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Das Mittel, das dich Arbeit lieben und alles andere hassen lässt

Modafinil mag die am wenigsten spaßige Droge sein, die es gibt (zumindest von denen, die ich ausprobiert habe), doch im Zeitalter der Bürojobs ist sie die einzige, die Sinn ergibt.

Foto: Sebastián Serrano Als ich an einem Dienstag Nachmittag mit dem Rad zur Universitätsbibliothek der Xaveriana in Bogotá fuhr, überkam mich eine ungewohnte Nervosität. Ich hatte das dringende Bedürfnis, mich alleine an einem stillen Ort vor einen Computer zu setzen—nicht etwa, um auf Facebook mit meinen Freunden zu schreiben oder nach dem Meme des Tages zu suchen (wie ich das normalerweise tue), sondern um an ein paar unfertigen Excel-Tabellen zu arbeiten. Excel ist nicht nur das mit Abstand langweiligste Programm der ganzen Office-Familie, sondern es waren mittlerweile auch mindestens fünf Jahre vergangen, seit ich das Programm zum letzten Mal benutzt hatte.

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Modafinil ist ein chemischer Wirkstoff, der in den 70er Jahren in Frankreich synthetisiert wurde und der als Medikament zur Behandlung von Narkolepsie und anderen Schlafstörungen zugelassen ist. In letzter Zeit erfreut sich das Mittel aber auch unter gesunden Menschen wachsender Beliebtheit, die es nehmen, um länger wach und konzentriert zu bleiben.

Aber das ist noch nicht alles. Mittel wie Adderall und Ritalin, die eigentlich für Patienten mit ADHS gedacht sind, oder Ampakin, das zur Behandlung von Alzheimer eingesetzt wird, werden ebenfalls verwendet, um die Hirnleistung während intensiver Lern- und Arbeitsphasen zu verbessern. Von all diesen Mitteln, die auch als Nootropika bezeichnet werden, ist Modafinil allerdings das einzige, das hier in Kolumbien rezeptfrei über die Ladentheke geht. Also kaufte ich mir an eben jenem Dienstag auf dem Weg zur Arbeit eine Packung des vermeintlichen Wundermittels. Nachdem ich mir die Nebenwirkungen durchgelesen und dort nichts außergewöhnlich Abschreckendes gefunden hatte, spülte ich eine der unglaublich orangenen Kapseln mit einem großen Schluck Gatorade runter. Kurz nach 9 Uhr kam ich bei der Arbeit an und setzte mich wie jeden anderen Tag vor meinen Rechner.

Niemand hatte bemerkt, dass ich gerade dem illustren Club der Bomberpiloten, Notärzte, Silicon-Valley-Millionäre und normaler Menschen beigetreten war, die hier in Bogotà und anderswo auf der Welt studieren, arbeiten und Kinder großziehen. Sie alle nehmen das Mittel aus dem gleichen Grund: Um ihren Gehirnen einen kleinen Extraschub zu geben, wenn es darum geht, ihre Kriegsgeräte zu fliegen, anderen Menschen 24 Stunden am Stück das Leben zu retten, Meetings zu besuchen, bei denen es um mehrere Millionen Dollar geht, sich durch Excel-Tabellen zu kämpfen oder einfach nur ein Buch zu lesen.

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Nachdem ich ein paar Stunden an meinem Platz gesessen hatte, wartete ich immer noch auf einen kleinen Kick. Ich hatte zwei E-Mails rausgeschickt, ein paar Absätze übersetzt—nichts Besonderes. Als ich um 11:30 Uhr noch immer an meinem Platz saß, lesend und übersetzend, merkte ich, dass sich etwas bei mir verändert hatte. Meine Zigaretten lagen vor mir auf dem Tisch und die Tür stand offen. Draußen wartete bestimmt jemand mit einem Feuerzeug und einer kurzweiligen Unterhaltung auf mich, nur heute war mir irgendwie nicht danach.

Zur Mittagszeit kam der Kick dann aber. Ich meldete mich freiwillig (was an sich schon verdächtig genug ist), um für unsere Kollegen von VICE Kanada ein paar Worte auf Englisch darüber zu schreiben, was wir in Kolumbien von den Bildern ihrer drei Präsidentschaftskandidaten halten. „Schreib so um die 200 Wörter pro Kandidat", sagte mein Chefredakteur Andrés Páramo beiläufig. Während der darauffolgenden Stunde war ich tief in meiner Aufgabe versunken. Meine Kollegin Camila verzog derweil neben mir gelangweilt das Gesicht, rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her und zählte die Minuten bis zur Ankunft des Pizzalieferanten. Ich schaute unbeirrt weiter auf die Gesichter der unglaublich öde aussehenden Kandidaten und haute in die Tasten. In meinem Gehirn gab es gar keinen Platz für so etwas wie Hunger—auch nicht, wenn es sich doch eigentlich um mein Lieblingsessen handelte.

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Tatsächlich ist es so, dass noch niemand genau weiß, wie Modafinil eigentlich funktioniert. Das klingt erst mal ziemlich absurd, vor allem für ein Medikament, das in Kolumbien einfach so über den Tresen verkauft wird. Andererseits ist das bei anderen, komplexeren medizinischen Substanzen wie Anästhetika auch nicht wirklich anders. Es ist allgemeiner Konsens, dass Anästhetika effektiv und sicher sind (zumindest im Vergleich zum Vorgänger Chloroform), aber ihre genauen Wirkmechanismen haben wir bis heute nicht wirklich verstanden. Ähnlich sieht es auch mit der Substanz aus, die mich selbst zehn Minuten vor dem Mittagessen davon abhält, auch nur einen Gedanken an Pizza zu verschwenden.

Wenn es darum geht, Narkoleptiker wachzuhalten, gilt Modafinil gemeinhin als effektiv und sicher. Es gilt als „sicher", obwohl es auch Nebenwirkungen wie Schmerzen in der Brust, Übelkeit, Schwindel, Angstzustände und Tachykardie verursachen kann. Allerdings sind weniger als zehn Prozent aller Patienten davon betroffen und am Ende ist das alles immer noch besser, als plötzlich einzuschlafen, während man zum Beispiel gerade eine Treppe runtergeht. Wie Modafinil das allerdings schafft, ist unklar.

Manche sagen, dass Modafinil das Gehirn stimuliert und dort das Hormon Histamin freisetzt. Histamin kommt dir wahrscheinlich bekannt vor, weil du schon von „Antihistamin" gehört hast, dem Hauptbestandteil von Mitteln gegen allergische Reaktionen, die einen unglaublich müde machen. Es klingt eigentlich also recht logisch: Dadurch, dass es die Produktion von Histamin ankurbelt, hat Modafinil den Gegenteiligen Effekt von Loratadin (und könnte genau so harmlos sein).Andere Studien haben jedoch gezeigt, dass Modafinil im Gehirn ähnlich wie andere Stimulantien, wie Amphetamine oder Kokain, wirkt. Der Mechanismus wäre dann sogar noch einfacher: Es vermehrt den Dopaminanteil im Gehirn—das Hormon, das wir ausschütten, wenn wir essen, Sex haben oder einem guten Freund über den Weg laufen. Der Botenstoff verbreitet dabei dann ein Gefühl von Aufmerksamkeit, Freude und Belohnung. Wenn diese Theorie zutreffen würde, hätte Modafinil ein erhöhtes Missbrauchs- und Suchtpotenzial. Da es aber noch keine ausreichenden Langzeitstudien gibt, konnte Derartiges noch nicht nachgewiesen werden.

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Der Lieferant brauchte 45 Minuten, um die Pizza vom zehn Häuserblöcke entfernten Restaurant in unser Büro zu liefern—und es hätte mir nicht egaler sein können. Camilas Gehirn gab bei dem Geruch von frischer Peperoni Dopamin frei—ich hatte meine Dosis hingegen schon ein paar Stunden früher in Form einer grell orangenen Pille bekommen. Wir aßen die Pizza im Park. Das ganze Prozedere dauerte etwa 25 Minuten. Ein paar Tage später fragte ich Camila, wie ich mich beim Essen verhalten hatte. „Dir ging es ganz gut und wir haben uns ein bisschen unterhalten", sagte sie. Aber dieses Mal gab es kein „lass uns noch einen kleinen Verdauungsspaziergang um den Block machen" und kein „lass uns noch einen Nachtisch holen, um den Peperoni-Geschmack wegzukriegen"—ja, noch nicht mal die geheiligte Zigarette nach dem Essen. Ich saß wieder an meinem Platz, um meine Arbeit zu erledigen, während nur ein paar Meter entfernt meine Kollegen rauchten und miteinander im Hinterhof quatschten.

Bild: Anders Sandberg | Flickr | CC BY 2.0

Als mein Chefredakteur wieder an seinen Tisch zurückgekommen war, war der Text, den ich bis Freitag an die Kanadier schicken sollte, schon in seinem Postfach. „Jetzt schon?", fragte Páramo, während mich seine Augen weit aufgerissen und ungläubig durch seine Brillengläser anschauten. Ich nickte und antwortete nur mit einem beiläufigen „ja", als wäre es überhaupt nichts Besonderes, dass ich meine Arbeit schon so weit im Voraus erledigt hatte.

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„Entspann dich, Bradley Cooper", sagte ich zu mir selbst. „Hör besser auf, so anzugeben." Neben der Diskussion um Wirkung und Nebenwirkungen gibt es auch noch eine ethische Debatte über den Einsatz von Medikamente, die die kognitive Leistung steigern.

Schummelte ich gegenüber meinen Mitarbeitern—angefangen bei Páramo und Camila? Einem Artikel von Rob Goodman zufolge, der im Kennedy Institute of Ethics Journal veröffentlicht worden war, ist die Verwendung von Medikamenten, um die kognitive Leistung zu steigern, so lange akzeptabel, bis nicht der Job eines anderen dadurch gefährdet wird. Das würde auf den Fall der Beamten der australischen Finanzbehörde zutreffen, die letztes Jahr (natürlich anonym) zugaben, dass sie das Mittel genommen hatten, um den Jahresfinanzbericht des Landes rechtzeitig fertigzustellen. Es ist allerdings etwas anderes, wenn man Modafinil nimmt, um sich Vorteile bei einer Zulassungsprüfung zu verschaffen.

In der Debatte wimmelt es nur so von Grauzonen. Wenn ich diese Pillen täglich nehmen würde, wäre es möglich, dass ich mehr Artikel pro Woche abliefere. Das würde die Arbeit meiner Kollegen zwar nicht direkt beeinflussen, könnte sie aber unfairerweise unter Druck setzen, selber mehr abzuliefern—vor allem, wenn ich nicht bekannt mache, dass ich das Zeug nehme. Ich könnte zu meiner Verteidigung zwar sagen, dass es mir freisteht, ein Medikament zu nehmen, ohne alle darüber in Kenntnis zu setzen, weil das meine private Angelegenheit ist. Außerdem trinken im Gegensatz zu mir viele von den anderen den ganzen Tag Vive 100, einen Energy-Drink (was sie jetzt aber auch nicht wirklich verheimlichen). Laut den Wissenschaftlern Mirko Garasic und Andrea Lavazza wäre die solidarischste und ethisch korrekteste Art, derartige leistungssteigernde Mittel zu nehmen, seine Kollegen und Chefs darüber in Kenntnis zu setzen.

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Man könnte allerdings auch sagen, dass man ethisch gesehen nur auf der sicheren Seite ist, wenn man diese Mittel überhaupt nicht nimmt. Das wäre allerdings unrealistisch und ziemlich heuchlerisch—vor allem in Bezug auf den Konsum von Energy-Drinks. Wir müssen nur kurz überlegen, wie schwer es ist, Doping im Wettkampfsport zu kontrollieren. Zumindest ist es das, was Vince Cakic, Professor an der Universität von Sydney sagt. Er fordert die wissenschaftliche Gemeinschaft (in der diese Mittel recht weit verbreitet sind) dazu auf, realistischer zu sein und sich mehr auf die Forschung zu konzentrieren und über die Nebenwirkungen aufzuklären, die Modafinil, Ritalin und andere derartige Medikamente auf gesunde Menschen haben können, anstatt diesen Substanzen an den Universitäten den Krieg zu erklären.

Aber nun wieder zurück zu meinem verdächtig produktivem Arbeitstag. Dieser fing an, aus dem Ruder zu laufen, als ich eine Tasse Kaffee getrunken hatte. Ein paar Minuten später raste mein Herz und ich verspürte einen leichten Druck auf meinem Brustkorb. Die mentalen Auswirkungen waren aber weitaus besorgniserregender. Ich empfand es plötzlich als unglaublich STÖREND, wenn mich einer meiner Kollegen nach einem Synonym für etwas fragte, mir ein Video oder ein neues Meme zeigen wollte. Das übliche Gequatsche am Tisch, das ich normalerweise genieße und an dem ich mich auch gerne lebhaft beteiligte, empfand ich als Beleidigung—nicht gegen mich, sondern, noch schlimmer, gegen meine Arbeit. Ich ertappte mich plötzlich bei dem Gedanken, warum nicht alle einfach so schön gedopt sein können wie ich?

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Ich kam zu dem Schluss, dass der Tisch, den ich mit sechs anderen Leuten im Büro teilte, kein angemessenes Arbeitsumfeld für mich darstellte und entschied mich dazu, in die Bibliothek der Universität Xaveriana zu fahren.

Auf dem Weg dorthin bekam mein Fahrrad einen Platten. Verdammt. Ich war gezwungen, einen kleinen Umweg zu nehmen und in der nächsten Werkstatt anzuhalten. Noch nie in meinem Leben dauerte es so lange, einen kaputten Reifen zu reparieren. Noch bevor er fertig war, fragte ich den Mechaniker, wie viel ich ihm schulde. Ich legte das Geld bereit, bezahlte und radelte dann so schnell zur Bibliothek, als würde es dort Freibier geben.

Bevor ich die Bibliothek betrat, rauchte ich meine erste Zigarette des Tages—ganze sieben Stunden später als sonst. Mein Herz, das auch irgendwie das einzige Objekt im ganzen Universum war, das bei meinem ungewohnten Rhythmus mitzuhalten schien, fing wieder an zu rasen.

Ich setzte mich in einem dunklen, ruhigen Raum an einen Computer. Ich kannte mein Password eigentlich gut, aber machte immer wieder Fehler bei der Eingabe. Ich schwitzte und meine Hände zitterten mehr als sonst. Sobald ich aber den Ladebildschirm erblickte, überkam mich ein Gefühl der Genugtuung und des Enthusiasmus, das ich normalerweise nur nach Fertigstellung einer Aufgabe verspüre.

Dr. Scott Vrecko zufolge besteht die Möglichkeit, dass Nootropika nicht dabei helfen, die Fähigkeit zum Empfangen, Verarbeiten und Aufrufen von Informationen zu verbessern, sondern sich vor allem positiv auf die Stimmung der Person bei der Arbeit auswirken. Vrecko hat ein paar Wochen damit verbracht, sich an amerikanischen Universitäten mit Studenten zu unterhalten, die Adderall nehmen. Die von ihm gesammelten Erfahrungsberichte ähnelten ziemlich stark meinen eigenen Erfahrungen. Viele Studenten gaben an, die Mittel würden ihnen das Gefühl geben, ihren Aufgaben besser gewachsen zu sein—selbst bevor sie überhaupt damit angefangen hatten. Es war dieses Gefühl des „Ich will, ich kann und ich habe keine Angst davor", das der Angst, dem Pessimismus und der Ohnmacht entgegenstand, die sich beim Gedanken an einen langen Lerntag ohne ihre „kleinen Helfer" breitmachen.

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Eine andere Studie weist daraufhin, dass Modafinil einen Zustand gesteigerten Selbstbewusstseins hervorbringen kann. Das erklärt auch, warum ich beim Gegenlesen meines meiner Meinung nach superguten Textes für die kanadischen Kollegen entdeckte, dass ich einen Satz mit dem Wort „dennoch" beendet und den nächsten mit „dennoch" begonnen hatte.

MOTHERBOARD: Ist Modafinil die wirksamste Smart Drug der Welt?

Meine zweite Aufgabe an dem Tag bestand darin, einen Reihe von Daten über die Überfälle in Bogotá (mit Zeit und Ort) von einer PDF-Datei in ein Excel-Worksheet zu übertragen. Das war genau die Art von stumpfer Arbeit, die mich—jemand, der leicht abzulenken ist—normalerweise umgebend auf Facebook, YouTube, den Wikipedia-Eintrag über das Schnabeltier oder in die verblassende Erinnerung an einen One-Night-Stand treibt.

Dieses Mal war aber alles anders: Spröde, trockene Zahlen in eine Tabelle einzutragen, war das Highlight meines Tages. Während ich beständig das Worksheet füllte, machte sich in mir eine warmes, wohliges Gefühl breit. Schon bald hörte ich auf zu schwitzen und das Zittern meiner Hände normalisierte sich.

Die Muster erschienen alle so klar und deutlich vor meinen Augen. Wer hätte gedacht, dass die gefährlichsten Gegenden die sind, von denen wir dachten, dass sie am sichersten sind? Wer hätte gedacht, dass Statistik solchen Spaß machen kann? Scheiß auf die kolumbianische Nationalmannschaft. Ich werde mir nur die Freundschaftsspiele gegen Deutschland und Argentinien angucken.

Ich will auch nicht lügen. Ich habe mich während der Arbeit ein paar Mal bei Facebook angemeldet, aber jedes Mal, wenn ich das tat, verspürte ich in mir einen Drang, wieder zu meiner eigentliche Aufgabe zurückzukehren—fast so, als wäre ich mit der Ludovico-Methode aus Uhrwerk Orange behandelt worden.

Das Zeug funktioniert, keine Frage. Aber zu welchem Preis? Dr. Kimberly Urban und Dr. Wen-Jun Gao befürchten, dass Menschen unter 30 langfristig Schaden nehmen werden. Modafinil kann nämlich etwas namens neuronale Plastizität kaputtmachen. Mit diesem Fachbegriff ist die Fähigkeit des Hirns gemeint, sich im Laufe der Zeit an verschiedene Situationen und verschiedene Zusammenhänge anzupassen. Ärzte machen sich Sorgen, was passieren könnte, wenn die Dopamin-Konzentration im Gehirn erhöht wird, während es sich noch in der Entwicklung befindet (ja, dein Gehirn entwickelt sich tatsächlich, bis du 30 bist). Modafinil und andere Nootropika können Gehirnrezeptoren beeinflussen, die für das Kurzzeitgedächtnis verantwortlich sind und die Flexibilität des Gehirns in Reaktion auf diverse Reize (wie zum Beispiel soziale Situationen) regulieren.

Forscher vermuten, dass junge Menschen, die Modafinil und ähnliche Mittel über längere Zeit nehmen, sich möglicherweise dauerhaft für längere Zeiträume konzentrieren können. Das hat allerdings seinen Preis, denn ihr Kurzzeitgedächtnis wird sich verschlechtern, was in sozialen Situationen und bei der Ausführung von Aufgaben, die kognitive Flexibilität benötigen, wie zum Beispiel ein journalistischer Job oder Autofahren, zum Nachteil wird. Allerdings ist Urbans und Gaos Forschung voll von Spekulation und unbewiesenen Hypothesen, und wie jede Studie zu Modafinil warnt auch ihre vor den bisher unerforschten Langzeitwirkungen.

Ich wurde fast rechtzeitig zum Fußballspiel der Kolumbianer fertig mit meinen Tabellen. Ich speicherte meine Datei, schickte mir eine Kopie auf meine E-Mail-Adresse und dachte mir: „Echt, das war's? Bringt mir alle Excel-Tabellen, die es gibt! Die mach ich alle!" Ein paar Minuten später bat mich ein Security, die Bibliothek zu verlassen, sie schließe nämlich gleich. Doch für mich war der Tag noch nicht zu Ende. Später spielte ich bei einem Freund PlayStation, bis ich schläfrig wurde. Das war kurz nach Mitternacht. Ich merkte, wie ich immer schlechter in FIFA wurde, als die Wirkung des Modafinil nachließ.

Ich zögerte am Morgen darauf, bevor ich meine nächste Tablette einwarf. Wo ist der Sinn darin, eine Tablette zu nehmen, die dem Spaß den ganzen Spaß aussaugt und ihn stattdessen auf die Arbeit überträgt? Ich nahm sie trotzdem. Wie sollte ich denn in weniger als drei Stunden all die Sachen über Modafinil recherchieren, ohne Modafinil zu nehmen? Der Tag verlief sehr ähnlich wie der Vortag. Freude und Wohlgefühl in der Bibliothek. Mehr Schwitzen und weniger Zigaretten im Freien. Ich beschloss, mir keine Flasche Wasser aus der Cafeteria zu holen, weil ich es nicht ertrug, Schlange zu stehen. Ein weiteres Missgeschick mit meinem Fahrrad: Diesmal ließ ich es einfach stehen und lief zur Uni. Für mich gab es nichts Angenehmeres, als high durch Chapinero zu laufen. Doch diesmal erschien mir der Spaziergang dank des Modafinils wie eine Zeitverschwendung. Und wieder musste mich der Security am Ende des Tages darauf aufmerksam machen, dass bald Schluss sei. Nach einem langen, produktiven Tag nach Hause zu kommen, das Licht auszumachen und bei einer Comedy-Serie einen Joint zu rauchen, brachte mir nicht halb so viel Freude wie normalerweise. Ich wusste, dass ich am nächsten Tag wieder ganz der Alte sein würde, mit meiner mangelnden Konzentration und meiner Tendenz, Dinge auf die lange Bank zu schieben und mich von Geplauder ablenken zu lassen.

Modafinil mag die am wenigsten spaßige Droge sein, die es gibt (zumindest von denen, die ich ausprobiert habe), doch im Zeitalter der Bürojobs ist sie irgendwie auch die einzige, die Sinn ergibt. Seltsam, oder? Dieselbe Generation, die mit offenen Armen Drogen wie MDMA und LSD willkommen geheißen hat, die das Bewusstsein erweitern sollten (was auch immer das wirklich bedeutet), ziehen heute Drogen wie Modafinil vor, die das genaue Gegenteil bewirken. Ein Mittel, das uns nachts mehr Liebe für unsere Mitmenschen verspüren lässt, und am nächsten Morgen eins, das uns daran erinnert, das wir Gott fürchten müssen.