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Cop Watch

Cop Watch: ​Bayerischer Polizist redet vor Reichsbürgern

Der hochrangige Beamte erklärte, wie man das „System zerbröselt"—nach 40 Jahren Dienst muss er es ja wissen.
Foto: Polizeiinspektion Traunstein

Normalerweise ist das Verhältnis von Reichsbürgern und Polizisten nicht besonders gut, was irgendwie in der Natur der Sache liegt: Die rechte Reichsbürger-Subkultur glaubt nun mal nicht an die Existenz der Bundesrepublik Deutschland—und damit auch nicht an ihre Institutionen, von denen die Polizei nicht die unbedeutendste ist.

Das sorgt immer mal wieder für skurrile Situationen. So wie letzten Dezember in Rheinland-Pfalz, als die Autobahnpolizei innerhalb weniger Minuten gleich zwei Autofahrer rausfischen musste, die ihre Nummernschilder falsch herum montiert hatten—„weil hier alles durch die Alliierten auf den Kopf gestellt worden sei", wie einer der aufgebrachten Männer den Beamten erklärte.

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Auch im Chiemgau hat man in letzter Zeit immer wieder Schwierigkeiten mit dieser besonderen Spezies Deutscher: Dort fahren in letzter Zeit immer wieder Autos mit Nummernschildern herum, auf denen einfach „MENS:CH" steht. Dahinter steht eine relativ neue Gruppierung, die sich „Heimatgesellschaft Chiemgau" nennt und ihren rund 80 Mitgliedern sogar selbstgemachte „Fahreignungsnachweise" ausstellt. Wenn die Polizisten so jemanden erwischen, müssen sie sich regelmäßig auf längere Gespräche einstellen, in denen wütende „Reichsbürger" den Ordnungshütern erklären, sie würden überhaupt nicht existieren. Man könnte also annehmen, dass die Beamten von der Splittergruppe eher genervt sind.

Umso überraschender, dass ein ranghoher Beamter der Chiemgauer Polizei offenbar nicht nur Sympathien für die Ideen der „Heimatgesellschaft Chiemgau" hegt, sondern sogar Vorträge bei ihren Versammlungen hält, auf denen er das baldige „Zerbröseln" des „Systems" voraussagt.

So berichtet die Lokalseite chiemgau24, der Erste Polizeihauptkommissar Harald Schreyer habe am Dienstag einen Vortrag bei der Heimatgesellschaft gehalten. Der anwesende Journalist zitiert den Polizisten mit Sätzen wie „Ihr wisst doch selber, wie die BRD funktioniert. Muss ich dazu noch was sagen?" oder „Wenn solche Netzwerke [Anm. der Redaktion: wie die Heimatgemeinde] größer werden, dann zerbröselt das System irgendwann". Schreyer verkündete, er spreche „als Polizist" zu den Versammelten—und gab außerdem noch Tipps zum Umgang mit seinen Kollegen. Dazu verriet er, dass die Polizisten mittlerweile „Handlungsanweisungen im Umgang mit Reichsbürgern" erhalten hätten.

Redet auch gerne vor Reichsbürgern: Xavier Naidoo

Besonders verwunderlich ist das Ganze, weil Schreyer immerhin selbst seit 40 Jahren vom Staat bezahlt wird und den obersten Rang im höheren Polizeidienst erreicht hat. (Am Anfang dieser Karriere müsste er auch einen Diensteid auf das „Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und [die] Verfassung des Freistaates Bayern" geschworen haben.) Und er arbeitet mittlerweile hauptsächlich als Seminarleiter in einem Fortbildungsinstitut der Bayerischen Polizei—bildet also junge Schergen eines Systems aus, an dessen Existenz er offenbar selbst Zweifel hat.

Als der Journalist ihn nach seinem Vortrag konfrontierte, erklärte Schreyer, er sehe sich als „Bindeglied" zwischen den Reichsbürgern und der Polizei. Und er sei eben selbst „auf der Suche nach der Wahrheit, und da kommt man auf Widersprüche". Vor allem wenn man sich nach eigenem Bekunden vor allem auf Verschwörungsblogs wie dem des Kopp-Verlags oder quer-denken.tv informiert.

Der Komissar war schon vor einiger Zeit aufgefallen, als er 2015 einem bekannten Verschwörungstheoretiker ein einstündiges Interview für dessen YouTube-Kanal gab, in dem er unter anderem erklärte, ein Ausweis des Deutschen Reiches könne unter bestimmten Umständen gültig sein. Damals bekam Schreyer eine Ermahnung. Sein Auftritt bei den Reichsbürgern diese Woche werde man nun ebenfalls prüfen, erklärte ein Pressesprecher der Polizei gegenüber chiemgau24.de.