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Bis so guet

Du musst an keiner Demonstration teilnehmen, um einen Strafbefehl aus Winterthur zu erhalten

Strafbefehle erhält normalerweise nur, wer sich etwas hat zu Schulden kommen lassen. Normalerweise.

Foto von Jan Müller

Neulich hatte einer dieser gelben, kleinen Zettel der Post seinen Weg in meinen Briefkasten gefunden. Im Tausch für den Zettel erhielt ich bei der Post einen netten kleinen Umschlag mit der Aufschrift „Departement Sicherheit und Umwelt“, direkt aus dem Stadtrichteramt, was nicht gerade ein gutes Omen ist.

Im Brief fand ich eine Rechnung über 630 Franken und einen Strafbefehl wegen der „Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration (Nachdemonstration vom 19. Oktober 2013 zu „Tanz dich frei“)”. Davon abgesehen, dass mich am Tag nach dem letzten "Tanz dich frei" eine befreundete Journalistin aus Angst, dass ich in der Vornacht entweder verhaftet worden und/oder mir sonst etwas zugestossen war, aus meinem Dornröschenschlaf geklingelt hatte, genoss ich während des letzten „Tanz dich Frei“ meinen Urlaub in Berlin. Nur zur Erinnerung: Eine Nachdemonstration gab es nicht einmal.

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Foto von Jan Müller

Der Strafbefehl müsste daher eher im Zusammenhang mit dem „StandortFUCKtor” stehen, welcher ähnlich aufgegleist war wie das „Tanz dich frei” und irgendwann letzten Herbst von einem Grossaufgebot der Polizei verhindert wurde. Bei dieser Verhinderungsaktion wurde das Auge einer Teilnehmerin mit Gummischrot ausgeschossen. Mindestens eine weitere Person zog sich ebenfalls eine Verletzung am Auge zu. Dort war ich auch vor Ort—als Fotograf.

Zum „StandortFUCKtor“ gab es auch wirklich eine Nachdemonstration. Kleines Problem: An dieser Demonstration war ich nicht anwesend. Ich war an diesem Tag in Winterthur unterwegs, kam auch am späteren Demonstrationstreffpunkt vorbei, aber sprach nur kurz mit ein paar Leuten, die dort lose herumstanden, um mich dann wenige Minuten später interessanteren Dingen zuzuwenden.

Foto von Sarah Deer ı Flickr ı CC-By 2.0

Nachdem ich mich von meinem Anwalt auslachen lassen durfte, beschlossen wir, den Strafbefehl anzufechten. Und so kam es, dass ich wenige Tage später zu einer Einvernahme ins Stadtrichteramt Winterthur bestellt wurde.

Vor Ort durfte ich als erstes meine Akten einsehen. Die Beweislage sah folgendermassen aus: Von mir gab es genau zwei äusserst verpixelte Fotos. Zusätzlich lag in meinen Aktein ein allgemeiner Bericht über die Nachdemonstration von „StandortFUCKtor”. Die Polizei ging also davon aus, dass ich mich innerhalb dieser Demonstration bewegt hatte. Mich wundert auch, wie die Polizei von diesen Fotos auf meinen Namen kam.

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Aber sei es drum. Anscheinend wollte mich erst die Stapo wegen ebendieser Demonstration vorladen. Weil diese Vorladung jedoch an meine alte Adresse ging, „verpasste“ ich den Termin. Infolgedessen leitete die Polizei die Angelegenheit einfach an das Stadtrichteramt weiter—mit dem Strafbefehl als Ergebnis.

Dann kam endlich etwas Bewegung in die Geschichte. Die Stadtrichterin kam zur Einvernahme. Nachdem ich der Dame erklärt hatte, dass nebst der Polizei auch das Stadtrichteramt durchgehend meine alte Adresse verwendet hatte, die Briefe vom Stadtrichteramt aber bei mir ankamen, war ihr das ziemlich peinlich. Nachdem ich ein wenig mit meinem Presseausweis vor ihr herumgefuchtelt hatte, entliess sie mich aus der Einvernahme. Vier Wochen später wurde das Verfahren gegen mich eingestellt.

Foto von Nils Heidenreich ı Flickr ı CC BY-SA 2.0

Na danke: Die Stadtpolizei und das Stadtrichteramt können sich zurücklehnen, irgendwelche Strafbefehle für Dinge, die ich nicht getan habe, ausstellen und sie kommen dann mit einer Einstellungsverfügung weg? Laut der Einschätzung meines Anwaltes sind auch Hoffnungen auf eine Entschädigung illusorisch. Bis so guet!

Der Polizei mächtig auf den Sack gehen könnt ihr auch diese Woche wieder:

Heute machen wir das vorzugsweise in der Roten Fabrik. Da läuft Labitzke@roteFabrik. Ausserdem gibt es den wunderbaren Schubladenflohmarkt im Hinterhof.

Morgen starten wir im Grand Palais, im grossen winzig kleinen Ding, in dem die Ausstellung Solar Age endet. Dann geht's ab in den Südpol, da laufen Filme für die Erde. Und weil wir gerade erst in Stimmung kommen, ziehen wir weiter ins Kraftfeld an die Plattentaufe von Ex-Eluveitie Irij.

Am Samstag gibt es Urknall, Metamorphose und Apokalypse im Royal Baden, Jungle Bass im Exil und für jene unter uns, die sich gelegentlich derart obsoleten Devotionalien wie Mode, Design oder nostalgischen Sommerendnächten hingeben, gibt es die De Mes Amis Herbstkollektionsfeier inklusive Afterparty.

Sonntags begeben wir uns ans Nomadton im Palace oder wir kultivieren unsere Katerstimmung mit Everday Rebellion, etwa im Kino Kunstmuseum oder mit Der Kreis, beispielsweise im Bourbaki.

Am Mittwoch geht's dann wieder los Richtung Wochenende mit The Pussywarmers & Reka im Stall 6. Und das Cabaret Voltaire lädt ein zur Podiumsdiskussion über die Fatalität moderner Wissenskulturen, -systeme, -politik und so weiter und so weiter.