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Das muslimische American Football-Team

Und der Typ, der einen Film über sie gedreht hat ist der Ansicht, dass sie Amerika verändern können.

Der Film Fordson: Faith, Fasting, Football handelt von einem Haufen muslimischen High-School-Kids, dem buchstäblich umhauenden Nachwuchs des wohl berühmtesten amerikanischem Sports: American Football.

Der Film begleitet die Schüler bis ins Halbfinale der Staatsmeisterschaft, das sich mit dem islamischen Fastenmonat Ramadan überschneidet, was bedeutet, dass sie hungern müssen, auch während sie völlig erschöpft für ihr wichtigstes Spiel des Jahres trainieren müssen. Das ist natürlich absoluter Wahnsinn. Ich halte nicht viel von Sportfilmen (warum auch? Space Jam kann man nicht toppen), aber dieser unglaublich tiefe Einblick, den der Film in eine überwiegend arabisch-amerikanische Gesellschaft in einem post-9/11 Amerika gibt, ist faszinierend. Hilary Clinton sah ihn sich wohl beim Abendessen an und fand ihn toll. (Michael Moore hat ihn auch gesehen, aber dieser Kerl ist sehr konzentriert, wenn er isst.) Ich war noch nie in Amerika. Ich weiß nicht, ob die Klischees stimmen, dass all die Leute aus dem Süden denken, dass alle Muslime Atombomben in ihrem Bart verstecken. Aber ich wollte natürlich soviel wie möglich darüber wissen, also traf ich mich mit mit Regisseur und Produzenten von Fordson, Rashid Ghazi, um mit ihm über einen Sport zu reden, von dem ich im wahrsten Sinne des Wortes keinen blassen Schimmer habe.

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VICE: Hi Rashid, wie geht's?
Rashid: Mir geht's gut. Und dir? Sehr gut. Bevor wir über den Film sprechen, kannst du mir erklären, was Dearborn für eine Stadt ist?
Dearborn wurde von Henry Ford gegründet. Es ist eine Industriestadt der Arbeiterklasse. Im Laufe der Zeit kamen viele Leute hierher, die nach Jobs suchten, einschließlich einer Reihe von Leuten aus dem Nahen Osten, vor allem aus dem Libanon. Dearborn wurde zu einem Zentrum für Araber aus der ganzen Welt. Jetzt gibt es hier außerhalb des Nahen Ostens die höchste Einwohnerzahl von Arabern. 97% der Schüler an der Fordson sind Muslime. Deswegen schlagen die Medien jedes Mal in Dearborn auf, wenn irgendwo auf der Welt eine Schlagzeile über Muslime erscheint. Wenn es irgendwo einen terroristischen Anschlag gibt, kommen sie her und frage: „Was denken Sie darüber?"

Das stellt einige Dinge erstmal klar. Also, wie wurdest du mit reingezogen?
Bereits 2004 habe ich einen Artikel in der USA Today über dieses Team gelesen, das es bis in das Halbfinale der Staatsmeisterschaften geschafft hatte. Es fand während des Ramadan statt und ich war erstaunt, dass ein überwiegend muslimisches Team, das nichts aß und nichts trank, immer noch von morgens bis abends einen Hochleistungssport auf einem hohen Niveau spielen konnte und dabei Erfolg hatte. Ich, als Amerikaner, hatte auch das Gefühl, dass es besonders nach dem ersten Golfkrieg eine große Uneinigkeit gab, zwischen dem, wie Muslime wirklich sind und wie Amerikaner denken, wie sie sind. Ich bin übrigens selbst Muslim, ich bin nur zufällig indischer Abstammung. Eigentlich komme ich sogar aus England. Eine kleine Welt. Du wolltest gerade noch was sagen?
60% der Amerikaner haben nie einen Muslim getroffen oder kennengelernt und doch gibt es sechs oder sieben Millionen Muslime, die in diesem Land leben. Es gibt Spannungen, die sich erst nach 9/11 und nach den Kriegen im Nahen und Mittleren Osten verstärkt haben. Ich dachte, es wäre eine guter Weg, den Menschen zu zeigen, wie Muslime wirklich sind, indem ich diese Kids präsentiere, die Football in diesem Land spielen, in dem Football so tief verwurzelt ist. Am Freitagabend in einer kleinen Stadt ist High-School-Football eine große Sache, es gibt nichts Amerikanischeres als das.

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Sagen wir, ich verstehe American Football nicht wirklich oder Sport im Allgemeinen (beides stimmt). Hättest du den Film auch ohne die Grundlage von High-School-Football drehen können?
Im Idealfall hätten wir so einen Film gar nicht drehen müssen. Wenn wir die Geschichte ohne Football erzählt hätten, hätten wir vielleicht darüber geredet, was es bedeutet Amerikaner zu sein und über Rassismus. All diese Dinge wären nicht so überzeugend gewesen, als wenn man sie durch eine Football-Geschichte erzählt, weil die sportliche Perspektive die Leute mitreißt. Ich stehe auch total auf Sport. Die Leute erzählen mir ständig, dass Sport ein großer Ausgleich ist und ethnische Grenzen auflöst. Aber dann höre ich Geschichten über getrennte Umkleidekabinen …
In Amerika hat Sport wahrscheinlich mehr dafür getan, Spannungen zwischen den Rassen und Missverständnisse aus dem Weg zu räumen als alles andere. Sieh dir Muhammed Ali oder Jackie Robinson an, den ersten afroamerikanischen Baseballspieler, der in der Spitzenliga gespielt hat. Wirklich, für die afroamerikanische Gesellschaft in diesem Land war Sport der einzige Weg, ethnische und religiöse Linien zu überqueren, um integriert zu werden und Freundschaften zu schließen. Mein Gedanke war, dass du, wenn du ein Athlet bist und diese Jungs das Spiel, das du liebst, auf einem hohen Niveau spielen siehst, aber währenddessen auch noch fasten, eine Beziehung zu ihnen herstellen kannst. Es ist ein Respektfaktor.

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Vor Spielbeginn, verlässt der Coach den Raum (man muss diese Trennung zwischen Kirche und Staat beibehalten) und lässt die Spieler miteinander beten. Es passiert immer mal wieder, dass ein paar hochkarätige Spieler beschuldigt werden, rassistische, beleidigende Bemerkungen gemacht zu haben. Haben die Jungs jemals diese Art von Beleidigung auf dem Platz erfahren?
Es gibt eine Geschichte, in der sie mit allem, von „Kameltreiber“ bis „Turbanträger“, beschimpft wurden. Wir haben drei Generationen der Spieler interviewt und diese Worte wurden diesen Jungs schon immer an den Kopf geworfen, schon als sie noch klein waren. Aber das Motto vom Coach ist „Keine Ausreden“, egal mit welchem Hindernis du konfrontierst wirst, ob du fastest, ob du Stress zu Hause hast, ob du Kind der Arbeiterklasse bist oder rassistisch beleidigt wirst. Es gibt keine Entschuldigungen, das gehört einfach zum Leben dazu. Ich dachte, ich würde eine Gemeinschaft finden, die sich ein wenig selbst bemitleidet oder vom Glück verlassen fühlt. Was ich tatsächlich fand, waren Menschen, die sehr stolz darauf waren, wer sie sind: arabische, muslimische Amerikaner.

Die Kerle im Film sehen für mich sehr amerikanisch aus.
Nun ja, jeder im Film hat einen amerikanischen Akzent. Die meisten Leute in der Schule sind in der vierten, fünften oder sechsten Generation Immigranten. Du siehst, wie Frauen eine Hijab tragen, genau so wie du siehst, wie sie weiße T-Shirts mit dem Namen der High School tragen, während sie mit einem starken amerikanischen Akzent sprechen. Ohne den Hijab ist sie nur eine normale amerikanische Mutter. OK. Korrigier mich bitte, wenn ich falsch liege, aber das ist, wie ich gedacht habe, der amerikanische Traum: Verschiedene Gruppen von Immigranten kommen zusammen, um ein Ziel zu verfolgen?
Ich bin selbst ein Immigrant, aber ich denke, dass die Wirklichkeit dem entgegen läuft. Die andere Sache ist: Wer sind Amerikaner und wer sind Immigranten? Du kannst ein irisch-katholischer Amerikaner sein, oder arabisch-muslimischer Amerikaner. Die Ironie darin ist, dass wir nicht die ersten Leute sind, die in dieses Land gekommen sind, um religiöser Verfolgung zu entgehen, richtig?

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Warst du besorgt, als plötzlich der 11. September stattfand?
Einige Leute sagten uns, wir sollen nicht mal den 11. September erwähnen. Muslime waren wegen der Assoziation traurig. Aber um was dreht es sich beim Filme machen,  außer darum, die Themen anzusprechen, die diskutiert werden müssen? Die Terroranschläge des 11. Septembers haben die arabische Gemeinschaft betroffen und das ist die Geschichte, die viele Amerikaner erfahren müssen und auch hören wollen. Big Joe, einer der Kerle im Film, hat angerufen, um Osama bin Laden „im öffentlichen Fernsehen in den Kopf zu schließen“. Er hat es ernst gemeint. Wie hat es sich angefühlt, in Dearborn am 12. September 2001 zu sein?
Sie hatten die Schule wegen Bombendrohungen geschlossen. Für eine Menge junger Leute war es wie das Ende ihrer Unschuld. Genau so wie für viele der Jugendlichen in Amerika der 11. September ein großer Weckruf war. Bis dahin gab es keine Gewalt in Dearborn, aber anderswo schon. Einem Typ aus Kalifornien wurde erst das ganze Haus mit rassistischen Graffitis beschmiert und dann hat jemand eine Bombe in seinem Haus deponiert, die ihn umbrachte.

Das ist schrecklich. Wie die schlimmste Art von Ironie, die von den schlimmsten Leuten erdacht wurde.
Die andere Sache, die der 11. September bewirkt hat, war, die muslimische Gemeinde mehr Außenarbeit zu verrichten hatte: interreligiöse Arbeit, Gemeinschaftsunterstützung, so etwas in der Art―die letzten 10 Jahre ist das alles angestiegen.

Glaubst du, dass es auf irgendeinem Weg Anzeichen für kollektive Buße gab? Auch wenn sie nicht dafür verantwortlich sind. Haben sich die amerikanischen Muslime irgendwie verpflichtet gefühlt, etwas zu unternehmen?
Ich denke nicht, dass es aus einem Schuldgefühl heraus passiert ist, sondern aus dem Bedürfnis, das Land zu aufzuklären, auszuholen und zu erklären, wer sie sind. Es hat einige Zeit gedauert, bis dieser Film fertiggestellt wurde. Insgesamt sechs Jahre. Denkst du, dass das Thema zeitabhängig, also dass der Film an Relevanz verliert?
Eine Sache, die ich in den Jahren begriffen habe, ist das, diese Themen, die wir behandeln, Dauerbrenner sind. Der Islam und die internationale Gemeinschaft, das wird alles für mindestens 20 Jahre aktuell bleiben. Du hast eine Milliarde Leute, die den Rest der Welt ins Visier nehmen. Das führt zu nichts. Besteht da dann eine globale Relevanz für deinen Film?
Schau dir de Arabischen Frühling an, die Leute wollen Freiheit, sie wollen ein Recht darauf, ihr eigenes Geschäft zu haben, ihre Kinder zu erziehen. Sie wollen eine Menge der gleichen Rechte, die ihre Verwandten und Freunde in den USA haben. Es besteht ein direkter Bezug. Mit dem Internet sehen das die Leute in Ägypten oder Syrien und denken: „Warum kann ich nicht dieselbe Freiheit haben, die mein Cousin in Detroit hat?“

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