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Macht dieses Start-up Mieten endgültig unbezahlbar?

Im Grunde handelt es sich hier um eine Art eBay für Vermieter—und um einen neuen, innovativen Weg, die Immobilienkrise noch weiter zu verschärfen.
Simon Childs
London, GB

Ein Plakat auf einer Demonstration gegen hohe Mieten, Verdrängung und Zwangsräumungen | Foto: imago | IPON

Es kann schon ziemlich ermüdend sein, nach der vierten neuen Wohnung in genauso vielen Jahren suchen zu müssen und dabei die ganzen Angebote mit winzigen Küchen oder diesen komischen Dusch-Toiletten zu überspringen, oder? Wenn es doch nur eine Möglichkeit geben würde, diesen ganzen Prozess weniger eintönig zu gestalten. Die kraftkostende und sich immer wiederholende Enttäuschung kann bestimmt irgendwie mit dem stressigen Nervenkitzel eines Online-Bieterkriegs ersetzt werden.

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Zum Glück ist ein cooles, neues Start-up mit einer cleveren Methode um die Ecke gekommen, die deine Mischung aus Aufregung und Angst durch die Decke schießen lassen wird—Langeweile ade! So hat das in San Francisco ansässige Unternehmen Rentberry eine Plattform ins Leben gerufen, auf der Vermieter ihre Mietobjekte einstellen können. Der Clou an der ganzen Sache: Als interessierter Mieter bekommt man nicht mehr einen völlig unverschämten Mietpreis gesagt, sondern gibt wie bei eBay ein Gebot ab. Der Vermieter kann sich dann für das seiner Meinung nach beste Angebot entscheiden.

Im Gespräch mit der Zeitung San Francisco Chronicle meinte Rentberry-Geschäftsführer Alex Lubinsky: "Im Grunde bieten wir hier einen effizienteren und transparenteren Bewerbungsprozess an, der auch Elemente einer Auktion beinhaltet." Das Unternehmen schätzt, dass der durchschnittliche Mieter zum Beispiel in der unglaublich beliebten Bay-Area-Gegend von San Francisco bei der Suche nach einer Wohnung sieben bis zehn Stunden weniger suchen und mindestens 400 Dollar an Gebühren sparen wird (natürlich nachdem Rentberry die eigenen Nutzungsgebühren abgezogen hat). Das klingt doch gar nicht mal so schlecht.

Auf der Website richtet man sich jedoch auch an potenzielle Vermieter: "Wir versuchen, den Mietpreis zu maximieren, indem Bewerber eigene Gebote abgeben und sich damit an der Auktion beteiligen können."

Bei solchen Worten ist es eigentlich recht offensichtlich, dass die Mietpreise so mancherorts ganz neue Höhen erreichen werden. Und es ist auch nicht schwer, sich die Horrorgeschichten vorzustellen, die eintreten würden, wenn sich dieses System in Deutschland etablieren sollte. "Dank eines wahren Bieterkriegs hat sich die Miete für eine Berliner Einzimmerwohnung in nur einer Stunde verdoppelt" und so weiter. Aber hier hört es mit den düsteren Aussichten noch nicht auf.

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Irgendwie mutet es doch ziemlich bizarr an, die eigene Miete zu erhöhen. Ich meine, stell dir doch mal folgendes Szenario vor: Du findest ein Inserat, das dir richtig gut gefällt, und fängst an, Gebote abzugeben, die noch weit unter deinem festgelegten Limit liegen. Mit der Zeit fallen deine Gebote jedoch immer höher aus, weil du auch emotional schon einiges investiert hast und dir inzwischen richtig gut vorstellen kannst, in genau dieser Wohnung zu leben. Sie liegt aber auch direkt am Fluss und Wasser hat so eine beruhigende Wirkung auf dich. Außerdem könntest du von dort aus zur Arbeit laufen und damit viel Geld sparen. Dazu kommt noch, dass die Küche einen richtig guten Eindruck macht! Und bevor du dich versiehst, sitzt du um 03:00 Uhr mit dem Laptop auf deinem Bett und kämpfst gegen irgendeinen Menschen an, der drauf und dran ist, dir dein neues Domizil quasi direkt unter der Nase wegzuschnappen. Dabei schießt der Mietpreis immer weiter nach oben und du denkst bereits darüber nach, an welchen Ecken und Enden du sparen kannst, um dir die Traumwohnung zu sichern. Und tatsächlich: Wenige Sekunden vor Auktionsende schaffst du es, das Arschloch zu überbieten. Du hast gewonnen. Oder?

Nun ja, wenn du später dann ständig damit zu kämpfen hast, jeden Monat deine horrende Miete zu bezahlen, kannst du die Schuld daran nur dir selbst geben.

Motherboard: Diese Webseite vermittelt Miet-Hacker nach dem MyHammer-Prinzip

OK, vielleicht kannst du auch noch auf die anderen Idioten wütend sein, die bei deiner neuen Wohnung mitgeboten haben. Ich wette, dass genau diese Idioten kurz darauf eine bessere und günstigere Bleibe gefunden haben. Und sie haben bestimmt auch noch attraktivere Beziehungspartner, mit denen sie nun zusammenleben und mit denen sie sich um die Hauspflanzen kümmern.

Natürlich ist es Bullshit, gegen die Leute zu schießen, die im gleichen Boot sitzen wie du. Aus diesem Grund haben sich jetzt auch englische Studenten zusammengeschlossen und dazu entschieden, keine Miete mehr zu bezahlen. Und damit beweisen sie, dass Mieter im Grunde nur eine Sache machen müssen, um ihr Schicksal selbst zu bestimmen: Sich im Kollektiv für die gemeinsamen Interessen einsetzen. Bei Rentberry gibt es jedoch weder ein Kollektiv noch gemeinsame Interessen, sondern nur ein paar Volltrottel, die sich gegenseitig überbieten und damit die Taschen der Vermieter mit noch mehr Geld vollstopfen, als es sowieso schon der Fall ist.