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David Hasselhoff war in Berlin, um diesmal die Mauer zu retten—und vielleicht will er sogar herziehen

David Hasselhoff kam mir irgendwie deutsch vor. Jetzt will er sogar nach Berlin ziehen. Vielleicht dann doch in die neuen Luxuswohnungen bei der East Side Gallery?

Es war im Jahr 1989, als David Hasselhoff am Brandenburger Tor mit seinen Liedern höchstpersönlich die Mauer zum Einsturz brachte. 2013 ist er wieder da, um zu retten, was von der Mauer noch übrig ist. Die Zeiten haben sich geändert.

Die Pressekonferenz fand im Berliner Nachtclub YAAM statt—richtig stilecht. Hier an der Spree kann man schön einen durchziehen und in der Beach Area chillen. Alle Journalisten haben sich in den Club gequetscht und viele saßen auf dem Boden und zwischen den Lautsprecherboxen. Auf einem Tisch standen leckere Sachen für die Presse: Africola, Haribo-Zeug und Big Macs aus Weingummi. Beste internationale Küche! Ich wollte wissen, warum wir uns gerade hier für die Pressekonferenz versammelt hatten. Jan Lerch, einer der Betreiber von YAAM, erzählte mir, dass die Bürgerinitiative MS Versenken, die eine Online-Petition zur Rettung der East Side Gallery gestartet hat, schon lange mit YAAM gemeinsame Sache macht. „Wir haben eine enge Partnerschaft“, sagte Lerch.

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Als „The Hoff“ den Raum betrat, klatschte erst mal keiner. Keiner hatte ihn bemerkt!

„Vielen Dank für Ihre Unterstützung“, sagte Lerch zu Hasselhoff. Wir drehten uns zu ihm um. „Es ist toll, dass Sie gekommen sind—damit wird ein Traum für uns wahr.“

„The Hoff“ trug einen schwarzen Mantel, nietenbesetzte Jeans und ein schwarzes Hemd. Ich konnte sein Brusthaar sehen und seine Kette mit einem silbernen Kreuz daran—voll Disko. Er streifte sich den Mantel ab und glitt in den Stuhl vor uns. Es war Sonntagmittag und wir waren alle ziemlich verkatert.

Hasselhoff kennen wir alle aus Knight Rider und als den Lebensretter aus Baywatch. Spätestens seit seinem Nummer-1-Hit „Looking for Freedom“ ist er in Deutschland und Österreich ein Star und hat bis heute viele Fans (zu seinem Geburtstag im Juli gibt er ein großes „Hoffmania“-Konzert in Österreich).

Foto von Nikita Kakowski

Hasselhoff griff zum Mikro und rief: „Looking for freedom“. Er musste grinsen.

Foto von Nikita Kakowski

Einige erkannten den Text und musste auch grinsen, andere fingen an zu lachen. Jetzt gab es doch noch Applaus.

Ist „The Hoff“ eigentlich ein Deutscher? Seine Ur-Ur-Großmutter ist im späten 19. Jahrhundert aus Völkersen bei Bremen nach Baltimore ausgewandert. „The Hoff“ setzt sich sehr für Berlin ein, aber er kann kein Deutsch. Eine Übersetzerin flüsterte ihm zu, was die anderen Redner von der East Side Gallery zu sagen hatten. Aber trotzdem ist er irgendwie ein Deutscher—auch wenn er nur „Dankeschön!“ und „Wie geht's?“ sagen kann.

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Und hat er wieder für uns gesungen? Na ja, ein bisschen. Nach der Pressekonferenz ging es den Stralauer Platz in einem gelben Einsatzwagen herunter. Dabei stimmte Hasselhoff den Refrain seines größten Hits an. Neben ihm liefen Polizisten, die eher schlecht gelaunt waren. Auf den Schildern war #hofftastic geschrieben und die Leute hielten Schwimmbretter, Platten und Gitarren in die Luft.

„The Hoff“ will nicht kämpfen, aber er weiß, was die Menschen hinter dem Eisernen Vorhang durchgemacht haben (immerhin war er selbst über 20 Mal in Ostberlin). „Die einzigen sauberen und gepflegten Straßen waren die, wo die Politiker gewohnt haben“, erinnerte er sich, „und in Leipzig waren wir mal Steak essen—das hat wie Schuhe geschmeckt.“

Foto von Nikita Kakowski

Warum will er, dass die Mauer erhalten bleibt? „Wir dürfen nicht vergessen, was hier passiert ist, damit es sich nicht woanders wiederholt“, sagte er auf der Pressekonferenz. „Irgendwie ist es schon ironisch: Erst war ich froh, dass die Mauer gefallen ist, und jetzt will ich, dass die Mauer stehenbleibt. Wenn man die Mauer nicht mehr sehen kann, erinnert man sich auch nicht mehr daran, dass die DDR 45 Jahre lang wie ein Gefängnis war.“

Das Pressematerial bei der Konferenz war irgendwie bizarr—normalerweise werden so Presseveranstaltungen in Deutschland immer sehr groß aufgezogen. Aber hier gab keine Pressemitteilung und auf dem Tisch standen keine Namensschilder der Redner. Stattdessen wurden nur zwei Bilder rumgereicht: Ein gephotoshopptes Bild, wie die Wohnungen hinter der Mauer aussehen würden und ein Bild von Wowi mit dem Bauunternehmer Maik Uwe Hinkel aus dem Jahr 2006. Ich musste an die Kunstschule denken: Wie interpretierst du diese Bilder? Was bedeuten sie? Zum Glück war die Change.org-Kampagne laut und deutlich genug. Die Leute sollten einfach die Petition gegen das Abreißen der Mauer unterschreiben.

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„The Hoff“ erfuhr von der Petition durch Google, wie er auf der Pressekonferenz erzählte. Er unterschrieb sie und hätte aber nie gedacht, nach Berlin zu reisen. Aber fünf Tage später war er da—im YAAM-Nachtclub an einem Sonntagnachmittag, zusammen mit ein paar Journalisten und Tausenden Fans.

Er sagte, dass die Mauer die Erinnerung wach halte und das wichtig sei. „Es geht um die Menschen, denen die Mauer das Herz gebrochen hat und die, die an ihr umgekommen sind. Die Mauer ist nicht nur ein Grundstück in bester Lage, sie ist viel mehr als das.“

Diesen Monat sollen die Bauarbeiten beginnen. Dann soll auf dem ehemaligen Todesstreifen hinter der East Side Gallery ein 14-stöckiges Gebäude von der Baugruppe „The Living Bauhaus“ entstehen; mit Platz für 45 Luxuswohnungen.

Foto von Nikita Kakowski

Wie er der Huffington Post erzählt, will Hasselhoff Geld mit Geld bekämpfen. Um die Mauer zu retten, will er ein großes Benefizkonzert geben. Er hat sogar Teile von der Mauer bei sich zu Hause stehen, die „viele hundert Mark wert sind“. (Hey! Wir haben inzwischen den Euro und so Mauerstücke kannst du auch beim Checkpoint Charlie kaufen!).

Einem richtigen Amerikaner bedeutet die Freiheit eben alles. Im Grunde erzählte er einfach nur aus seiner persönlichen Erinnerung, die ihn mit Deutschland verbindet. Er meinte sogar, dass seine Freundin noch nie von der Mauer gehört hat (ich wollte ihn beinah fragen, wie alt sie wohl ist, konnte mich aber gerade noch beherrschen). Er war auf jeden Fall sehr unterhaltsam—da konnten die anderen Redner nicht mithalten.

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Foto von Nikita Kakowski

Aber wo bleiben bei diesem Protest eigentlich die deutschen Prominenten? Warum melden die sich nicht zu Wort und warum ist es ausgerechnet dieser Amerikaner, der nur ein einziges Mal an der Mauer auftrat und dann auch noch vor 25 Jahren, der Tausende Berliner an die Spree lockt?

Nach der Konferenz sprang ich zu Hasselhoff auf die Bühne zusammen mit ein paar anderen Mutigen. Manche wollten ein Autogramm, andere ein Foto mit ihm. Ich auch—ich wollte meiner Mutter beweisen, dass es mir in Berlin gutgeht. Wie geht das besser als mit einem Interview (und einem Foto als Beweis) von einem Star, den sie selbst noch aus den Siebzigern kennt?

„The Hoff“ war freundlich (viel freundlicher jedenfalls als Yoko Ono und ungefähr so nett wie Marina Abramovic). Ich sagte ihm, wie schön ich es fand, mal mit einem anderen Nordamerikaner zu sprechen—„The Hoff“ und ich waren wahrscheinlich die einzigen Muttersprachler im Raum.

„Lebst du in Berlin?“, fragte er mich.

Ich nickte.

„Interessant“, sagte er. „Vielleicht zieh ich auch hierher.“