FYI.

This story is over 5 years old.

The Sick Day Issue

Auf eine Käsekrainer und zwei Verlängerte mit Michael Ostrowski

Der Regisseur der "Sex, Drugs and Rock'n'Roll-Trilogie" über Sieg und Niederlage im Filmgeschäft. Und warum alle mit ihrem Hochdeutsch scheißen gehen können.
Alle Fotos von Christopher Glanzl

Michael Ostrowski, mit bürgerlichem Namen Stockinger, ist österreichischer Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur. Wenn meinem 16-jährigen Ich einmal jemand erzählt hätte, dass ich ihn treffen und mit ihm über seinen Beruf sprechen würde, hätte ich wahrscheinlich gesagt: "Sei leise, ich muss jetzt zum zehnten Mal Nacktschnecken schauen."Wir treffen uns an einem der hoffentlich letzten heißen Sommertage in Wien—beim berühmten Würstelstand Bitzinger, gleich neben der Albertina. Wir teilen uns eine Wurst mit Brot, Senf und Essiggurke, als würden wir uns schon ewig kennen und er fragt mich, ob es OK wäre, wenn wir es uns nach dem Essen im Filmmuseum um die Ecke gemütlich machen.

Anzeige

Das Filmmuseum hat für Ostrowski nämlich aus mehreren Gründen eine ganz besondere Bedeutung, wie er mir erzählt: "Die Bar wird von coolen Leuten betrieben, nämlich von einem unserer Ausstatter bei Hotel Rock'n'Roll , Andreas Donhauser. Und auch die Frau vom Michael Glawogger arbeitet im Filmmuseum. Nach seinem Tod haben wir uns hier außerdem zu seinen Ehren getroffen, Filme gezeigt, gelesen—und allein dadurch ist das für mich ein Ort, der mit Erinnerungen aufgeladen ist."

Mit Michael Glawogger, dem Regisseur und Drehbuchautor, der neben vielen anderen Produktionen für die mittlerweile kultigen Kifferkomödien Nacktschnecken und Contact High verantwortlich war und 2014 während Dreharbeiten an Malaria verstarb, hat Michael Ostrowski jahrelang zusammengearbeitet. Diese beiden Filme sind Teile der „Sex, Drugs and Rock'n'-Roll"-Trilogie, die nun von Ostrowski mit Hotel Rock'n'Roll vollendet wurde—sowohl als Schauspieler, als auch zum ersten Mal in der Rolle des Regisseurs. Zu Beginn schrieb er noch mit Michael Glawogger am Drehbuch, fertig stellen musste er es ohne ihn. Für ihn war jedoch immer klar, dass er die Trilogie fertig machen will und auch wird.

Mit Glawogger—oder Glawo, wie Ostrowski ihn nennt—verbinden ihn viele Erinnerungen. Auf die Frage, was eine seiner liebsten Erinnerungen an seinen Freund und Kollegen Glawo ist, die er auch öffentlich erzählen würde, muss er lange überlegen. Währenddessen lacht er, erzählt mir, dass ihm so vieles einfällt, das er mir nicht erzählen kann und schließlich, nach einer Minute Stille, hat er die perfekte Glawogger-Geschichte gefunden: „Im Drehbuch von Nacktschnecken steht die Zeile: ‚Wir sollten uns mit Alkohol geparden.' Der Glawo hat dann gemeint, da gehört selbstverständlich ein Gepard ans Set. Das war eine Szene, in der wir kiffen und lässig reden und dann war plötzlich ein Gepard mit uns da. Das Team war während der Szene in einem Kammerl eingesperrt, damit nichts passieren konnte.

Anzeige

Ich stelle mir einfach nur die Frage, ob es das alles überhaupt bringt, wenn 70.000 Menschen ins Kino gehen und du fünf Jahre lang an etwas geschrieben und gearbeitet hast.

Dann habe ich zu ihm gesagt: ,Ja, dem Team kann nichts passieren. Aber was ist mit uns Schauspielern?' Dann meinte er, dass Menschen ohnehin keine Beute für Geparden seien und der Gepard nur von einem Tiertrainer zum anderen durchs Bild gehen müsse. Die einzigen im Raum waren also wir Schauspieler, die eine möglichst entspannte Kifferszene spielen sollten und der Gepard hat natürlich nie das gemacht, was er machen sollte. Der hat uns die Tatze auf den Schoß gelegt, uns ein bisschen in die Hüfte gezwickt und so weiter. Aber uns wurde immer nur gesagt, der wolle doch nur spielen. Und der Glawo ist mit einem genüsslichen Lächeln da gesessen und hat gesagt: ‚Das ist alles kein Problem.' Der Produktion haben sie erzählt, dass eine Glasscheibe zwischen dem Gepard und uns war, weil die gesagt haben, das geht sonst auf keinen Fall. Diese Glasscheibe hat natürlich nicht existiert. Aber so war der Glawo. Er hat immer was riskiert und Dinge mit einer extremen Gelassenheit möglich gemacht."

Mit Hotel Rock'n'Roll hat Michael Ostrowski ein Werk zu Ende gebracht, das österreichischer wohl nicht sein könnte. Es geht um Sex, Drogen, das Leben, wie es ist—mal mehr, mal weniger super. Ostrowski meint, das sei auch, was den österreichischen Film ausmacht, denn österreichische Filme haben für ihn immer etwas Abgründiges und eine gewisse Übertreibung inne. Für ihn schwingt im Humor genauso der Abgrund mit wie die Höhe. Im österreichischen Film gibt es für ihn einfach mehr Spitzen als etwa in deutschen Mainstream-Filmen—nach unten und nach oben. Michael Ostrowski findet das erstrebenswert und den Grenzgang einfach lustig, wie er mir bei seinem ersten von zwei schwarzen Verlängerten erzählt.

Anzeige

Ostrowski hat auch schon in Kokowääh 2 mitgespielt, einem Film von Til Schweiger, der sich im direkten Vergleich deutlich von Ostrowskis restlichen Filmen unterscheidet: Kokowääh 2 strotzt nur so vor Weichzeichner, Vorhersehbarkeit und Harmonie. Ostrowski meint, sein Anspruch wäre es, den Mainstream und das Subversive zu verbinden, sein hart arbeitender Kollege Schweiger hätte da wohl einfach einen anderen Zugang. Generell stellt sich Ostrowski oft die Frage, warum mehr Österreicher in deutsche Mainstream-Filme gehen als in österreichische: „Erst kürzlich haben wir Soundtracks zum Film signiert und dann waren ein paar 20-jährige Mädels und haben gemeint, sie fanden Hotel Rock'n'Roll super.

Dann haben wir sie gefragt, warum sie glauben, dass nicht 60 Prozent von ihnen in unsere Filme gehen, sondern vielleicht 20 Prozent oder noch weniger. Und sie meinten eben, dass dem österreichischen Film noch immer etwas Schwieriges anhaftet oder ihm die Coolness abgesprochen wird. Ich will auch niemanden dazu bekehren, in österreichische Filme zu gehen. Ich stelle mir einfach nur die Frage, ob es das alles überhaupt bringt, wenn 70.000 Menschen ins Kino gehen und du fünf Jahre lang an etwas geschrieben und gearbeitet hast. Das soll nicht heißen, dass das alles für mich sinnlos ist—das ist der schönste Job, den ich mir vorstellen kann. Aber man fragt sich einfach manchmal, für wen man das macht."

Anzeige

"Bei uns wird einem gesagt, dass man bitte Hochdeutsch sprechen soll. Da denk ich mir echt: Geht 's doch einfach scheißen."

An dem Dialekt, in dem mir Ostrowski all das erzählt, merkt man sofort, dass er aus der Steiermark kommt. Auch in seinen Filmen spielt der überstilisierte, omnipräsente Dialekt oft eine wichtige Rolle—etwas, wofür er gemeinsam mit seinem Schauspielkollegen Georg Friedrich, der ebenfalls in allen Filmen der „Sex, Drugs and Rock'n'Roll"-Trilogie wichtige Rollen gespielt hat, kämpfen musste. Für Michael Ostrowski ist sein Dialekt sehr wichtig, fast schon ein Mittel, um sich von anderen abzuheben. Sprache nennt er ein Mittel zur Identifikation—in Österreich herrsche nur leider der Irrglaube, dass man einen Film für Deutschland herrichten müsse, um erfolgreich zu sein: „In Ländern wie Amerika oder England hat man da ein ganz anderes Verständnis und es gibt eigene Dialekt-Coachings und Schauspieler trainieren sich einen Akzent an.

Da wird dann auch niemand komisch angeschaut, wenn er irgendeinen Dialekt spricht, weil es Teil der Arbeit ist und Dialekt einfach die Figuren formt. Und bei uns wird einem gesagt, dass das ja niemand versteht und ich bitte Hochdeutsch sprechen soll. Da denk ich mir echt: Geht's doch einfach scheißen. Und ich merke, je älter ich werde, desto radikaler werde ich in solchen Dingen. Wofür sollte ich mich anpassen?"

Genau diese Einstellung zieht sich durch alles, was Ostrowski erzählt und macht. Angefangen hat er als Bühnenschauspieler im Theater am Bahnhof in Graz. Er hat auf der Straße, in Kellern und Wohnungen gespielt—eigentlich überall, wie er sagt. Einmal wollte die Theatergruppe des Theater im Bahnhof ein Stück über Jörg Haider entwickeln und gemeinsam inszenieren. Nach einigen wenigen Treffen haben sie sich aber umentschieden. Diese Geschichte erzählt Ostrowski auf die Frage, ob es denn eine Rolle gibt, die er aus Prinzip nicht spielen wollen würde: „Ich wollte mich da nicht hineinversetzen, ich wollte das nicht spielen."

Was er hingegen sehr gerne gespielt hat, ist die Rolle des Max, die ihn nun seit 16 Jahren begleitet und die für ihn deswegen so etwas besonderes ist, weil er sie auch selbst mitgeschrieben hat. Natürlich hätten die Motive, die sich durch die Rolle und die Filme der „Sex, Drugs and Rock'n'Roll-Trilogie" ziehen, auch etwas mit seinem Leben zu tun: „Ich könnte das alles jetzt extrem autobiografisch erklären und gleichzeitig könnte ich sagen, dass das natürlich nur Rollen sind und ich nicht der bin, den ich spiele. Es stimmt einfach beides. Es ist einerseits nah an meinem Leben, andererseits ist es aber auch eine fiktionale Aufarbeitung von Themen, die mich und den Glawo einfach immer interessiert haben."

Zum Schluss unseres Gespräches frage ich Ostrowski, was seine Lieblingsfilme sind—sowohl Österreich betreffend, als auch international. Momentan schaue er sich wieder sehr viele alte Filme von Ulrich Seidl an, die für ihn keineswegs deprimierend, sondern durchaus von starkem Humor geprägt sind—womit wir wieder beim wichtigsten Charakteristikum des österreichischen Filmes wären: „Da liebe ich zum Beispiel Die letzten Männer, eine Doku über Männer, die sich asiatische Frauen kaufen und mit denen leben. Den finde ich sehr spannend."

Einer seiner Lieblingsfilme der letzten Jahre ist aber The Wolf of Wall Street. So müsse man Filme machen, sagt er—einerseits völlig drüber, aber eben auch Mainstream: „Der Film ist frei, verrückt und erzählt trotzdem eine Geschichte." Genau diese Attribute scheint Ostrowski auch in seinem Schaffen anzustreben. Welche Rollen Ostrowski in Zukunft noch unbedingt spielen will, hält er sich offen. Vielleicht wird er sich bald wieder mehr auf das Theater konzentrieren, jetzt wo das große „Sex, Drugs and Rock'n'Roll"-Projekt abgeschlossen ist. Die eine Rolle, die er im Leben noch spielen will, gibt es nicht. „Außer James Bond, aber das ist ja eh klar", lacht er.