel, dass tatsächlich Flüchtlinge einziehen", sagte die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram gegenüber dem Tagesspiegel. Auch zwei prominente Berliner Flüchtlingshilfsorganisationen bezeichneten die Begründung in einer Pressemitteilung als "zynisch", weil die Bewohner der Rigaer mit die ersten gewesen seien, die Flüchtlinge umsonst bei sich wohnen ließen. Außerdem würden die regulären Mieten den gesetzlichen Rahmen dessen sprengen, was das Lageso überhaupt an Miete für Flüchtlinge ausgeben darf—das würde also bedeuten, dass Flüchtlinge nicht in den neuen Wohnungen untergebracht werden können. Man gehe deshalb davon aus, dass der Einsatz nur dazu diene, die Bewohner "weiteren Repressalien zu unterziehen, damit diese das Haus selbstständig verlassen".

Wer hat das veranlasst?

Laut Polizei hat die Hausverwaltungsfirma die Räumung der Kneipe und der Werkstatt in Auftrag gegeben und dann die Polizei gebeten, die Arbeiter zu schützen. Besitzer des Hauses ist eine Firma namens Lafone Investments Limited, mit Sitz in London und auf den Britischen Jungferninseln. Diese Firma wiederum gehört einem Staatsanwalt aus Südafrika, der unter anderem mit mehreren Briefkastenfirmen in den Panama Papers auftaucht. Weil der Besitzer lange am höchsten Gericht Südafrikas gearbeitet hat, beschimpfen ihn Linke im Internet als "blutrünstiger Apartheidstäter", der die "Flüchtlings- und Wohnungspolitik in Berlin in sein zynisches Spielfeld verwandelt".

Wie geht es jetzt weiter?

Wenn es nach der Hausverwaltung geht, wird das Erdgeschoss jetzt wie geplant saniert und in Wohnungen umgewandelt. Um die Arbeiter zu schützen, werden offenbar sowohl Polizei als auch private Securitys permanent in dem Haus präsent sein, was die Bewohner natürlich als maximale Provokation auffassen. "Wie es aussieht, müssen wir uns auf eine längere Belagerung im Haus einstellen", schreiben sie auf ihrem Blog.

Auf sich sitzen lassen wollen sie das aber nicht. Offenbar wollen sie versuchen, die Arbeiter morgen am Betreten des Hauses zu hindern—wie genau, wird nicht erklärt. "Lasst uns nicht alleine mit den ganzen Schweinen", appellieren die Bewohner an ihre Unterstützer. Die Rigaer 94 kann dabei womöglich auf die Hilfe motivierter Fans setzen: Schon 2015 hinterließ jemand auf indymedia diese Nachricht: "Vielen, vielen Dank für eure zahlreichen sehr angenehmen Kadterschmieden Parties und eure veganen Brunches, sagt bitte bescheid wenn es los gehen soll" Dann geht es weiter mit: "Wir haben Benzin, Bezugsgruppen und viel Hass den wir Euch bei der Verteidigung sehr gerne zur Verfügung stellen !" Die Berliner Polizei also ein gutes Konzept haben, wenn sie sich mit derart militanten Brunch-Fans anlegen will.