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Sex

In Deutschland wurde die Lücke zwischen sexueller Nötigung und Vergewaltigung geschlossen

Die Lücke zwischen sexueller Nötigung und Vergewaltigung ist geschlossen, dabei ist der Bundesregierung noch eine andere, bizarre Gesetzeslücke aufgefallen.

In etwa so alt wie das alte Sexualstrafrecht: Die Vergewaltigung der Lucretia, Gemälde von Tizian, 1571

Dass gewisse Privilegien, die wir für selbstverständlich halten, in unserer Gesellschaft erst in der jüngeren Zeit beschlossen wurden, ist zum Teil wirklich bizarr. Seit 1919 dürfen Frauen in Deutschland wählen, seit 1993 dürfen sie sich scheiden lassen und häusliche Gewalt anzeigen—vorher war es immer der Mann, der eine Scheidung veranlassen konnte. Erst im Jahr 1997 durften Frauen Vergewaltigungen in der Ehe als Verbrechen anzeigen.

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Bis Gesetze verabschiedet werden, können Jahre vergehen. Manchmal muss es erst zu gewissen Ausschreitungen kommen, bis sich die Politik einem Thema annimmt. So gab es schon seit Sommer 2015 einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Sexualstrafrechts, dieser hing aber noch fünf Monate im Bundeskanzleramt fest. Justizminister Heiko Maas pocht allerdings darauf, dass nicht die Ausschreitungen der Kölner Silvesternacht dazu geführt haben, dass man sich der Sache angenommen hat, sondern dass die Akte schon seit Dezember bearbeitet würde.

Bisher war das „bloße" Herumgrapschen an fremden Körpern kein Akt der Vergewaltigung, sondern höchstens sexuelle Nötigung. Die Tatsache, dass so ein Eingriff in die Intimsphäre aber auch ähnlich einer Vergewaltigung massiv traumatisieren kann, half bisher nichts. Die neue Gesetzesreform der Bundesregierung in Deutschland sagt, dass es auch strafrechtlich relevant werden kann, wenn ein Täter (noch) nicht gewalttätig geworden ist, das Opfer aber massiv unter Druck setzt.

So ist es künftig auch strafbar, wenn man sich subjektiv schutzlos fühlt, unfähig ist, Widerstand zu leisten oder ein unvermittelter Angriff im öffentlichen Raum geschieht. Dem Sender n-tv sagte Heiko Maas, dass es „wichtig ist, dass wir mit dem Gesetzesentwurf jetzt die Schutzlücken bei der Vergewaltigung, bei der sexuellen Nötigung schließen. In Deutschland gibt es bei der Vergewaltigung nur eine Verurteilungsquote von acht Prozent. Und wenn man weiß, dass nur jede zehnte Vergewaltigung angezeigt wird, dann muss man da jetzt handeln."

Ein Tatbestand der Vergewaltigung soll also auch dann erfüllt sein, wenn eine Frau nicht zwingend Widerstand geleitet habe. Maas begründet das damit, dass „es Situationen gibt, in denen das gar nicht möglich ist." Chapeau, Herr Minister—das haben sie endlich erkannt.

Aus historischer Sicht nicht minder abstrus, aber ebenso neu ist es, dass zukünftig auch geistig behinderte Menschen klagen dürfen. Bisher war das nach der deutschen Rechtslage ausgeschlossen, „weil man davon ausging, dass sie keinen entgegenstehenden Willen bilden können, was völlig absurd ist", so der Justizminister.

Wohin das neue Gesetz führt, ist klar: Es wird zu mehr Verurteilungen kommen und damit sollen nach Maas „auch mehr Frauen Vertrauen schöpfen können, zur Polizei zu gehen". „Dass sexuelle Gewalt in Deutschland Realität ist, im Übrigen nicht erst seit der Silvesternacht in Köln, dagegen müssen wir etwas tun. Wenn das zu mehr Verfahren führt und zu mehr Verurteilungen, dann führt es am Schluss vor allen Dingen zu mehr Gerechtigkeit und darum geht es." Eine gute Woche für uns alle.

Der Opposition ist die verabschiedete Gesetzesänderung aber noch nicht scharf genug. So soll auch der Übergriff durch das unerwünschte Berühren an der Brust strafbar sein, in der momentanen Änderung gilt diese Tat als noch nicht relevant. Linken-Parteivorsitzende Katja Kipping geht noch weiter: Nach ihr soll schon ein „klar formuliertes Nein" gegen eine potenzielle Attacke zur Bestrafung ausreichen.