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„Das ist ein Zeichen der Schwäche“—Neonazis bedrohen Journalisten mit dem Tod

Sebastian Weinermann hat eine „Todesanzeige" von Dortmunder Neonazis bekommen. Warum er trotzdem keine Angst hat, hat er uns im Interview erklärt.

Sebastian Weiermann. Foto: Privat

Sebastian Weiermann ist freier Journalist in Dortmund, der unter anderem auch über die rechte Szene berichtet. Dass die in Dortmund präsent und gefährlich ist, ist nicht erst bekannt, seit man es dort für elegant hält, sich lautstark und öffentlich über Anne Frank lustig zu machen. Dass es nicht ungefährlich ist, in einer solchen Umgebung Bericht zu erstatten, ist in diesen Tagen besonders deutlich geworden: Zusammen mit vier anderen Journalisten (darunter ein VICE-Autor) hat Weiermann am Montag eine Todesdrohung in Form einer gefälschten Todesanzeige bekommen. Ich habe mit Sebastian darüber gesprochen.

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VICE: Hallo Sebastian, was ist genau passiert?
Sebastian Weiermann: Am Montag haben ich und vier weitere Kollegen Todesanzeigen bekommen. Mitgeteilt wurde uns das über Twitter, von so einem Eintagsfliegenaccount, der sich NWDO-FB, also „Nationaler Widerstand Dortmund -Facebook" nannte. In Großbuchstaben stand da ÜBERRASCHUNG und ein Link zu einer Facebook-Seite, die sich „Die Jagd ist eröffnet—jetzt" nennt. Da waren dann die Todesanzeigen.

Hat dir das Angst gemacht?
Ehrlich gesagt nein. Ich arbeite schon lange mit extrem Rechten, ich weiß, wie gefährlich die sind. Aber es ist tatsächlich bedrohlicher, wenn die bei einer Demo vor einem stehen und einen anschreien. Im Dezember stand ein Nazi vor mir uns schrie mich an, er würde mir gleich „ins Gesicht beißen". Das ist natürlich bedrohlicher als irgend so eine Grafik.

Du nimmst die Gefahr also nicht so ernst?
Ich bin mir bewusst, dass man das ernst nehmen muss. Es ist klar, dass die Nazis hier gefährliche Menschen sind. Jetzt haben sie mir halt direkt gesagt, dass sie mich tot sehen wollen—aber ich bin auch davor nicht davon ausgegangen, dass sie mit mir Bier trinken gehen wollen.

Kannst du dir erklären, warum ausgerechnet du bedroht wirst?
Weil ich im letzten halben Jahr oder Jahr ziemlich viel über Neonazis in Dortmund berichtet habe, und die Nazis bei ihren Aktionen gerade in letzter Zeit viele Misserfolge erlebt haben. Bei Aufmärschen sind sie immer weniger geworden und haben teilweise lächerlich kleine Aktionen gemacht—und darüber haben wir relativ hämisch berichtet. Ich kann mir vorstellen, dass ihnen so was auf die Nerven geht.

Du hältst das also mehr für ein Zeichen von Schwäche?
Ja, ich würde sagen, das ist ein Zeichen von Schwäche. Sie werden aktionsmäßig gerade schwächer, und das versuchen sie mit Aggressivität wettzumachen. Die Parolen werden immer schlimmer, aber die kriegen immer weniger auf die Straße.

Hast du eine Vermutung, wer dahintersteckt?
Keinen konkreten Verdacht. Ich glaube auch nicht, dass das eine in der Kameradschaft besprochene Aktion war. Das muss ein einzelner Nazi gewesen sein, der sich wichtig machen will.

Hast du Hoffnung, dass der Täter erwischt wird?
Ich glaube nicht. Facebook- und Twitter-Accounts sind immer schwierig zu erwischen. Aber das landet in den Akten über Neonazis in Dortmund, und früher oder später wird da wahrscheinlich ein neues Verbotsverfahren gegen den Kreisverband der Partei „Die Rechte" kommen.