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Das Leben als westlicher Expat in einem Entwicklungsland (ist ganz schön furchtbar)

Wenn du Kohle verdienen willst, dann zieh ruhig dorthin. Falls es dir um etwas anderes gehen sollte: Vergiss es lieber.

Ich habe meinen Abschluss an einer Institution gemacht, die als eine der großen Schulen der internationalen Beziehungen bezeichnet wird. Nach dem Studium an einer solchen Schule zielen alle, die auf Arbeit im Ausland hoffen, auf den heiligen Gral ab: das internationale Verwaltungs- oder Wirtschaftsvolontariat. Es soll gleichzeitig den gelungenen Abschluss unserer Studien sowie den Anfang einer bereits komplett durchgeplanten, erstklassigen Karriere darstellen.

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Ich landete ein internationales Volontariat bei einer französischen Institution in einem afrikanischen Entwicklungsland. Dort habe ich die Qualen einer stagnierenden Verwaltung, einen Mangel an Arbeit und die ungerechte Stellung der Expats entdeckt.

Am ersten Tag zeigt man mir mein Büro. Es ist acht Kilometer von der Direktion entfernt. Ich bin alleine in einem Gebäude. Im Hauptquartier haben sie keinen Platz für mich. Wenigstens habe ich in diesem Zimmer eine Klimaanlage. Es wird mein Grab werden, doch das weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Das Telefon funktioniert, wenn es gerade Lust dazu hat, und das Internet arbeitet im Schneckentempo. Mein Büro ist direkt neben der technischen Abteilung. Ich laufe ihnen öfter über den Weg und freunde mich mit ihnen an. Mechanik fand ich schon immer interessant.

Ich bin von Anfang an motiviert. Ich trage Straßenschuhe, Hemd und Weste, obwohl es hier oft 40 Grad hat. Ich bleibe abends bis 20:30 Uhr. Ich betreibe Benchmarking (was eigentlich nichts anderes als „Vergleichen" heißt) mit den Kommunikationspraktiken von Einrichtungen mit demselben Profil. Ich analysiere unsere Positionierung. Ich studiere die Diskrepanz zwischen unserer Identität und unserem Image. Ich definiere unsere Ziele. Ich passe unsere Message an. Zahlreiche strategische Dokumente entspringen aus meinem übersprudelnden Geist: Rundum-Kommunikationsplan, Digitale Strategie, Print-Strategie, Event-Strategie, PR-Strategie. Das perfekte Paket für einen Grünschnabel frisch von der Uni.

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Ich treffe meinen Chef. Er ist ein verwöhnter Schnösel, ein französischer Aldo Maccione. Weißes Haar im Wind, Anzug und gutes Hemd, glattzüngig, mit Augen, die sein Gegenüber fixieren. Ihm fehlen zwei Jahre bis zum Ruhestand. Dieser Punkt ist sehr wichtig. Das ist mir jetzt noch nicht klar. Wenn man zwei Jahre vor dem Ruhestand ist, dann geht man meist alles ganz schön ruhig an.

Es gibt ein anderes Problem mit meinen Analysen. Ein sehr großes Problem. Aber darüber lernt man nichts in der Schule. Chefs hassen Innovation und die bloße Vorstellung, etwas zu wagen. Dabei geht ihnen der Arsch auf Grundeis. Hier geht es ständig darum, jedes noch so geringe Risiko zu „minimieren". Wenn ich diese neue Einstellung erst richtig verinnerlicht habe, werde ich meinen Alltag in einem vegetativen Zustand verbringen.

Im Laufe der Monate häufen sich die Enttäuschungen. Die Broschüre zur Antennenpräsentation wurde nicht genehmigt—das wird sie übrigens auch nie werden. Meine Chefs haben mich angeschrien, weil ich Twitter- und Facebook-Seiten eingerichtet habe.

OK, ihr denkt jetzt wahrscheinlich: Ein internationales Volontariat bietet zumindest die Möglichkeit, sich einer anderen Kultur zu öffnen, ein fremdes Land und seine Einwohner kennenzulernen. Außerdem ist ein IV eine Gelegenheit, eine neue Gemeinschaft zu entdecken, die der Expats, und dabei zu verstehen, dass wir niemals mit den Einheimischen zusammenleben werden, sondern immer nur neben ihnen her. Denn anders haben wir es nicht verdient.

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Das Gehalt war natürlich schon interessant. Ein durchschnittlicher Expat verdient monatlich zwischen 6.000 und 10.000 Euro. Das ist ganz großer Luxus in einem Land mit einem sehr niedrigen Lebensstandard. Es stimmt schon, oft müssen sie Flugtickets für die ganze Familie und Privatschulen bezahlen, aber lasst uns nicht übertreiben. Ich habe sogar schon gehört: „Wir sind Teil der Mittelschicht. Das sollten wir nicht vergessen." Die französische Beobachtungsstelle für soziale Ungleichheit (L'Observatoire des inégalités) hat die Obergrenze der Mittelschicht für ein Paar mit zwei Kindern bei einem Monatseinkommen von 5.567 Euro im Monat festgelegt. Das sollten wir nicht vergessen. Ich für meinen Teil habe steuerfrei (Vorteil eines IV) 2.000 Euro verdient. Ich kam problemlos über die Runden.

Das Einfinden in dem Land lief reibungslos. Trotz der Schwierigkeiten, die es in der Region gibt, in die ich entsandt wurde, hat sich die Leitung um alles gekümmert, sodass es uns an nichts mangeln sollte. Hundertfünfzig Kilogramm Fracht sind für internationale Volontäre erlaubt, um Matratzen, Haushaltsgeräte und persönliche Gegenstände zu importieren. Ein Geländewagen steht bei der Ankunft bereit, genau wie bei der Abreise auch.

Ich finde eine nette Wohnung im Botschaftsviertel. Ich bezahle 500 Euro für 120 Quadratmeter, mit einem 50-Quadratmeter-Wohnzimmer, zwei Badezimmern, 3 Toiletten und einer Dachterrasse. Zusätzlich zu all dieser fantastischen Ausstattung für einen Mann von 27 Jahren stelle ich auch noch eine Haushälterin ein. Dort sagen alle dazu noch „une bonne" [„eine Gute"], wie es bereits seit mehr als einem halben Jahrhundert Brauch ist. Für mich ist es ein Schock. Ich putze nicht und wasche keine Wäsche. Ab und zu gibt es Strom- oder Wasserausfälle, was ein wenig nerven kann. Doch die Expats (die anderswo auf der Welt einfach Immigranten genannt werden) haben Stromaggregate und Wasserreserven auf den Dächern ihrer Gebäude.

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Nach ein paar Wochen finde ich einen Tennislehrer, der seinem Geschäft auf dem Tennisplatz bei meinem Büro nachgeht. Ich zahle ihm sieben Euro die Stunde. An den Wochenenden erlaube ich mir auch Flug- oder Surfstunden. Dabei komme ich auf 100 Euro im Monat. An manchen Wochenenden fahre ich mit dem Geländewagen raus in den Busch. Manche Expats behalten die Geländewagen viel länger als vorgesehen. Sie haben sie quasi annektiert.

In der Arbeit bin ich zunächst für die Erneuerung der Internetseite der Institution verantwortlich. Es geht sehr sachte voran. Ich stelle fest, dass ich bei kaum irgendwelchen Elementen freie Hand habe. Alles wird aus dem Hauptquartier in Frankreich blockiert. Selbst die kleinste Autorisierung für die Änderung eines Elements muss von der IT-Abteilung und der Kommunikationsabteilung bestätigt werden. Dafür können die Angestellten nichts. Die Direktoren haben einfach nur Angst, dass der Vorstand der Institution ihnen Vorwürfe machen könnte. Manchmal wird mir die Zeit lang, doch ich schiebe es auf den Ramadan und dann auf die Sommerferien.

Aber im Laufe der Monate häufen sich die Enttäuschungen. Die Broschüre zur Antennenpräsentation der Institution wurde nicht genehmigt—das wird sie übrigens auch nie werden. Meine Chefs haben mich angeschrien, weil ich Twitter- und Facebook-Seiten eingerichtet habe. Laut ihnen „braucht es dafür ein eigenes Projekt". Ich bitte darum, ihre Veröffentlichungsrichtlinien zu sehen. Antwort: „Sind in Vorbereitung." Mein Vorschlag, ein Online-Dokument zu erstellen, wird abgelehnt, genau wie der Vorschlag, einen Vortrag darüber abzuhalten. Ein Bericht für die Fernsehnachrichten von France 2 wartet 20 Stunden auf Freigabe. Nach acht Monaten habe ich nichts getan, als die Internetseite auf den neuesten Stand zu bringen.

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Jetzt denkt ihr euch wahrscheinlich, dass es an mir gelegen haben muss, weil ich einfach unfähig und inkompetent bin. Aber dem ist nicht so. Ich war der Ansprechpartner für eine große internationale Organisation, die eine Veranstaltung an unserem Standort abhielt. Und im Großen und Ganzen lief alles gut. Wir hatten Artikel auf Seite 2 großer französischer Zeitungen, ein paar Videobeiträge. Alles war da und alles funktionierte.

Ich werde zum Chef bestellt. „Ihre Kompetenzen sind gut, aber an Ihrem Benehmen müssen Sie arbeiten." Ich habe ein angespanntes Verhältnis zu meinem Chef in Frankreich. Für mich heißt es bald ab in die Besenkammer.

Während einer großen sanitären Krise verstehe ich, dass das Problem nicht bei mir liegt. Wir brauchen zehn Tage, um eine E-Mail zu senden und anderthalb Monate, um eine Pressemitteilung zu verfassen. Im Zuge derselben Krise werde ich von einem großen Radiosender kontaktiert, um Präventionsinformationen zusammenzustellen, die von den verschiedenen Lokalsendern verbreitet werden sollten. Die Beteiligung der Gemeinden ist unabdingbar im Umgang mit solchen Krisen. Meine Vorgesetzten verweigern jegliche Beteiligung. Begründung: „Zu heißes Thema." Meine öffentliche Einrichtung weigert sich also, bei einer Krise der öffentlichen Gesundheit mit öffentlichen Geldern zu intervenieren. Hier läuft etwas schief.

Als mein Volontariat sich dem Ende zuneigt, beschließe ich, mich ernsthaft aufzuregen. Also fange ich an, mich ein bisschen bescheuert anzustellen. Ich wende mich direkt an den Vorstand der Institution. Ich unterschreibe meine Mails mit „xx kiss kiss love love". Ich werde zum Chef bestellt. „Ihre Kompetenzen sind gut, aber an Ihrem Benehmen müssen Sie arbeiten." Ich habe ein angespanntes Verhältnis zu meinem Chef in Frankreich. Für mich heißt es bald ab in die Besenkammer.

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Ab diesem Zeitpunkt habe ich nicht mehr viel zu tun: ab und zu eine Website updaten und ein paar Mails beantworten. Ein paar Drucke bei einem Drucker abholen. Man gibt mir ein anderes Büro, in dem ich gar kein Telefon mehr habe. Ich wechsle auf die dunkle Seite: ich lese am Arbeitsplatz Comics und spiele um 15 Uhr Tennis. Glücklicherweise arbeite ich manchmal aus meiner Wohnung, wo die Internetverbindung besser ist.

Expats können sich nur dann richtig vergnügen, wenn sie eine höhere oder besondere Stellung haben. Zu Hause sind sie anonym, dort sind sie Ölbarone.

Aber es gibt ein Ereignis, das niemanden kalt lassen wird. Meine Leistung: Ich habe es geschafft, einen großen Stand bei einer Veranstaltung zu haben, bei der der französische Präsident zugegen sein wird. Die Abteilungen sind schon mobilisiert, die Flugtickets für die internationalen Redner bezahlt, die Besucherausweise gedruckt. Eine Diskussion wütet über die genaue Breite der Auffahrt, die er entlangfahren soll. Mein Chef ist ganz aus dem Häuschen. Er wird präsent sein, sehr präsent. Er wird sich mit dem Präsidenten und einem örtlichen Minister fotografieren lassen. Am Fundament zu arbeiten, ist viel zu anstrengend. An der repräsentativen Oberfläche bleiben ist dagegen ein Vergnügen.

Expats können sich nur dann richtig vergnügen, wenn sie eine höhere oder besondere Stellung haben. Zu Hause sind sie anonym, dort sind sie Ölbarone. Immer geht es nur um Status. Der dicke Geländewagen, das schöne Haus, die große Wohnung. Als ich meinem Chef sagte, dass ich total baff war, eine 120-Quadratmeter-Wohnung zu haben, konnte er es sich nicht verkneifen zu sagen: „Wir haben eine mit 200." Das ist erschreckend.

Diese Leute sind tatsächlich sehr stolz darauf, Diplomatenkennzeichen zu haben und zu den ganzen feinen Abendgesellschaften eingeladen zu werden. Bei der Veranstaltung für die private internationale Organisation—die ich von vorne bis hinten organisiert habe—ist ein ehemaliger Minister zugegen und alle sind zum Dinner beim Botschafter eingeladen. Außer mir. Mein Chef sagte zu mir: „Der Botschafter hat gefragt, warum du nicht beim Dinner warst." Was soll ich sagen, vielleicht weil es mir am Arsch vorbeigeht? Ich weiß nicht, ob die Gesprächsthemen an dem Abend angenehm waren oder nicht.

Dieser erste Job war der schlimmste meines bisher kurzen Lebens. Am Ende saß ich weinend im Sprechzimmer meines Arztes. Er verschrieb mir Lysanxia, ein angstlösendes Mittel, damit ich schlafen konnte und meine Tage leer waren. Ich habe verstanden, dass der Prunk, den ein hoher Status mit sich bringt, und das sanfte Gefühl eines seidenen Hausmantels niemanden glücklich machen.

Natürlich ist meine Erfahrung nicht repräsentativ für alle Expat-Erfahrungen. Das hier ist nur ein Zeugenbericht. Doch ich weiß, dass in meinem Umfeld viele ihre Verträge nicht verlängert oder abgebrochen haben, bevor ihr Jahr zu Ende war. Volontariate sind einfach nur eine extreme Form des Praktikums. Sie sind eine neue Möglichkeit, uns einen Stiefkinderstatus unterzujubeln. Kein Arbeitsvertrag, aber auch keine Ausbildung. Keine Arbeitslosigkeit, aber alle so jung wie möglich. Keine Verantwortung, sondern spielen am Arbeitsplatz.

Ich habe mir seitdem meinen eigenen Job geschaffen. Die Generation, die uns führt, ist nicht in der Lage zu sehen, was es braucht, um die Welt zu ändern. Macht nichts. Wir werden sie nicht um Erlaubnis bitten.