FYI.

This story is over 5 years old.

News

Bomberjacken am Ballermann

Letzten Endes fragt man sich, warum der gemeine deutsche Nazi überhaupt sein Heimatland verlässt, um auch den Menschen anderswo gehörig auf den Sack zu gehen.

So könnte es aussehen, wenn deutsche Nazi-Zwerge anderen den Urlaub vermiesen.

Ich war noch nie auf Mallorca, obwohl man mir mehrfach versichert hat, dass besonders das Hinterland sagenhaft schön sein soll. Die Vorstellung von bequemen deutschen Pauschaltouristen, die die Poolliegen mit ihren Handtüchern am besten schon am Abend vorher reservieren, will mir einfach nicht so richtig zusagen. Für Deutsche ist "Malle" jedenfalls neben Schwarzwald und Ostseeküste nach wie vor ein beliebtes Reiseziele für deutsche Urlauber. Und gleiches gilt jetzt auch für einige sehr, sehr "deutsche" Urlauber.

Anzeige

Aber nicht nur die findet man dort. Denn wo sich wie in Palma de Mallorca viele Touristen die Klinke in die Hand geben, findet man auch fliegende Straßenhändler. Sie bieten Sonnenbrillen, Plastikspielzeug und DVDs von frisch angelaufenen Kinofilmen an. Manchmal auch billige Rolex-Kopien oder noch billigeren Modeschmuck. Typischerweise gehen die meisten Urlauber, oft auch die wirklich Betrunkenen, an ihnen vorbei, machen ihre Späßchen und vielleicht ein Foto für die Daheimgebliebenen. Die Händler, meist afrikanischer Herkunft, wollen ihre Waren selbstverständlich auch in Mallorcas Partyhauptstadt Número Uno an den Mann bringen. Vieles davon kommt direkt aus China oder von irgendwelchen Produktpiraten, die den Touristen früher selber mal Sonnenhüte untergejubelt haben. Letztendlich gehören sie aber dazu wie hartalkoholisierte Halbstarke und der wirklich überschätzte Ballermannkönig Jürgen Drews.

Seit einiger Zeit führt das Auftreten der Verkäufer nicht nur zum Unmut der spanischen Ladenbesitzer, die oftmals von Wettbewerbsverzerrung sprechen. Auch Touristen fühlen sich vermehrt gestört. Ganz besonders die mit rechter Gesinnung. Nachdem einer der Händler vor etwa zwei Wochen einen glatzköpfigen Deutschen auffordert, sich seine Ware noch mal etwas genauer anzuschauen, rastet der aus. Sein Kumpel hält ihn gerade noch zurück. Dieser oder ein ähnlicher Zwischenfall führen später zur nazigetriebenen Eskalation. In den darauffolgenden drei Tagen kommt es besonders in der Nähe des MegaParks zur Massenschlägerei zwischen bis zu 25 Deutschen und etwa 40 afrikanischen Händlern. Flaschen und Barhocker fliegen durch die Straßen, etliche Beteiligte werden verletzt. Die spanische Polizei berichtet laut Mallorcazeitung zuerst von deutschen Skinheads, bestätigt dies später aber nicht. Wird die deutsche Braune also jetzt auch in des Deutschen liebstes Inselparadies exportiert? Carsten König, Ansprechpartner für den Bierkönig und das  Oberbayern in der Schinkenstraße in Palma de Mallorca, hat leider „keine Zeit und kein Interesse“, uns diese Frage zu beantworten.

Anzeige

Doch die Übergriffe auf die meist afrikanischen Händler sind nicht die einzigen ihrer Art. Bereits im Sommer 2012 kam es in San Juan (ebenfalls auf Mallorca) zu einer Schlägerei zwischen Rechtsradikalen und einer Gruppe deutscher Touristen. Rassistische Parolen und Pullover der ultrarechten Naziorganisation Combat 88 81 waren ebenfalls mit im Spiel. Im Jahr 2011 überfiel eine Gruppe deutscher Skinheads den Bierkönig in Palma. Letztendlich muss die Diskothek schließen, nachdem ein Großaufgebot der örtlichen Polizei den Laden gestürmt und einen Großteil der Skinheads festgenommen hat. Neben einem senegalesischen Kellner landen auch weitere Unbeteiligte im Krankenhaus.

Die gesteigerte Polizeipräsenz nach solchen Extremsituationen hat allerdings auch Auswirkungen auf die größtenteils illegalen Straßenhändler. Sie werden häufiger kontrolliert, können nichts mehr verkaufen und kassieren saftige Bußgelder. Schlussendlich bleibt der Gewinn aber so oder so aus. Mehr Polizei heißt hier automatisch nicht mehr Sicherheit—besonders keine finanzielle.

Wie extrem solche Polizeiaktionen ausgehen können, zeigt der Fall von Abdoulaye Mbengue. Der Straßenhändler flieht während einer Kontrolle Mitte April dieses Jahres vor der Polizei, wird von einem Auto erfasst und überrollt. Nach vier Tagen auf der Intensivstation stirbt er.
 
Trotz der teilweise offenen Anfeindungen der Touristen und Einheimischen wählten in den vergangenen Jahren sehr viele Afrikaner aufgrund der schlechten Arbeitsmarktsituation in ihren Heimatländern dieses Leben. Ausgehend von westafrikanischen Küstenstädten schlagen sie sich über die Kanaren und das spanische Festland nach Mallorca durch. Die Chancen, die sie sich in Europa erhoffen, sind das Risiko wert. Denken sie zumindest. Denn die Gefahr, bei der illegalen Überfahrt zu ertrinken oder einmal in Spanien einfach wieder abgeschoben zu werden, ist groß. Oft genug sind es auch einfach nur Minderjährige, die von ihren Eltern auf die gefährliche Reise nach Europa geschickt werden. Das Ganze ist allerdings kein Problem, das nur Mallorca betrifft. Auch die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa ist oft genug Ziel der afrikanischen Flüchtlingsboote.

Ironischerweise sind viele der geflüchteten Afrikaner besser ausgebildet als die Leute, denen sie später irgendwelche Billigwaren andrehen müssen. Sie haben Universitätsabschlüsse, sind ausgebildete Ärzte, Juristen oder Physiker. Auf Mallorca leben sie dann in großen Gruppen in viel zu kleinen Zimmern und warten auf ihre Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung, um dann irgendwann mal bleiben zu dürfen.

Viele Afrikaner, oft aus dem Maghreb oder Westafrika, entscheiden sich in der Zwischenzeit dafür, im Straßenverkauf eine lohnende Alternative zu suchen. Und auch wenn die Zahlen der illegalen Einwanderer in den letzten Jahren aufgrund verbesserter spanischer Küstenüberwachung rückläufig sind, gehören die afrikanischen Straßenhändler nach wie vor zum typischen Straßenbild mallorquinischer Tourismuszentren. Man darf davon ausgehen, dass deren alleiniges Auftreten zur hohen Konfliktbereitschaft betrunkener (und in einigen Fällen auch rechtsextremer) Proleten-Touristen aus Deutschland führt.

So oder so, solche Vorfälle machen die spanische Urlaubsinsel nicht attraktiver. Letzten Endes fragt man sich dann aber trotzdem, warum der gemeine deutsche Nazi überhaupt sein Heimatland verlässt, nur um auch den Menschen anderswo ordentlich auf die Eier zu gehen.