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In China wurden die Opiumhöhlen von damals durch Ketahöhlen ersetzt

Ketamin ist die beliebteste Partydroge in Südchina. Hier, im Herzen des langjährigen Produktionsstandorts, wird die Droge in einem Maße gezogen und geschluckt, wie es im Westen beispiellos ist.

Das Erste, was auffällt, sind die Strohhalme: Sie sind lang, leuchtend, rosa und lila gestreift, haben geknickte Hälse und erinnern an Kindergeburtstage. Sie sind im ganzen Raum verteilt, liegen auf Bänken, Tischen und Tabletts und werden wie Limonade herumgereicht. Ansonsten sieht es genau so aus, wie man es von einem privaten Karaokeraum in der südchinesischen Stadt Guilin erwarten würde, in den man um zwei Uhr morgens hereinspaziert. Ein zerknittert aussehender taiwanischer Geschäftsmann stellt Augenkontakt zu mir her. Während sich seine Freunde auf den nächsten großen Song vorbereiten, fordert er mich enthusiastisch auf, hereinzukommen. Es gibt viele gelockerte Kragen, Umarmungen, wabblige Bäuche von Männern mittleren Alters und viel Zugeproste. Ein paar Frauen haben ihre Oberteile verloren. Alle ziehen eine der enormen Lines auf dem Tablett und niemand nimmt mich wahr. Ein paar Stunden später befinde ich mich in einem ganz anderen Teil des Hauses. Nicht untypisch für einen chinesischen KTV-Nachtclub gibt es eine große, in Neonlicht getauchte Tanzfläche und mehrere Bars, denen niemand auch nur die geringste Beachtung schenkt. Der Hauptanzugspunkt in diesem höhlenartigen Bereich ist ein Netzwerk von ominösen VIP-Räumen, die sich in einem Gewirr identisch aussehender Korridore und Etagen, die nur für zahlende—oder sehr neugierige—Gäste zugänglich sind, verbergen. Auf einem der Flure findet eine andere Party statt, diesmal mit noch extremeren Gästen. Ihre Augen leuchten hell, sie sind betrunken und voller Energie. Es gibt so viele Männer wie Frauen, alle sind ungefähr im gleichen Alter. Vor einem gigantischen Plasmafernseher, aus dem koreanische Popvideos plärren, fragt ein junges Mädchen nach einem Song und wird von der betäubten Gruppe beobachtet. Die Frauen tragen schwarze Oberteile und Röcke, die Männer sind bis zur Hüfte nackt und dünn wie ein Skelett; viele von ihnen sind tätowiert. Alle von ihnen sind auf Ketamin. Ketamin ist die beliebteste Partydroge in Südchina, dem Epizentrum des Ketaminkonsums und seiner Herstellung. Hier, im Herzen des langjährigen Produktionsstandorts, wird die Droge in einem Maße gezogen und geschluckt, wie es im Westen beispiellos ist.   2008 beobachtete die UNO, dass Ketamin—in China als K oder K仔 (K fen) oder king bekannt—„die am häufigsten missbrauchte Droge in Hongkong ist und im südlichen China an Beliebtheit gewinnt“. Aufgrund der legalen Anwendungsmöglichkeit ist „das wirkliche Ausmaß des Konsums unklar und wird wahrscheinlich unterschätzt“. Danwei berichtete 2009, dass in Hongkong doppelt so viel Ketamin wie Kokain beschlagnahmt wurde.   Schätzungen zufolge nehmen zwei Drittel der chinesischen Drogenabhängigen Heroin, was vor allem geografisch bedingt ist: Das Land grenzt mit Afghanistan und Myanmar an zwei der größten Opium- und Heroinproduzenten der Welt. Doch im Laufe des letzten Jahrzehnts expandierte auch der chinesische Drogenmarkt rapide. Laut einem 2006 veröffentlichten Aufsatz von Niklas Swanstrom, einem Sicherheitsexperten an der schwedischen Universität Uppsala, ist China zu einer „wichtigen Verbindung im Drogenhandel geworden, und zwar als Konsument, als Transitroute sowie als Exporteur von Vorläuferchemikalien“ an benachbarte Länder. Neben Crystal Meth, das auf der ganzen Welt immer beliebter wird, steigt auch die Nachfrage nach Ketamin in China stetig an. Während die Weltgesundheitsorganisation die indische Stadt Goa als eine globale Hauptquelle von K hervorhebt, schätzt sie, dass 2010 99 Prozent des weltweit beschlagnahmten Ketamins aus Asien kamen, wo die Droge „illegal in China hergestellt wird.“

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Im April nahm die Polizei einen 24-jährigen Mann an der Grenze von Hongkong fest, der über ein Kilo Ketamin bei sich trug. (via Polizei Hongkong)

Ketamin wurde erstmals 1963 in Belgien patentiert und als Narkose- und Schmerzmittel für Tiere sowie—nach der Genehmigung durch die US-Arzneimittelbehörde—für die Behandlung verwundeter Soldaten in Vietnam eingesetzt. Im Westen, wo K nicht das gleiche Ansehen wie Kokain oder Marihuana genießt, wird es oft als Clubdroge beschrieben, die es schafft, Pferde ruhig zu stellen. Tatsächlich wird es—in größeren Mengen—sehr großen Tieren verabreicht. „Ketamin“ war die knappe Antwort, die ich von einem Zoowärter in einer Krokodilanlage in Thailand bekam, als ich ihn fragte, wieso kleine Kinder sicher auf lebendigen Tigern oder Krokodilen für Fotos posieren können. Doch der Begriff „Pferdebetäubungsmittel“ ist keine besonders hilfreiche Beschreibung, um der Verwendung als Partydroge näherzukommen.

Heute ist die Droge dafür bekannt, selbst erfahrene Konsumenten absolut handlungsunfähig zu machen und sie an weit entfernte mentale Orte zu schicken. In China wie auch anderswo ist der Begriff für diesen psychischen Jenseitsort „K-Hole“. Die manchmal als „Mittagspausen-Rausch“ bezeichnete Wirkung kann kurzlebig sein. So wie auch bei PCP, einer weiteren sogenannten dissoziativen Droge aus den 60er Jahren, behaupten einige Konsumenten, direkt ins K-Hole zu gelangen und dann eine Stunde später relativ nüchtern und pünktlich zur Arbeit wieder zurückzukommen. In der Zwischenzeit erleben die Konsumenten, bei denen es sich oftmals um junge Menschen aus Großstädten handelt, angeregte und lebensechte Tagträume, und eventuell auch eine tiefgreifende Erleuchtung. „Ich bin eine andere Welt eingetaucht … es war furchterregend. Aber das erschreckendste ist das Wundervolle dieser Welt“, schreibt der 20-jährige Shenqiu de Liming nach einem K-Erlebnis auf seinem Blog. „Ich fühlte mich, als wäre ich in einem 3D-Animationsfilm gelandet. Alles schien so nah, dann wieder so fern, alles fühlte sich so entspannt und toll an … Es war unbeschreiblich … Alle Sehnsüchte sind präsent … Ich dachte plötzlich an den Tod meines Bruders. Ungefähr eine Stunde später wachte ich wieder auf, und meine Freundin erzählte mir, ich hätte gelacht und geweint.“ Der intensive K-Rausch kann das Gefühl einer Erleuchtung erzeugen, aber er kann unerfahrene Konsumenten auch in einen Zustand des nahenden Untergangs versetzen. „Ich war in dieser Nacht so high, dass ich dachte, ich sterbe“, schreibt ein 25-jähriges chinesisches Mädchen. „Ich sollte eine Tasse Milch trinken und übergab mich … dann fing ich an zu schwitzen. Ich schwitzte so sehr, dass meine Klamotten nass waren.“ Anti-Drogen-Verfechter in Hongkong beharren darauf, dass die Droge tatsächlich zum Tod führen kann. Der prominenteste Fall einer Überdosis betraf ein Mädchen, das 2009 nach der Teilnahme an einem Ketamin-Wettbewerb in einem Nachtclub in Hongkong zusammenbrach und starb. „Im Vergleich zu Methamphetamin und Heroin ist K eher günstig“, erklärt Polizeioffizier Wang* vom Amt für Öffentliche Sicherheit in Dongguan, der gigantischen Produktionsstadt in der an Hongkong grenzenden Provinz Guangdong. „Die breite Öffentlichkeit kennt die Gefahren von K nicht“, sagt er. „Viele glauben, dass die Droge nicht süchtig macht, und unterliegen der Fehleinschätzung, dass sie nicht schädlich für die Gesundheit ist.“ Doch K, so fügt er hinzu, „gefährdet nicht nur unsere sozialen Moralvorstellungen, sondern kann die gesamte Gesellschaft zerstören.“

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Offizier Wang begründet die Beliebtheit von Ketamin im Süden mit der Nachbarschaft zu Hongkong sowie mit der Nähe zu den entscheidenden Schifffahrtsrouten im Südchinesischen Meer. „Wegen der geografischen Lage und den Einflüssen aus dem Ausland gibt es im Süden eine noch größere Neugierde an der Droge“, sagt er. Die Behörden in Hongkong weisen die Anschuldigungen wiederum zurück und meinen, das weiße Zeug, das zuweilen die Karaokeräume der ehemaligen Kolonie füllt, würde vom Festland zur Verfügung gestellt werden. Guangdong hieß früher Kanton und war der Umschlagpunkt für Opium, die historische Geißel aus dem Ausland, aufgrund derer 1839 zwei offene Rebellionen sowie der erste von zwei schmerzhaften Kriegen ausbrachen. Es ist daher keine Überraschung, dass die Strafe für den Handel mit Ketamin sowie mit allen anderen illegalen Rauschgiften in China streng sind. Im vergangenen Jahr wurden drei Taiwaner in der Provinz Fujian hingerichtet, weil sie versucht hatten, Hunderte Kilo Ketamin nach Taiwan zu schmuggeln. Im Juni wurden in Hainan drei weitere Männer hingerichtet und vier zum Tode verurteilt, weil sie 7,9 Kilo Ketamin und ungefähr 40 Gramm Methamphetamin verkauft hatten. (Obwohl China darum bemüht ist, den illegalen Drogenkonsum zu entkriminalisieren, erinnern die Entzugskliniken einem Bericht von Human Rights Watch aus dem Jahr 2010 zufolge meist eher an zermürbende Arbeitslager.) Dennoch sind Drogen in China noch immer leicht erhältlich, wenn du weißt, wo du nach ihnen suchen musst. Bei einer flüchtigen Suche nach Drogen im chinesischen Internet stößt man auf Meth, das in wenigen Stunden zu dir nach Hause geliefert wird. Einige Arzneimittelfabriken bieten einen 24-Stunden-Lieferservice an: „Ein Anruf genügt und die Lieferung erfolgt in einer bis fünf Stunden.“ Eine Websuche auf Chinesisch nach „,k fen‘ + ,kaufen‘“ ergibt über 13 Millionen Treffer. Die meisten Seiten geben sichtbare Kontaktdaten an (normalerweise eine QQ-Nummer, die so ähnlich funktioniert wie Skype, und manchmal eine Handynummer), wobei nicht sicher ist, wie viele davon tatsächlich auch in Betrieb sind.    Laut dem Bericht über Internetverbrechen von 2012, der jährlich von der Chinese People’s Public Security University herausgegeben wird, ist das Internet mittlerweile das „zentrale“ Schlachtfeld im nicht enden wollenden Kampf gegen Rauschgifte. Die Autoren schreiben über eine Gang von 400 Dealern, die 2012 im nordöstlichen Jilin verhaftet worden sind. Über QQ und Taobao, dem größten virtuellen Marktplatz des Landes, hatten sie in mehr als 18 Provinzen Drogen verkauft. Der Bericht enthüllt, dass 66,2 Prozent der Verdächtigen unter 35 Jahre alt waren—was zum Teil mit dem in dieser Bevölkerungsgruppe verbreiteten „Verlangen nach dem Kick und dem hohen Internetkonsum“ zusammenhänge.

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Im März stellte die chinesische Grenzpolizei in Zhuhai 5 Kilo Ketamin sicher und nahm einen Schmuggler fest. (via Polizei Zhuhai)

In China wird Ketamin meistens als eine Art xin xing du pin oder als „neue Droge“ gehandelt, die, anders als Heroin, überall produziert werden kann. China mangelt es nicht an Chemiefabriken, in denen alle möglichen legalen und illegalen Präparate synthetisiert werden können, ohne dass offizielle Stellen zwangsläufig davon mitbekommen. Gemäß einem „Kritischen Bericht“ der WHO aus dem Jahr 2006 ist die moderne Herstellung „ein komplexer und zeitintensiver Prozess, wodurch die heimliche Herstellung unpraktisch wird.“ Legale und illegale Ketaminlabore könnten in Ländern wie Belgien, China, Kolumbien, Deutschland, Mexiko und den Vereinigten Staaten existieren, vermuten die Autoren des Berichts, wobei sich die Haupttäter wahrscheinlich in den Regionen finden, in denen die Korruption am stärksten ist und die Gesetze am schwächsten sind.   Während legales Ketamin weiter in den Schwarzmarkt abrutscht, nimmt die Anzahl heimlicher häuslicher Labore zu. Selbsterlernte Ketamin-Hersteller verstecken ihre Labore in Bergen und Wäldern, berichtete 2010 die in Guangzhou angesiedelte Southern Daily. „Die neuen Drogen lassen sich leicht herstellen“, erzählte ein Informant der Zeitung. „Neben chemischem Grundwissen werden nur Zutaten benötigt, die in jeder Drogerie erhältlich sind.“ Trotz der Kriminalität hat es Ketamin bereits zur Anerkennung unter Gesundheitspraktikern gebracht. Mancherorts wird die Droge zunehmend zur Behandlung von Alkoholabhängigen in Betracht gezogen. Während die Langzeitwirkungen von Ketamin noch immer erforscht werden, deuten jüngere Forschungsergebnisse darauf hin, dass ein ständiger Konsum negative neuropsychologische und urologische Auswirkungen nach sich ziehen kann. Dennoch pries ein führender Forscher aus Yale Ketamin als „magische Droge“, um kurzfristige Depressionen zu bewältigen. Einige Ärzte in den USA verschreiben die Droge bereits.

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Ein heimliches Ketamin-Labor und Materialien für die Zubereitung. Foto via Polizei Yancheng und Xinhua.

Unter den „neuen Drogen“ bereitet Ketamin nicht die größte Sorge. Wie auch der Rest der Welt blickt China vor allem auf die wachsende Bedrohung durch Meth. Während es Arbeiter wie LKW-Fahrer und Fabrikangestellte kurzfristig wach und leistungsfähig halten kann, handelt es sich um eine extrem abhängig machende und zerstörerische Droge. Während die Vorläuferchemikalien aus China die Meth-Industrie im Norden Mexikos und im Südwesten der USA antreiben sollen, wurde die Verbreitung in China vor allem mit Nordkorea, dem nordöstlichen Nachbarn, in Verbindung gebracht. Meth wird besonders in den ländlichen Gebieten und in den Grenzregionen Nordkoreas konsumiert und hergestellt. Auch wenn Nordkorea für China weniger ein Verbündeter, sondern eher ein unangenehmer falscher Freund ist, verhalten sich die beiden Länder in der Öffentlichkeit weiterhin wie dicke Freunde. Das bedeutet, dass viele der ungeheuerlichen Handlungen des Kim-Regimes—wie etwa Morde im Grenzgebiet oder Entführungen durch das nordkoreanische Militär—mit zusammengebissenen Zähnen hingenommen werden. Trotzdem ist es weithin bekannt, dass Nordkorea seinen Freund mit Meth versorgt. In den häufigen zurückhaltenden Storys der staatlichen Medien über das chinesische Meth-Problem bleibt der Lieferant aus dem Norden grundsätzlich unerwähnt. Ein Bericht über die Meth-Produktion in der englischen kommunistischen Tageszeitung Global Times war ungewöhnlich direkt. Es hieß, dass „viele auf Nordkorea zeigen, auch wenn offizielle Quellen nach wie vor verschwiegen bleiben“. Abgesehen davon ist Meth eine typische „Unterschichtsdroge“: Glamour findet man ebenso selten wie einen leistungsfähigen Meth-Süchtigen. Ketamin dagegen ist ein halluzinogenes Anästhetikum, das körperlich nicht süchtig macht. Es dient keinem ökonomischen Zweck, vielmehr überwindet es sozioökonomische Grenzen. In einem immer wohlhabenderen China ist Ketamin cool.

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Foto via Mop.com

Vor ein paar Monaten traf ich eines Nachts in Guangzhou Golden, einen afrikanischen „Geschäftsmann“, wie er sich selbst nennt. Er bot mir etwas zur Aufmunterung an. Es schien, als würde er es jedem anbieten. Zwei Tage später wollten wir uns an einem von mir als sicher empfundenen Ort wieder treffen: in einer belebten Bargegend. Stattdessen holte er mich aber von dort ab und nahm mich mit auf eine unvorhergesehene Taxifahrt mit einem unbekannten Typen auf dem Beifahrersitz. Trotz der plötzlichen Planänderung blieb ich ziemlich ruhig. Golden war wahrscheinlich genauso vorsichtig wie ich. Wir fuhren ziemlich weit. Bald änderte sich das Stadtbild und wir gelangten in einen mir unbekannten Bezirk, in dem die afrikanische Gemeinde lebt, die in den letzten Jahrzehnten dabei geholfen hat, Guangzhous Exportwirtschaft zu stärken. Wir setzten uns mit Bier und Kebab in ein Gartencafé, in dem ein süßlicher Rauch umherwaberte. Golden und sein Freund, der sich einfach nur Casey nannte, erzählten mir, was sie wussten. Golden sagt, dass ein Gramm K in Guangzhou etwa 280 Renminbi oder 34 Euro kostet. Was den Preis angeht, ist es klar, dass er mich bescheißt. Ketamin stammt aus China und selbst Dean Zhong vom Amt für Öffentliche Sicherheit sagt, dass es einen Straßenwert von ungefähr 5 bis 8 Euro pro Gramm hat. In Küstengebieten kostet es etwa 7 Euro—also nichtmal ein Fünftel von dem, was Golden behauptet. Im Landesinneren in der Gegend von Guanxi kann es 19 bis 22 Euro pro Gramm kosten. Ein Dealer aus Peking, den wir über WeChat kontaktiert haben, behauptet, dass er Meth und Ketamin verkauft. Sowohl die inländische Variante als auch den Import aus Indien. Beides würde um die 12 Euro pro Gramm kosten. Wie es mit der Reinheit aussieht? 90 Prozent, versichert er uns. Ob er uns 10 Gramm schicken könnte? Kein Problem. Dennoch ist Goldens Preiserhöhung normal, denn ausländische Dealer achten darauf, nichts an Einheimische zu verkaufen. Erstens, sagt Golden, „ist die Strafe höher, wenn du es an Chinesen verkaufst“, und zweitens lohnt es sich nicht: „Chinesen verkaufen es untereinander, weil sie mehr davon haben.“    Wenn Golden so von Ketamin erzählt, scheint es keine große Sache zu sein. „Wenn du in einen Club gehst, legen sie es auf die Tische und ziehen es, Typen genauso wie Frauen“, sagt er. Ich erzähle ihm meine Geschichte von den Clubs in Guilin, wo uniformierte Polizisten ebenfalls K nahmen und genau wie alle anderen wegtraten. Golden beginnt zu nicken. „Es ist wie in Jamaika“, sagt er. „Niemanden interessiert es, wenn Leute Weed rauchen. Wenn Leute in China K nehmen, ist es genauso.“

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Im Mai durchsuchten Polizisten ein Karaokelokal in Dongguan und nahmen 2.000 Leute wegen Ketaminbesitzes fest. (Foto: Weibo)

Dennoch bleiben die Polizisten in Südchina wachsam. Im August verhaftete die Polizei bei einer Razzia im Lihua-Hotel in Guangzhou 168 Menschen. Viele davon waren westafrikanischer Herkunft und wurden wegen des Besitzes von Heroin und Methamphetaminen angeklagt. „Die meisten der ausländischen Dealer, die in China gefasst wurden, werden nach jahrelanger Gefangenschaft in ihre Heimat zurückgeschickt“, erzählte ein Beamter aus Peking der Global Times. In einem seltenen und dramatischen Beispiele des Drogenvollzugs führten 1.000 zum Teil Maschinengewehre schleppende Polizisten in einem „extravaganten“ viergeschossigen Hotel mit 60 KTV-Räumen in Dongguan, der Hauptstadt von Guangdong, an einem frühen Morgen im Mai eine Razzia durch. Dabei wurden um die 2.000 Gäste wegen des Besitzes von Ketamin und anderen Drogen verhaftet. Die Ausbeute war so groß, dass die Polizisten gezwungen waren, acht öffentliche Busse aufzutreiben, um die Festgenommenen in die Haftanstalt zu fahren. Lokale Medien behaupteten, dass das noble Jun-Huang-Hotel dafür bekannt war, ein beliebter Ort für den Drogenkonsum zu sein. Die Razzia selbst ging wahrscheinlich aus einem obskuren Wandel der lokalen Machtverhältnisse hervor. Doch das bloße Ausmaß der Verhaftungen—und die opulente „Vier-Sterne“-Umgebung, in der sie stattfanden—deutet auf die Beliebtheit, die Akzeptanz und die Gefahr von K hin. Es ist nicht überraschend, dass sich weder die chinesischen Medien noch die Microblogs groß um die Geschichte kümmerten. Das hat wahrscheinlich weniger mit Zensur als mit gesellschaftlichen Einstellungen zu tun. Denn viele Konsumenten betrachten K überhaupt nicht als verbotene Droge. „Ich glaube, es ist legal“, sagt Golden, als ich ihn auf die Polizei anspreche. Dean Zhong Yan zufolge ist dies ein verbreitetes Missverständnis: „Viele [Chinesen] wissen nicht, dass der Ketamin-Konsum illegal ist. Sie betrachten es vielmehr als Statussymbol“, schreibt er. Das bedeutet jedoch nicht, dass Ketamin nicht gelegentlich in Horrorgeschichten auftaucht. Nach einem schrecklichen Vorfall in Hunan wurde 2010 eine Gruppe von fünf Männern, darunter zwei ranghohe Polizeibeamte, für den Versuch der Gruppenvergewaltigung und den Totschlag von einem 16- und einem 15-jährigen Mädchen verurteilt. Die Männer hatten die Mädchen in einer Karaokebar getroffen und ihnen K gegeben. Der Fall bewirkte einen lokalen Aufruhr, berichtet das Nachrichtenportal der Provinz Rednet.cn. Obwohl die Droge allgegenwärtig ist, hat sich die staatliche Propaganda nie gezielt gegen Ketamin gerichtet.   „Einige Leute sind so an das Zeug gewöhnt, dass sie es mit Kokain mischen“—daraus entsteht eine unergründliche Mischung, die manchmal als „CK“ bezeichnet wird, erzählt mir Golden. Wir stoßen mit unseren Bieren an und diskutieren über die Politik in Guangzhou. Fünf Minuten später wird er damit beginnen, eine aggressive Verkaufsstrategie zu fahren. Am Ende mache ich mich mit seiner Visitenkarte in der Tasche auf den Rückweg. Darauf steht eine Handynummer, der Name seiner Firma—„Lucky Global“—sowie das Motto: „Feel Good.“ Besonderer Dank gilt Valentina Luo für ihre unverzichtbare Hilfe bei den Recherchen zu diesem Artikel.

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