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Besucher der Wiener Wiesn über Gabalier, FPÖ und Ebola

Wir waren auf der Wiener Wiesn und haben mit den Besuchern über Andreas Gabalier, die FPÖ und Ebola gesprochen. Es war ein lehrreicher Ausflug in eine andere Welt.

Die Wiener Wiesn ist ein schöner Ort, an dem Menschen zusammenkommen, sich lieb haben und sich dem gemeinsamen Bierkonsum und Grölen hingeben. Wir haben uns das Spektakel im zweiten Bezirk angeschaut und mit den Besuchern über den allseits beliebten Volks Rock'n'Roller Andreas Gabalier, Ebola, die FPÖ und andere Probleme unserer Welt geredet.

Wir haben den Bundesobmann des RFJ getroffen, Brezen gegessen und einiges über das Leben gelernt. Die Wiener Wiesn ist das besoffene Trachten-Selfie unserer Gesellschaft, und man findet dort alles, was es auch im echten Leben gibt: ein paar Wahnsinnige, ein paar Betrunkene und ein paar von denen, die einem den Glauben in die Menschheit zurückgeben.

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John, 29 und Werner, 44

VICE: Warum kommt man auf die Wiener Wiesn?
John: Mein einziger Grund ist, dass ich mich hier grundlos in einer Lederhose betrinken kann. Das ist fast wie Fasching für mich.
Werner: Ich bin mit Kollegen da und will einfach mit netten Leuten quatschen. Ich bin heute Fahrer und werd darum auch nüchtern bleiben. Was sagt ihr zu Andreas Gabalier und der Debatte um die Hymne?
Werner: Ich sags mal so—wir haben schon Lederhosen getragen, da hats den Gabalier noch nicht mal gegeben. Viele junge Leute glauben ja, dass der Gabalier die Lederhose erfunden hat—er hats halt nur momentan in die Szene gebracht. Er ist eh witzig und macht seine Sache gut. Und was sagt ihr zur Feminismus-Debatte um die Hymne, die er ausgelöst hat?
John: Ihr seid aber keine Feministen, und verurteilt uns, oder? Ich find die Debatte unnötig. Seit 60 Jahren wird die Hymne so gesungen und auf einmal regt sich jeder auf.
Werner: Wir haben ja andere Sorgen, die wichtiger sind. Was sind diese wichtigeren Dinge?
Werner: Dass wir für unsere Kinder die Zukunft sichern und dass in unserem Land weiterhin Frieden herrscht. Es soll uns einfach weiter so gut gehen wie jetzt. Aber wie glaubt ihr, kann man den Frieden in einem Land sichern?
Werner: Jeder soll einfach toleranter werden und auch einmal nachgeben.
John: Also ich bin überhaupt nicht intolerant. Ich verunglimpfe keine Islamisten oder Juden und bin auch sehr interessiert an Religionen. Aber was da zur Zeit im Nahen Osten vor sich geht, muss ich verurteilen. Und wenn man den Medien glauben mag, ist der ganze Konflikt auch schon hier bei uns. Man wird es halt auch nicht unterbinden können. Wenn man nach so einem lustigen Fest wie hier am nächsten Tag die Zeitung aufschlägt, ist das schon tragisch. Also ich mein, dass da Leute geköpft werden … das kann man gar nicht glauben.
Werner: Das ist ja schon länger da, als wir glauben.

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Bernhard, 25, Astrid, 31 und Christian, 25

VICE: Wie gefällt es euch auf der Wiener Wiesn?
Bernhard: Also ich finds super. Es ist einfach eine Ablenkung vom Alltag.
Christian: Ich finds auch super aber der Eintritt ist einfach viel zu teuer geworden.
Astrid: Eigentlich wollten wir ja was für die FH machen und dann sind wir zufällig hier gelandet.
Bernhard: Prüfungen kann man wiederholen—Partys nicht. Das ist Tatsache. Was wolltet ihr den Leuten da draußen immer schon mal sagen?
Astrid: Es soll einfach jeder viel offener durch die Welt gehen und versuchen, Leute so hinzunehmen, wie sie sind. Ich wohn im zehnten Bezirk und hab regelmäßig Vorträge und Veranstaltungen von HC Strache vor meiner Tür. Ich könnte jedes Mal kotzen, wenn er auftritt und sagt „Willst du eine Wohnung haben, musst du nur ein Kopftuch tragen!". Das gehört einfach unterbunden und an die 33 Prozent der Österreicher, die den wählen—wer auch immer die sind: Wählt diesen Typen nicht! Und ich werde und muss mit meiner politischen Einstellung nicht hinterm Berg halten, nur weil den viele gut finden.
Christian: Ich auch nicht! Du weißt schon, dass ich Blau wähle, oder?
Astrid: Er ist zwar ein rhetorisches Genie aber betreibt einfach idiotische Politik.
Christian: Es geht ja da um was ganz anderes. Er spricht einfach die aktuellen Themen an.
Bernhard: Strache weiß einfach, wie man die Leute popularisiert!
Astrid: Aber was macht er? Er muss ja im Grunde nur dagegen sein und alle finden es super. Christian, warum wählst du Blau?
Christian: Die Grünen sind Psychopathen und haben keine Ahnung von irgendwas. Ich würde ja normalerweise Schwarz wählen, aber die haben einfach zu viel Scheiß gebaut. Was bleibt dann noch übrig? BZÖ kann man sowieso nicht wählen, weil sie nicht wichtig sind. Die NEOS kann man vielleicht bei der übernächsten Wahl wählen, wenn sie wichtig werden. Die einzige Partei, die bleibt, um die Regierung zu kontrolliren und zu destabilisieren, ist Blau.
Astrid: Die wären doch überfordert mit einer Regierungsaufgabe, weil sie einfach nur dagegen sind—auch gegen gute Vorschläge. Du kannst nicht aus Protest Blau wählen, das ist einfach nicht das geringste Übel. Wenn man aus Protest wählt, dann sucht man sich von mir aus das geringste Übel aus. Aber das ist sicher nicht die FPÖ.
Christian: Aber wen soll ich dann wählen? Die Grünen forcieren so eine linksliberale Politik—das sagen sie ja auch selbst. Ich wähle Blau, damit ich nicht mehr die Mittelwege wählen muss und andere Parteien dadurch schwächen kann—die Roten und hoffentlich die Grünen.

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Franz, 50+

VICE: Warum bist du da? Was gefällt dir hier?
Franz: Ich wohne in Wien und wenns ein Fest gibt, bin ich immer dabei. Sowas ist einfach lustig und die Leute sind gemütlich–die typisch österreichische Gemütlichkeit halt. Ich bin auch alle drei Wochen im Schweizerhaus, weil das einfach Kultur ist. Ich bin allein hier und setz mich immer irgendwo dazu. Da lernt man immer super Leute kennen Gehst du auch manchmal auf Aufriss bei solchen Partys?
Nein. Aber wenns unbedingt sein muss und sich was ergibt, natürlich schon. Was sagst du zum Andreas Gabalier und zur Diskussion um die Hymne?
Das interessiert ja keinen. Ob die Hymne gegendert ist, ist mir völlig egal. Die Debatte existiert ja nur in den Medien—das ist nur Geschäftssache vom Gabalier. Glaubst du, dass Ebola nach Österreich kommen wird?
Ich arbeite auf einem Amt und wir haben da Alarmbereitschaft. Durch die Reisetätigkeit könnte schon ein Ebola-Patient kommen, aber ich glaub, aufpassen muss man nicht. Die Gesundheitsbehörden schauen da schon. Und Ebola passiert in Ländern, in denen Krieg war und wo viele Leute zu wenig Nährstoffe und Hygiene haben. Dadurch, dass wir alle Vitamine und Nährstoffe haben, haben wir auch viel mehr Abwehrstoffe. Also ich mach mir da keine Sorgen.

Jamal, 50 und Behrooz, 32

VICE: Warum seid ihr auf der Wiener Wiesn?
Behrooz: Wir sind gerade dabei, in die USA auszuwandern und kommen aus dem Iran. Wir haben für sechs Monate ein österreichisches Visum und ziehen dann weiter.

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Also wollt ihr dann in den USA leben?
Behrooz: Ja, aber ich habe nicht wirklich eine Wahl. Wenn ich könnte, würde ich hier leben—es ist so ein schönes Land. Wir sind aus dem Iran weg, weil wir keine Muslime sind, sondern eine andere Religion haben. Die Regierung hier weiß alles über uns. Sie wissen genau, was wir hier machen und wir fühlen uns wohl hier—das ist nichts, was uns nervös macht. Ich habe im Iran alles zurück gelassen—Zuhause, Job, Auto—und manchmal fehlt es mir sehr. Ich kann in den USA auch meinen Job nicht weiter machen. Ich habe zehn Jahre in der Telekommunikationsbranche gearbeitet und bin Network Designer, aber meine Ausbildung zählt in den USA nicht. Aber ich werde meine Meinung nicht ändern. Jeder Ort, an dem man arbeiten und leben kann, kann ein Zuhause werden.

Habt ihr das Gefühl, dass ihr von den Österreichern anders behandelt werdet, als Einheimische?
Behrooz: Die Leute sehen mich schon an, als wäre ich nicht von hier. Aber wir sind ja quasi Touristen und sind nur vorübergehend hier. Aber ich denke schon, dass sich die Leute hier nur um sich selbst kümmern—alles ist österreichisch. Im Iran ist das ganz anders.
Österreich ist ein ein sehr reiches Land und das ist der Grund, warum sich hier niemand um jemand anderen kümmert. Aber ich finde, dass Österreich ein gutes Land ist, alles hier ist perfekt.

Würdest du hier bleiben wollen, wenn du könntest?
Ja, aber die Regierung erlaubt es mir nicht.

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Was gefällt euch auf der Wiesn?
Wir finden die Trachten schön, die Musik ist toll, und die Menschen sind sehr nett. Aber ich glaube, dass sie ein bisschen Angst vor uns haben, weil sie uns nicht kennen. Ich kenne eure Kultur nicht, und ich glaube, das ist der Grund, warum sie uns nicht ganz trauen.

Eva, 50, Karin, 46 und Babsi, 39

VICE: Warum seid ihr auf der Wiener Wiesn?
Karin: Weil wir Spaß haben wollen.
Babsi: Wegen der Musik und den knackigen Lederhosen!

Was sagt ihr zu Andreas Gabalier und der Diskussion um die Hymne?
Babsi: Ich find ihn genial.
Karin: Die Diskussion ist einfach lächerlich.
Babsi: Unsere Tradition ist einfach eine andere und die Hymne soll auch so gesungen werden, wie sie geschrieben wurde. Das passt einfach so. Und ich glaub kaum, dass wir Frauen damit ein Problem haben.
Eva: Ja, wir haben andere Probleme.
Babsi: Da komm ich mir lächerlich vor, wenn ich mich dadurch behaupten muss, dass ich als Frau in der Hymne steh oder mich hinein quetschen muss.
Eva: Das haben wir Frauen nicht nötig.

Was sind dann unsere wichtigeren Probleme?
Eva: Das Bildungssystem hat ein Problem.
Karin: Ja, es ist einfach noch immer so, wie wir es damals erlebt haben. Es hat sich einfach in den letzten 30 Jahren nichts getan. Die Lehrer stehen einfach nicht im Leben und kommen direkt aus der Schule wieder in die Schule. Die wissen nicht, wie das echte Leben ist.

Glaubt ihr, dass wir in Österreich sicher vor Ebola und der IS sind?
Babsi: Also vor Ebola kann man sich halt nicht schützen, aber vor Kriegen schon.
Eva: Ich glaub schon, dass wir hier relativ gut gesichert sind.

Glaubt ihr, dass die Politiker was unternehmen müssen oder dass es uns sowieso weiterhin gut gehen wird?
Babsi: Ich glaub, dass wir uns mit der momentanen Blauäugigkeit nicht wirklich schützen können. Ein bisschen mehr Denken und Realismus würde manchen Politikern nicht schaden. Man sagt immer, dass alle anderen so arm sind, aber man muss halt irgendwann auch mal auf sich selber schauen. Wir müssen auf uns schauen und wie wir uns mit Grips selbst schützen können—das wär ein guter Propagandaslogan, gell?

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