Bitte jetzt alle mal maximal

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Bis so guet

Bitte jetzt alle mal maximal

Als Gegenbewegung zum kapitalistischen Overkill setzen manche Hipster auf urbane Askese. Wir setzen auf die Gegenbewegung zur Gegenbewegung und sagen: Heil dem Maximalismus! Außerdem gibt's Wochenendtipps.

Seit Jahren diskutieren Presse und Psychoanalytiker über die dekadente Schadenskurve medialer Reizüberflutung. Mittlerweile hat der Experten-Beef die breite Masse infiltriert und ein paar extra lässige Städter leben jetzt schon den Gegenentwurf zum kapitalistischen Overkill. Ohne Bettgestell, aber mit mindestens dreifach verwerteter Kluft am spärlich beleibten Hipsterkörper, frönen sie dem fast biblischen Minimalismus eines Höhlenmenschen. Nehmt mir alles, damit ich dann irgendwann eins mit der Natur werden, meinen Geist resozialisieren und die vermaledeiten Lebensgeister wieder erwecken kann.

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Tatsächlich wählt man sich die urbane Askese aber nicht aus—exorbitante Mietzinse und hysterische Getränkepreise regeln das. Wer trotzdem einsam und alleine im Industriebau verkümmern will, hat auf seiner perfiden Pilgerreise vermutlich den Exit verpasst. Auch eine Welt nach YOLO wird nicht auf Überfluss verzichten: ungefilterte Polit-Eskapaden, Kriege—und die guten Sachen, etwa exotische mediale Stimulanzien und im Zuge der grünen Welle wieder häufiger stattfindende rohe Freiluftorgien.

Um dir die Vorzüge des Maximalismus vor Augen zu halten, empfiehlt sich der Besuch in einer reizverdichteten Höhle spriessender Neonglückseligkeit, die dich zurück in die Realität  katapultiert. Sobald deine kleinen Nerven wieder anfangen zu pulsieren, weisst du, was gemeint ist. Bis du herausgefunden hast, was dir der schillernde Hybrid aus Diskokugel und acrylbeackertem Cocktailstäbchen vom Künstlerkollektiv U5 sagen möchte, bist du längst im Nimmernimmerland. Wenn dich danach das Gefühl nicht mehr loslässt, ein bisschen radioaktiv zu sein, hast du alles richtig gemacht.

Ob und wie es dir gelingt, das gesellschaftliche Mini-Maxi-Dilemma in die Knie zu zwingen, kannst du die nächsten paar Tage gleich mal austesten:

Am Donnerstag, indem du in der Gruppe bastelst und dich an der ZHDK Black Light Party in ultravioletter  Verstrahltheit übst. Wenn`s doch noch ein bisschen gediegener sein soll, zieh ins Street-Files ans „It's a familiy affair“. Da trinkt man Bier und strapaziert die Kreditkarte. Auch irgendwie ein Maximum.

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Freitag: Da du vom Donnerstag sicherlich noch wildgetanzt, erschöpft und vibrierend ausser Atem bist, empfehlen wir dir einfach ein kleines Reissaus ins Grüne, für einen idyllischen Herbstnebel-Nachtspaziergang.

Das Total an Übermut wird am Samstag am Glitter-Gwitter im Plaza belohnt. Wer sich richtig was traut, wagt im Haus der elektronischen Künste in Basel den Urban Sounds-Marathon. Da kannst du gleich bis Sonntag verweilen und noch ein bisschen über die Zukunft performativer Musik philosophieren.

Montag und Dienstag bitte maximal ausruhen, damit du am Dienstag für dein Neon-Retreat in der Automatenbar wieder auf Kurs bist.

Am Mittwoch musst du dir im Helsinki unbedingt noch schön masslos einige Biere zum süffigen Garagenrock von Mozes and the Firstborn die Kehle runter schütten. Am Donnerstag gleich nochmal, dann aber im Le Romandie in Lausanne. Kein Scherz.