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Drogen

Cem Özdemir steht über dem Gesetz und macht die Ice-Bucket- zur Cannabis-Challenge

In seinem Ice-Bucket-Video steht der Vorsitzende der Grünen neben einer Cannabis-Pflanze. Wäre er kein Abgeordneter, müsste er mit einer Hausdurchsuchung rechnen.

Ob die Ice-Bucket-Challenge jetzt ALS-Patienten hilft oder eher der Selbstdarstellung der Teilnehmenden dient, wird vielerorts heiß diskutiert. Bei dem gestrigem Eiswasser-Erguss von Cem Özdemir, seit 2008 Bundesparteiobmann der Partei Bündnis 90/Die Grünen in Deutschland, stand die eigentliche Mission dann aber schnell im Hintergrund, posierte der Vorsitzende der deutschen Partei doch im grob-pixeligen YouTube-Video vor einer Pflanze, die ziemlich nach  einer Hanfpflanze aussah. Die Online-Gemeinde war sich ob der schlechten Qualität des Films jedoch nicht sicher, ob es sich wirklich um Hanf handelt. Özdemir selbst hat das Geheimnis jetzt gelüftet: Beim verdächtigen Grün handelt es sich tatsächlich um Gras, wie uns von offizieller Seite mitgeteilt wurde.

„Um das Geheimnis zu lüften: Ja, es ist eine Hanfpflanze. Wir Grüne sind Freunde der Freiheit. Ob jemand Cannabis konsumieren möchte und die damit verbundenen Risiken eingeht, sollte in einer freien Gesellschaft der Bürger selbst entscheiden. Klar ist: Kein Cannabis unter 18 Jahren. Im Video zu meiner Ice-Bucket-Challenge hatte ich dazu ein sanftes, politisches Statement eingebaut“, so Özdemir heute in einem Statement. Wo sich der Balkon befindet, auf dem der Bundestagsabgeordnete mit der verbotenen Pflanze posiert, wollte die Fraktion nicht mitteilen.

Was wohl als Späßchen fürs politische Sommerloch gedacht war, könnte weitreichende Konsequenzen haben. Denn anders als bei einem öffentlichen Zug am Joint, wie ihn Martin Linder (FDP) bei Stuckrad-Barre einst zelebrierte gilt beim Anbau von Hanf „Zero-Tolerance“. Der Konsum ist straffrei, der Anbau wird in jedem Fall verfolgt. Eine „geringe Menge“ wie beim Besitz von Gras oder Hasch gibt es bei Hanfpflanzen auch nicht, selbst in Berlin sackt die Polizei heute noch jede Pflanze ein, die ihr unter die Augen kommt. Sei es auch nur eine einzige, die am Fensterbrett oder dem Balkon vor sich hin vegetiert.

Wer sich bei YouTube oder auf Facebook gar öffentlich mit einer oder gar mehreren Hanfpflanzen zeigt, wird nicht selten strafrechtlich verfolgt oder bekommt überraschenden Besuch. Özdemir genießt allerdings politische Immunität, die im Falle von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft mit großem Medienecho aufgehoben werden könnte—wegen einer Hanfpflanze. Wird nicht ermittelt, könnten es Özdemir-Anhänger sodann als Signal verstehen, es dem Cem gleich zu tun. So wie die Ice-Bucket-Challenge. Der Deutsche Hanfverband begrüßt die Aktion Özdemirs: „Wir freuen uns über das politische Signal und hoffen, dass Herr Özdemir der Strafverfolgung entgehen kann“ ,kommentierte DHV-Sprecher Florian Rister das Video.

Die Cem'sche Graspflanze zum jetzigen Zeitpunkt ist kein Zufall. Özdemir hat die Zeichen, die uns aus den USA erreichen, wohl rechtzeitig erkannt. In den USA, wo dieses Jahr in drei weiteren Bundesstaaten über die Legalisierung von Cannabis abgestimmt wird, ist Cannabis längst weg vom Schmuddel-Image hippiesker Sub-Kultur. 23 Bundesstaaten haben die medizinische Anwendung von Cannabis bereits gesetzlich verankert, Hanf ist im Mutterland der Prohibition mediales und politisches Top-Thema und kann dort viele Wählerstimmen bringen. Hatte sich Özdemir vor fünf Jahren bei Beckmann noch sehr zurückhaltend zur Einstampfung des Cannabis-Verbots geäußert, lässt das Video mit der Hanf-Dame an seiner Seite vermuten, dass Hanf auch als Wahlkampfthema bei den Bündnis-Grünen langsam salonfähig wird.