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Braune Banden und Leuchtstifte am Wiener Derby

Beim Wiener Derby zwischen Austria und Rapid kam es am Sonntag zu heftigen Ausschreitungen. Auf beiden Seiten waren mutmaßlich Rechtsextreme beteiligt. Wir haben die Hintergründe.
Foto von Austria80

Fußballerisch hatte das große Wiener Derby zwischen Austria und Rapid alles zu bieten, was ein ballesterischer Leckerbissen braucht. Strahlendes Wetter, enorme Spannung und schließlich eine Niederlage der favorisierten Mannschaft. Die Austria, der im Vorfeld wenige einen Sieg zugetraut hatten, ging 3:0 in Führung. Rapid kam in Folge nah heran, erzielte in der Nachspielzeit sogar noch das 2:3, doch schlussendlich setzte sich die Austria durch.

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Auf den Rängen und im Umfeld des Stadions war die Situation allerdings weit weniger geschmackvoll. Leider von beiden Seiten bereits zu Beginn die üblichen homophoben Schmäh-Rufe „Schwuler FAK bzw. SCR". Es gibt selbstverständlich auch sehr viele, die hier bewusst nicht mitrufen, doch sind diese Kräfte eindeutig (noch?) nicht stark genug, um die Homophobie zu „übersingen". Und beide Vereine sind offensichtlich nicht bereit, diesem Unfug durch Stadiondurchsagen ein Ende zu machen.

Aus beiden Fansektoren wurden von Beginn an immer wieder Böller geworfen. Diese Knallkörper sind extrem gefährlich, der ehemalige Rapid-Tormann Koch etwa konnte ​nach einem Böller-Wurf seinen Beruf nicht mehr ausüben. Im Austria-Sektor gab es zusätzlich eine oder mehrere Personen, die mit Leuchstiften in den nebenanliegenden „neutralen" (aber Rapid-lastigen) Sektor schossen und damit schwere Verletzungen in Kauf nahmen. Zur Ehrenrettung beider Fan-Gemeinden: In beiden Sektoren gab es mehr als genug Fans, die solche Aktionen nicht billigten. Den Böllern und Leuchstiften folgten jedesmal umgehend Pfeifkonzerte und lautstarke Flüche von Violett und Grün.

Schließlich eskalierte die Situation gegen Ende der ersten Halbzeit. Laut Rapid-Foren war der Auslöser, dass im neutralen Sektor ein Rapid-Fan einen Austria-Fan attackiert hatte. Auch die Leuchtstift-Schüsse dürften eine wichtige Rolle gespielt haben, indem sie die Situation aufgeheizt hatten. In der folgenden Auseinandersetzung waren auf beiden Seiten offenbar auch rechtsextreme Gruppen am Werk.

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Auf Seite der Wiener Austria waren wieder einmal ​Unterstützer der bekannten rechtsextremen Gruppe „Unsterblich" beteiligt. Das Banner von Unsterblich war auch im Stadion zu sehen und blieb über die gesamte erste Halbzeit hängen. Es wurde erst von den Mitgliedern selbst abgenommen, als die Ausschreitungen begannen. Unverständlich bleibt, warum hier der Ordnerdienst der Austria nicht reagiert und das Aufhängen dieses Transparents unterbunden hat—ist doch diese Gruppe offiziell von Austria-Spielen verbannt.

Foto mit freundlicher Genehmigung von „Ostkurve statt Ustkurve".

Gut sichtbar ist die Beteiligung der Rechtsextremen ​auf diesem Video. Einige Männer springen vom Zaun, um zu Beginn der Auseinandersetzungen das Unsterblich-Transparent in Sicherheit zu bringen. Sie beginnen auch, das Transparent der „Bulldogs" zu lösen, ebenfalls eine Fangruppe mit einer rechtsextremen Geschichte. Schließlich entscheiden sie sich doch für die Schlägerei, kommen aber danach zum „Bulldogs"-Transparent zurück. Ebenfalls im Austria-Sektor anwesend waren rechte Fans von „Dynamo Dresden". Ob sie unmittelbar an den Ausschreitungen beteiligt waren, ist derzeit noch unklar. Rosa von ​„Ostkurve statt Ustkurve", einem Zusammenschluss von antifaschistischen Austria-Fans erzählt: „Wir haben Berichte bekommen, dass bereits am Weg zum Stadion die Dynamo-Leute gemeinsam mit Unsterblich unterwegs waren. Im Stadion haben Leute aus unserer Redaktion diese Leute ebenfalls gesehen und auch ,Hooligans gegen Salafisten'-Rufe aus dieser Gruppe gehört." Die HoGeSa sind eine rechtsextreme Fußballgruppe aus Deutschland, die vor Kurzem in Köln mit einem Aufmarsch ​auf sich aufmerksam gemacht haben.

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Fotos des Spiels am Sonntag von Austria80.

Rosa schildert auch das Problem mit den rechtsextremen Transparenten: „Wir waren zum Glück ganz woanders im Sektor, aber du siehst von hinten ganz allgemein einfach nie, was vorne hängt. Ein relevanter Teil der Fans der Austria hat mit diesem Scheiß nichts am Hut. Viele sind klar antifaschistisch eingestellt. Diejenigen, die wissen, was vorne hängt, sind die Vereinsordner und die großen Fangruppen. Doch solange beide nichts gegen die Nazis tun oder sogar mit ihnen zusammenarbeiten, ist die Sache sehr schwierig."

Auch auf Rapid-Seite waren diesmal rechtsextreme Gruppen vor Ort. Bereits vor Beginn des Spiels wurden ​rund 70 Fans des Budapester Fußballclubs „Ferencváros" von der Polizei angehalten. Laut Polizei waren die Ungarn mit Messern, Steinschleudern und Schutzbekleidung ausgerüstet. Die „Rechtshilfe Rapid" hingegen verteidigt die ungarischen Fans und spricht vom „menschenunwürdigen Verhalten" der Polizei.

So menschenunwürdig empfängt die Wiener Polizei ungarische Fans in Wien — Rechtshilfe Rapid (@RH_Rapid)9. November 2014

Die Ferencváros-Fans waren nach Wien gekommen, da ein gemeinsamer Auftritt im Rapid-Sektor geplant war. Den Kontakt dürfte vor allem der Rapid-Fanclub Tornados hergestellt haben, der für gute Kontakte zu Ferencváros bekannt ist und die ungarischen Fangruppen auch als einzige ​Nicht-Rapid-Fan-Gruppe auf der eigenen Page verlinkt. Im Stadion gab es zum Auftakt des Spiels gegen die Austria auch eine Choreographie der Rapid-Fans mit den Logos beider Vereine und dem Slogan „Grün Weiss regiert in Wien, Budapest und überall."

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Bedenklich allerdings ist der Hintergrund der meisten Ferencváros-Fans. Wer „Ferencváros Fans" auf Google eingibt, wird bereits auf der ersten Seite zahllose Bilder der Budapester Grünen mit rechtsextremen Symbolen finden, etwa das Keltenkreuz, das „88"-Symbol (das für Heil Hitler steht), das „White Power" Logo oder den Schriftzug „Josue Libertad", der zur Freiheit für einen Neonazi-Mörder aufruft. Die Stimmung im Stadion dürfte diesen Bildern entsprechen. Der Budapester Lloyd etwa beschreibt in seiner Story über Ferencváros, dass ​Hitler-Grüße im Stadion absolut üblich seien.

Im Netz findet sich auch ein Interview mit der führenden Ferencváros-Fangruppe ​„Green Monsters". Dort erklären die Budapester Grünen über ihre Gesinnung: „Natürlich sind wir Patrioten und Rechte, so wie jeder Anhänger von Ferencváros". Direkt unter dieser Aussage findet sich dann ein Bild mit dem NS-Keltenkreuz. Als besondere Freunde benennen die Ferencváros-Fans in diesem Interview die Tornados von Rapid.

Für die Ausschreitungen im Wiener Derby hat das eine gewisse Bedeutung, denn die ungarischen Fans waren wesentlich an den Schlägereien beteiligt, wie zahlreiche Postings im Fan-Forum "Austrian Soccer Board" bestätigen. Sie waren auch offenbar bereits lange vor den Ausschreitungen im Familiensektor eingetroffen, um dort eine Attacke vorzubereiten. Der Rapid-Fan mit dem Nickname ​„Zachonaut" schildert im „Austrian Soccer Board" die Situation so: „Unpackbar der Ordner neben uns im D2 ganz außen, neben dem rund zehn vermummte Ungarn noch lange vor den Ausschreitungen über den Zaun vom 2. nach oben Richtung 3. Rang geklettert sind. Da war keinerlei Ambition zu spüren, die aufzuhalten oder irgendjemandem bescheid zu geben … dann stehen die Ungarn rund zehn Minuten auf einem Stiegenaufgang des 3. Rangs (einer pisst sogar im 3. Rang ganz oben mitten auf die Tribüne) und niemand nimmt sie wahr. Kein Polizist sagt trotz Videoüberwachung dort mal hallo, kein Ordner müht sich, die dort zu verjagen und als sich dann endlich doch mal ein paar Ordner genähert haben ist die Situation im F3 eh schon eskaliert und die Ungarn sind auf den Videos wunderbar in Action zu erleben …"

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Anmarsch der Fans zum Stadion.

Das bestätigen auch mehrere ​andere Postings im Netz. Auch der Ordner-Dienst von Rapid scheint hier eine fragwürdige Rolle gespielt zu haben, ​verschiedene Postings legen ein Paktieren mit den Rechten nahe.

Beide Vereine haben ​unmittelbar auf die Ausschreitungen reagiert. Die Austria hat sich in einem Tweet sofort klar distanziert: „Leider gibt's in unserem Fan-Sektor einige, die den Sinn des Fußballspiels offenbar nicht verstanden haben. Sehr schade" Das ist natürlich löblich. Dennoch muss sich der Verein die Frage gefallen lassen, warum das „Unsterblich"-Banner über die gesamte erste Halbzeit hängen konnte. Und natürlich wird der Verein daran gemessen werden, ob er jetzt mit Stadionverboten entsprechend gegen die Aggressoren, die Leuchtstift-Schießer und die Rechtsextremen vorgeht. Die Austria hat am Tag nach dem Derby bereits in einer Presseaussendung erklärt, dass zwei Personen mit Stadionverbot belegt wurden und sich nochmals ​von den Ausschreitungen distanziert. Dennoch fehlt hier noch ein Hinweis auf die Frage des Umgangs mit Unsterblich und anderen Rechtsextremen.

Rapid hat in einem Tweet die Austria-Fans attackiert: „Pause—0:2 und noch viel trauriger, aus dem Gästesektor werden Leuchtraketen ins Publikum abgefeuert". Die Kritik ist berechtigt und während der Auseinandersetzungen war das Bild auch noch nicht so klar wie einen Tag später. Dennoch sind nun Fakten am Tisch, die auch den Grün-Weißen zu denken geben müssen. Auch bei Rapid sind nun Verein und Fans gefragt, sich von rechtsextremen Gruppen zu distanzieren und entsprechende Taten folgen zu lassen.

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