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​Das kommt raus, wenn Radikal-Christen versuchen einen Sommerhit zu schreiben

Der Song, den Jan Böhmermann gepostet hat, ist nicht so harmlos, wie er scheint.

Screenshot via Facebook – Zukunft für Dich

Am Samstag hat Jan Böhmermann auf Facebook ein Musikvideo gepostet mit der Beschreibung: "Hat mich überzeugt." In dem Video, das die Macher als "den ultimativen Sommerhit 2016" anpreisen, singt eine blonde Frau immer wieder: "Kennst du Jesus oder nicht? Eins ist klar: Er liebt auch dich!" Dabei steht sie mal in einem Kornfeld, mal hängt sie aus einem fahrenden Auto, mal tanzen Kinder um sie herum, und natürlich ist das Ganze so peinlich, wie es nur solche Videos sein können:

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Böhmermann hat nicht erklärt, warum er das Video gepostet hat, aber die Vermutung liegt ziemlich nahe, dass er seinen Fans einfach eine wunderschöne Fremdschäm-Perle servieren wollte. Die Facebook-Gemeinde jedenfalls amüsierte sich prächtig über die Jesus-Braut mit den Schlagersängerin-Allüren und Textzeilen wie "Ich freu mich wie ein Hampelmann, mit dir macht's einfach Fun!". Der Post hat fast 8.000 Likes und Reaktionen erhalten. "Der letzte vernichtende Schlag der Illuminaten, der das Christentum ein für alle mal auslöschen soll…", scherzt einer. "Das hat sie nie im Leben freiwillig gemacht …Eindeutig ein versteckter Hilferuf!", ein anderer. Eine Nutzerin fügt hinzu: "Das ist so schlecht, da brauch sich die Kirche nicht zu wundern." Eben ein typischer Samstagnachmittag auf der Facebookseite von Böhmermann, wo man immer gerne über ein paar Freaks lacht.

Was die meisten, die darüber lachen, aber nicht wissen: Ganz so harmlos-trottelig ist das Video vielleicht doch nicht. Produziert hat es nämlich der Verein Zukunft für DICH e.V., der sich selbst einen "modernen christlichen Verein" nennt, von Kritikern aber als Sekte bezeichnet wird. 2014 war Zukunft für DICH sogar Gegenstand einer NDR-Dokumentation mit dem Titel "Mission unter falscher Flagge".

Der Film über "radikale Christen in Deutschland" stellte vier evangelikale Organisationen vor, die zum Extremsten gehören, was die deutsche freikirchliche Szene zu bieten hat. Die Filmemacher warfen Zukunft für DICH vor allem vor, in Berlin Kinder mit Süßigkeiten anzulocken, um sie dann zu missionieren. Der Linken-Politiker Gernot Klemm erklärte in dem Film, der Hauptzweck des Vereins sei nicht unbedingt Kinder- und Jugendarbeit, sondern "missionarisch an schwierige Mütter und an schwierige Kinder ranzukommen." Ein Sozialarbeiter bezeichnete die Methoden von ZfD als "übergriffig".

Gegründet wurde Zukunft für DICH 2004 von Jörg Kohlhepp. In der NDR-Doku kann man ihn bewundern, wie er auf einer Bühne erzählt, er habe zu Gott gesagt, er wolle vor allem kein "langweiliger" Christ sein. "Es muss mehr Spaß machen wie 300 auf der Autobahn", ruft Kohlhepp begeistert ins Mikrofon. "Es muss mehr Spaß machen wie Pornos, es muss mehr Spaß machen wie Selbstbefriedigung… und Gott hat gesagt: 'Werd' Evangelist'."

Kohlhepp ist in dem Video selbst oft zu sehen, und die Sängerin ist niemand anderes als seine Frau, Pia Kohlhepp. Und die Aufnahmen von tanzenden Kindern und lustigen Wassertaufen sind nicht gestellt, sondern wahrscheinlich alle bei echten Veranstaltungen und auf dem Vereinsgelände in Brandenburg entstanden.

Dieses Video ist also nicht einfach wieder der Versuch irgendeiner Pfarrgemeinde, cool und jugendlich zu sein. Es ist das Rekrutierungsvideo einer ziemlich radikalen Kleingruppe, das sich gezielt an Kinder richtet. Bei allem Gelächter scheinen sie damit Erfolg zu haben: Das Video wurde bisher mehr als 600.000 Mal gesehen.