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Reisen

Als Transgender zu reisen, ist nervenaufreibend und gefährlich

Für Transgender sind Konfrontationen am Flughafen nicht nur peinlich, sie können auch eine Bedrohung für die körperliche Gesundheit darstellen.
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von Fury

Illustrationen: Hiro

Als Transgender konnte ich direkt dabei zusehen, wie meine Ängste in Bezug aufs Reisen zum Thema auf Twitter gemacht wurden, als der Hashtag #travellingwhiletrans an Popularität gewann. Alles begann, als Shadi Petosky darüber twitterte, wie die Transport Security Administration (kurz: TSA) mit ihr umsprang, als sie am Flughafen von Orlando durch den Sicherheitsbereich musste. Sie ging als Frau in den Ganzkörperscanner, aber die Maschine zeigte dann eine „Unregelmäßigkeit" an, nämlich ihren Penis. Eine Sache, die durch die einfache Frage, ob sie transsexuell sei, hätte gelöst werden können, wurde schließlich zum absoluten Fiasko.

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Shadi musste warten, während die TSA-Mitarbeiter ihren Penis wiederholt als „Unregelmäßigkeit" bezeichneten und sich darüber berieten, ob sie nun von einem Beamten oder einer Beamtin im Schritt abgetastet werden sollte. Natürlich wollte Shadi nicht von einer TSA-Agentin im Intimbereich berührt werden, aber ein TSA-Agent sollte nicht am Rest ihres Körpers herumfingern. Ihr wurde schließlich gesagt, dass man die Polizei rufen würde, wenn sie sich nicht zu einer Abtastung ihres ganzen Körpers bereiterklärt. Im Angesicht dieses Zwangs, einer drohenden Verhaftung und der wiederholten Fehldeutung ihres Geschlechts willigte Shadi letztendlich ein und ließ die Durchsuchung wimmernd über sich ergehen.

Shadis Erlebnis ist dabei mitnichten ein Einzelfall: Wenn man sich durch die #travellingwhiletrans-Einträge klickt, findet man viele Erzählungen von Transgendern, die am Flughafen in Hinterzimmer gebracht wurden, um dort das Problem der „Unregelmäßigkeit" zu klären.

Mehrere Monate nachdem Shadi dieses Thema aufgebracht hatte, stand ich selbst im Flughafen an einem Ticketschalter und wartete darauf, nach vorne gebeten zu werden. „Scheiße", dachte ich mir, „meine Stimme ist inzwischen schon richtig tief. Wenn ich etwas sage, oute ich mich sofort als Transgender." Ich suchte fieberhaft nach einer Möglichkeit, so weiblich wie möglich zu klingen, um nicht sofort als „anders" dazustehen.

Bevor ich jedoch irgendetwas sagen konnte, gab mir die Frau am Schalter meinen Pass zurück und ich durfte weitergehen. Ich war total erleichtert, aber das Ganze glich auch einem persönlichen Weckruf. Die körperliche Transition verändert alles und man kann nie wirklich ausreichend erklären, wie sehr alle Aspekte des Lebens davon beeinflusst werden—vor allem wenn man wie ich in einer Lifestyle-Blase lebt und so oft vergisst, was in der Außenwelt so los ist.

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Für Transgender sind Konfrontationen am Flughafen nicht nur peinlich, sie können auch eine Bedrohung für die körperliche Gesundheit darstellen.

Lauren Smith, die Frau hinter dem „Sex, Lies, and Anarchy"-Podcast, erzählte auf der Website Daily Dot von ihrer eigenen Flughafen-Erfahrung: „Irgendwann ließ ich dann meine Hose und Unterhose runter, weil sie das so von mir verlangten. Dann inspizierten vier Frauen und ein Mann im Abstand von nicht mal einer Armlänge meinen Genitalbereich. Dabei weinte ich nicht, weil ich etwas so Privates zeigen musste, sondern weil ich mir bewusst war, dass mein Widerstand letztendlich auch zu meinem Tod führen könnte. Wenn ich mich gewehrt hätte, hätten sie mich einsperren oder gar auf mich schießen können. Ich weinte, weil ich versuchte, mich eben nicht zu wehren, sie mich aber die ganze Zeit anschrien, dass ich das tun würde. Ich hatte richtig Angst. Mir wurde mehrmals damit gedroht, mich einzusperren."

Also check-in was fun. Madam became Sir became

— Lissa Hyacinth (@AnalyticaLissa)28. September 2015

Smiths Angst vor Gewalt durch Behörden ist dabei nicht übertrieben. In einem Bericht der National Coalition of Anti-Violence Programs aus dem Jahr 2014 heißt es, dass die Wahrscheinlichkeit, Opfer von Polizeigewalt zu werden, bei Transgendern sechs Mal höher ist als bei Cisgendern.

Allerdings beschränken sich solche Probleme nicht nur auf den Flughafen. So weist das Matador Network Transgender zum Beispiel an, sich genauestens über ihre Urlaubsziele zu informieren, da sie dort ganz anders behandelt werden könnten als Cisgender. In Belize und im Oman werden Veröffentlichungen und literarische Werke von Transgender-Autoren beispielsweise öffentlich niedergemacht und dort gibt es immer noch Gesetze zur Diskriminierung der LGBT-Gemeinschaft. Und in Europa ist es für Transgender in 24 Ländern immer noch Pflicht, sich sterilisieren zu lassen, damit ihre Geschlechtszugehörigkeit offiziell anerkannt wird.

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Aber selbst wenn sie sich dort keiner körperlichen Gefahr ausgesetzt sehen, kann es für Transgender in vielen Ländern schnell unangenehm werden. Nevo ist ein genderqueerer, jüdischer Transgender aus Melbourne. In einer Zeit, als er sich verstärkt als Trans-Mann identifizierte, reiste er mit seiner Bewegung Habonim Dror nach Israel und hatte dort doch mit dem Kulturschock zu kämpfen: „Ich glaube, dass Israelis etwas direktere Menschen sind … und dementsprechend ging man dort auch mit mir um. So wurde ich zum Beispiel unverblümt gefragt, ob ich ein Junge oder ein Mädchen sei, und es wurde viel mehr über mich geredet. Dort ist das alles offensichtlicher."

It doesn't matter how many times I clear TSA without issue. It always ends up feeling like playing Russian Roulette. — Natalie Blackburn (@burnsbabe)4. November 2015

Die Sprachbarriere war dazu allerdings noch mal ein ganz anderes Thema. „Im Hebräischen gibt es keine neutrale Anrede", erklärte Nevo. „Selbst das Wort für ‚du' ist immer geschlechtsspezifisch. Man kann dieses Problem quasi nicht umgehen."

Nevo entdeckte so allerdings auch unerwartete positive Seiten: Indem man bei seinen Worten das richtige Geschlecht verwendet, kann man seine Gesprächspartner leichter korrigieren und muss nicht erst die Konversation unterbrechen und dieses Thema anschneiden. „Das Ganze wirkte einerseits wie ein Trigger, gab mir andererseits aber auch eine gewisse Macht, denn ich konnte die Leute verbessern, ohne ihnen dabei zu sehr auf die Füße zu treten."

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Seine Erfahrungen mit dem Judentum in Israel waren da schon etwas nervenaufreibender. Während es in Melbourne für ihn kein Problem darstellt, jüdischer Transgender zu sein, hatte Nevo in Israel das Gefühl, dass er bei Leuten zu Hause und auch allgemein etwas verschweigen würde. Er machte sich Sorgen, dass er die Leute ungewollt hinters Licht führen und einer fremden Kultur gegenüber keinen Respekt zeigen würde, wenn er seine Trans-Identität verheimlicht.

Allerdings gab es auch hier wieder positive Seiten: „Als mir ein ultraorthodoxer Mann vor dem männlichen Gebetsbereichs der Klagemauer die Hand schüttelte, war das für mich im Bezug auf meine damalige Gender-Identität ein ganz besonderer Moment."

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Als ich am Flughafen auf meinen Flieger wartete, schlug ich meinen Pass auf und schaute mir das Bild neben der Geschlechtsangabe, die mich als Frau ausweist, eingehend an. Ich dachte auch kurz daran, dieses Foto vor meinem nächsten Auslandsaufenthalt erneuern zu lassen, aber die Vorstellung vom nötigen Papierkram für die Erleichterung des ganzen Prozederes schreckte mich dann doch ab. Um ohne Sorgen durch die üblichen Vorgänge an einem Flughafen zu spazieren, müsste ich meinen Namen ändern, meine Geburtsurkunde korrigieren lassen und einen komplett neuen Pass beantragen. Es hört einfach nie auf—immer gibt es noch einen weiteren Antrag oder einen weiteren Menschen, vor dem man sich outen muss. Und da fiel mir wieder ein, was Nevo noch gesagt hatte: „Ich glaube, dass es nirgendwo leicht ist, Transgender zu sein. Dieser Umstand ändert sich auch nicht beim Reisen—da wird er bloß noch weiter verstärkt."

Und damit hat er wohl recht.

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