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Drogen

Die Cannabis-Krankheit, die zu Erbrechen und dem Wunsch führt, sich kochend heiß zu duschen

Das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom gibt es wirklich und ihr könnt daran erkranken, wenn ihr zu viel Gras raucht.

Gras ist nicht für jedermann geeignet. Bei den meisten von euch ist das Schlimmste, was nach ein paar Zügen passieren kann, dass euch etwas schwummerig wird, ihr auf eure Schuhe kotzt oder anfangt, Ben-Harper-Lieder mitzusingen.

Für eine kleine Gruppe von Dauerkiffern kann es allerdings deutlich unangenehmer werden.

Das sogenannte ​Cannabis-Hyperemesis-Syndrom oder CHS ist eine Krankheit, die durch regelmäßigen und langjährigen Cannabis-Konsum ausgelöst wird. Zu ihren Hauptsymptomen gehören Übelkeit, Magenschmerzen und zyklisches Erbrechen. Ein Leiden, bei dem ihr zwischen sechs und zwölf Mal die Stunde brechen müsst. Nicht gerade das, worauf man Lust hat, wenn man gerade 10 Euro für ein Gramm Cannabis ausgegeben habt.

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Das Wort ​Cannabinoid sagt euch vielleicht etwas. Seit den Leuten klar geworden ist, dass Gras auch für andere Sachen gut ist, als Videospiele spannender zu gestalten und irgendwie den Schultag zu überstehen, tauchte es immer häufiger auf. Falls euch das aber immer noch nichts sagt, hier eine kurze Erklärung: Cannabinoide sind chemische Verbindungen, von denen manche von Natur aus im menschlichen Körper vorkommen. Ansonsten findet man sie unter anderem auch in der Hanfpflanze. Auf Cannabinoide beziehen sich auch die ganzen Wundergeschichten, die ihr über medizinisches Cannabis gehört habt: angeblich lässt sich mit ihnen nahezu alles behandeln—von grünem Star bis Epilepsie.

Leider schaden Cannabinoide aber denen, die an CHS leiden. Und weil die Krankheit bisher kaum untersucht wurde, wird sie häufig nicht diagnostiziert. Den Berichten von Patienten zufolge, die ich online gelesen habe, führt das zu zahlreichen Besuchen im Krankenhaus, endlosen Computertomographien und allen möglichen anderen Tests, die nur allzu häufig feststellen, dass der Patient völlig gesund ist und sich lediglich häufig übergibt.

Noch verwirrender ist die Tatsache, dass Cannabis immer häufiger als Mittel gegen Übelkeit verschrieben wird (oder online empfohlen, falls ihr irgendwo lebt, wo es illegal ist). Wie also eine Substanz, die für ihre antiemetischen Eigenschaften bekannt ist (also Brechreiz lindert), bei einigen das hervorrufen kann, was sie eigentlich verhindern soll, ist schwer zu erklären.

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Die erste ​CHS-Studie wurde 2004 durchgeführt. Bei 19 Australiern wurden zyklisches Erbrechen in Verbindung mit Cannabismissbrauch festgestellt. Von den 19 Patienten nahmen schließlich nur neun an der Studie teil. In sieben der Fälle hatte „das Einstellen des Cannabismissbrauchs dazu geführt, dass auch das zyklische Erbrechen aufhörte". In anderen Worten: Als sie mit dem Kiffen aufhörten, mussten sie sich auch nicht andauernd übergeben. Das scheint eine sehr simple Lösung für das Problem zu sein.

Eine Besonderheit konnte allerdings nicht erklärt werden: Die Patienten entwickelten die Gewohnheit, kochend heiß zu duschen oder zu baden. Anscheinend half das dabei, ihre Symptome zu lindern.

Zwischen 2004 und 2012 wurden knapp 30 Studien zu dem Thema durchgeführt, von denen sich die meisten auf einzelne Aspekte konzentrierten. Dennoch weiß man immer noch nicht, wodurch genau CHS ausgelöst wird (vielleicht liegt es an einer Cannabinoid-Toleranz oder hat mit den Cannabinoid-Rezeptoren im Gehirn zu tun). Es ist auch unklar, weshalb die Krankheit so plötzlich aufgetreten ist. Immerhin haben Menschen erwiesenermaßen schon vor dem Jahr 2004 Cannabis geraucht.

2012 führte Dr. Douglas A. Simonetto die bisher umfangreichste CHS-Studie durch, in der alle 98 Patienten die wichtigsten Kriterien erfüllten. Seine Forschung stützte die These, dass CHS tatsächlich eine Krankheit ist und sich bei euch Brechreiz und zyklisches Erbrechen einstellen können, wenn ihr zu viel Gras raucht (84 Patienten berichteten außerdem von Magenschmerzen). Wenn ihr aufhört zu rauchen, stellen sich auch die Symptome ein—bei den meisten zumindest. Dr. Simonetto fand auch heraus, dass ungefähr die Hälfte der Patienten ihre Symptome lindern konnte, indem sie brühheiß badete.

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Während ich zu CHS recherchierte, stieß ich auf den YouTube-Account von Dr. Larry Mellick, einem Dozenten für Kinder- und Jugendmedizin an der Georgia Regents University in den USA. Seit einem Jahr nimmt er CHS-Patienten auf, von denen einer im obenstehenden Video über das zwanghafte Duschen spricht.

„Es war ja nicht so, dass ich so verschwitzt war, dass ich hätte duschen müssen. Ich habe es einfach getan, ohne zu merken, dass ich es tue", sagt er in die Kamera. Seine Schwester fügt hinzu, dass er vier- oder fünfmal am Tag in „kochend heißem Wasser" geduscht habe. Wasser, das so heiß war, dass sie selbst es darunter nicht ausgehalten habe. Weshalb sie mit ihrem Bruder duschen wollte, wurde nicht erläutert.

Das zwanghafte Baden taucht in fast jedem CHS-Bericht auf, den ich gelesen habe. In einem Fall hat sich ein Patient sogar unwissentlich die Haut verbrüht, als er versuchte, seine Symptome zu lindern. Es ist unklar, weshalb das heiße Duschen hilft. Sicher ist allerdings, dass dieses Verhalten sowohl medizinischem Personal, als auch den Betroffenen beim Erkennen der Krankheit helfen könnte. „Normalerweise nehmen die Patienten die Diagnose in dem Moment an, in dem sie erzählen, dass heißes Duschen ihre Symptome lindert", sagte mir Dr. Mellick.

Ich habe mit Ben, einem Studenten aus Bristol, gesprochen, der sich die Diagnose angeblich selbst gestellt hat. Nachdem er zwei oder drei Jahre lang mindestens sieben Gramm die Woche geraucht hatte, tauchten bei ihm im Februar letzten Jahres die ersten CHS-Symptome auf. Ihm war nach dem Aufwachen übel, er duschte, musste würgen und sich gelegentlich übergeben. Außerdem hatte er Magenkrämpfe.

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Nach einigen falschen Diagnosen wurde Ben klar, dass er an CHS leiden könnte, also spülte er sein Gras in der Toilette runter und zerschmetterte in einer dramatischen Geste seine Bong. Nach einer Woche Cannabis-Abstinenz nahmen seine Symptome ab—eine deutliche Verbesserung, bevor er das Rauchen schließlich ganz aufgab. „Ich war bettlägerig. Ich hatte keine Kraft und meine Magenschmerzen wurden immer schlimmer", sagte er mir. „Jetzt kann ich im Haus herumlaufen und wieder in meinen Alltag zurückfinden."

Nun wissen wir aber immer noch nicht, weshalb Cannabis-Konsumenten an CHS erkranken. Wegen der langjährigen Prohibition wurden nur wenige Studien zu den Auswirkungen von Cannabis auf das Endocannabinoid-System des menschlichen Körpers durchgeführt. In einem Gespräch mit Greg De Hoedt, dem Vorsitzenden des UK Cannabis Social Clubs, kam die Frage auf, ob das Auftreten von CHS etwas damit zu tun haben könnte, dass es mittlerweile deutlich einfacher und beinahe schon die Norm ist, ausgesprochen starkes Gras zu kaufen.

Greg: „Stärkeres Cannabis ist leicht erhältlich und macht mittlerweile den Großteil des Marktes aus. Den Leuten ist gar nicht klar, dass es auch schwächeres Gras gibt. Ein sicherer Zugang zu Cannabis gepaart mit ernsthafter Beratung sind das Beste, um solche Nebeneffekte zu reduzieren."

Das mag bei einigen funktionieren, aber bis jetzt deuten die Forschungsergebnisse darauf hin, dass das beste Mittel gegen CHS ist, völlig auf Cannabis zu verzichten. Wobei es natürlich nicht immer leicht sein wird, einen Patienten von dieser Lösung zu überzeugen. Ben: „Ich dachte immer, dass Gras gut sei, dass es Medizin sein. Ich dachte, es würde mir auf lange Sicht helfen. Hat es aber nicht."

Dr. Mellick sagte etwas ähnliches: „Gelegentlich verweigern sich die Patienten der Realität. Dann muss man sie davon überzeugen, dass sie sich in einer Lage wie aus dem Lehrbuch befinden."

Cannabis stößt auf immer breitere Akzeptanz—was zumindest meiner Meinung nach auch gut so ist. So lange ihr euer Leben nicht zugedröhnt vor dem Fernseher verschwendet, gibt es keinen triftigen Grund dafür, weshalb ihr nicht ab und zu einen Joint rauchen solltet, wenn ihr das eben gern macht.

Doch wie jede Droge wird auch Cannabis weitaus weniger angenehm, wenn ihr anfangt, es zu missbrauchen. Ganz besonders dann, wenn ihr den Chemiehaushalt in eurem Körper so durcheinander bringt. dass ihr euch jedes Mal übergeben müsst, wenn ihr euch einen Joint anzündet.