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Mode

Dein absurdes Profilbild auf FB hat etwas mit 9/11 zu tun

In der Ausstellung Faceless, die am 3. Juli im quartier 21 eröffnet wird, beschäftigt sich Bogomir Doringer mit dem Trend zur Gesichtslosigkeit.

Serbien hat schon ziemlich viel für unser Nachtleben getan. Zuerst brachten Sexy Deutsch HipHop, oder – wie es die hippen Kids heute nennen – Trap in die Clubs. Dann tauchte plötzlich ein junger Schönling mit Zahnspange auf, der ein langweiliges Herumstehen von öden Menschen (die Standardsituation beim Ausgehen) im Handumdrehen zur Party macht. Eigentlich genügt diese Eigenschaft schon, um Bogomir bis zu seinem Lebensende mit Lob und Reichtümer zu überschütten. Aber dann ist da auch noch die von ihm kuratierte Ausstellung FACELESS part I, die am 3. Juli  im quartier 21 des Museumsquartiers eröffnet wird. Aus diesem Anlass haben wir unsere serbische Lieblingsfotografin Kata Soskic gebeten, sich mit Bogomir zum Mittagessen zu treffen und ausnahmsweise nicht über den Exzess von letzte Nacht zu sprechen, sondern ihn über seine Ausstellung zu befragen (auch wenn es am Anfang nicht wirklich danach aussieht).

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Kata Soskic: Bist du müde?
Bogomir Doringer: Ja, ziemlich. Aber ich hab auch eine gute Zeit.

Warum bist du müde?
Ich bin eigentlich eher high. Es ist superlustig mit den Arbeiten von anderen Menschen zu spielen. Das fühlt sich so an, als hätte man deren Leben in den Händen.

Ist schon alles angekommen?
Ja, außer die Werke der serbischen Künstler. Die sind spät dran. Sogar die Sachen der japanischen Designer sind angekommen. Alle wollten mir anfangs erklären, dass das unmöglich sei, aber ich hab Hilfe bekommen und so ist jetzt alles gut.

Wie viele Künstler sind es eigentlich insgesamt?
50, was eigentlich ein bißchen zu viel ist, aber im ganzen Projekt geht es ja grundsätzlich nicht darum, sich fünf Künstler auszusuchen und deren Werke auszustellen, also passt das schon.

Wie bist du auf die einzelnen Personen zugegangen? Was ist das Konzept?
Ich komme aus einer kleinen Stadt und war es Leid, 20 Jahre lang immer und immer wieder dieselbe Musik zu hören. Also hab ich begonnen, die Platten meiner Eltern zu hören. Ich hab mir die Bilder dazu angeschaut und die waren immer irgendwie faceless, gesichtslos. Man hat diese Art von Bild für Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte lang reproduziert, aber trotzdem ist niemand auf die Idee gekommen, das zu hinterfragen. Niemand aus der Kunstgeschichte, kein Kurator, niemand hatte die Eier dafür. Also habe ich mich dieser soziopolitischen Herausforderung irgendwo zwischen Kunst und Mode gestellt.

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Ok, aber was bedeutet es für dich, dass Masken in unserer Gegenwart offensichtlich immer wichtiger werden?
Wir sind scheinbar unzufrieden mit der aktuellen Situation. Die Gesichter, die wir zu Schau stellen, unsere Gesichter passen uns nicht mehr. Aber wirklich alarmierend ist die Tatsache, dass dieses Unwohl sein ein kollektives Lebensgefühl ist. Also habe ich versucht, alle diese Bilder von maskierten, versteckten oder anders verformten Gesichtern zu einer Ausstellung zusammenzufassen.

Deshalb auch die 50 und nicht nur fünf Künstler.
Genau. Die Schau besteht nicht ganz klassisch darin, dass eine Wand einem Künstler gewidmet ist, sondern die Bilder brechen gerade zu über einen herein. Die Anordnung ist eher zeitlich, denn ich habe die Theorie, dass diese gesichtslosen Bilder eine Reaktion auf 9/11 sind. Nach dem Anschlag auf die Twintowers waren Gesichter der Terroristen überall zu sehen und in diesem Zusammenhang wurde auch die Burka diskutiert. So ist die Idee der Verhüllung des eigenen Gesichts langsam in die Köpfe der Bevölkerung gesickert. Die Idee wurde natürlich weiterentwickelt, vom Fetisch bis hin zu Hooligantum spielt die Maskierung in vielen Bereichen eine Rolle. Heute ist es eher die digitale Maske, die es dir möglich macht, dich vor der Webcam oder Überwachungskameras zu verstecken.

Und plötzlich ist man an dem Punkt, den du vorher angesprochen hast, wo eine Überschneidung zwischen Fashion, Technologie und Kunst stattfindet.
Genau. Kunst diskutiert immer nur die Probleme, aber bietet keine tatsächlichen Lösungen an. Bei Fashion geht es ums Aussehen und den Verkaufsaspekt, aber wenn alle drei Disziplinen zusammenkommen, ist das Ergebnis eine wirklich praktikable Lösung.

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Das kommt auch schon in deiner Arbeit mit Jelena heraus, oder?
Ja, ich hab selber viele Faceless-Sachen gemacht. Das heißt, wenn ich diesen Aspekt in der Arbeit von anderen kritisiere, dann muss ich das auch bei mir selber tun.

Als Fotografin hab ich auch diesen Trend festgestellt. Zum Beispiel diese vielen Models, bei denen die Haare übers Gesicht gebürstet sind. Aber du hast das ganze analysiert und diese Bewegung eine Theorie übergeordnet, richtig?
Ja. Aber Ich ändere nichts an der Aussage der einzelnen Künstler. Die stehen noch immer für sich. Ich habe eher als eine Art Archivar gearbeitet.

Du hast das ganze strukturiert?
Und zeitlich eingeordnet, genau. Adult hatte schon Ende der 90er faceless covers, aber jetzt ist es absoluter Mainstream. Daft Punk, Woodkid und das neue Album von David Bowie sind alles Beispiele dafür, dass diese Bewegung jetzt in der breiten Massen angekommen ist. Schau dir einmal die vielen Profilbilder auf FB an, wo die User auch versuchen, anonym zu bleiben, was natürlich komplett sinnlos ist. Natürlich kann man es als Trend bezeichnen, aber es ist ein merkwürdiger Trend, der eine so lange Zeit anhält. Und der für mich auch stark mit Weltpolitik zu tun hat. 9/11 hatte eine große kulturelle Auswirkung auf beide Seiten, und einer dieser Aspekte ist eben, dass die über die Burka das Thema der Vermummung in unserer Kultur wieder stark wurde.

Wird dieser politische Aspekt in der Ausstellung auch zu sehen sein? Wie setzt du das um? Denn wenn du mir eine Margiela Maske zeigst, denke ich nicht an 9/11.
In der Ausstellung gibt es einen roten Faden und eine Erzählung, die die verschiedenen Blöcke verbindet. Aber die Geschichte ist selbst in dieser Margiela Maske. Wenn meine Quellen richtig sind und ich ordentlich recherchiert habe, dann war Margiella schon immer gegen diesen Popstarkult rund um die Models und für Anonymität.

Was ja auch bei seiner Person selbst nicht halt macht.
Genau. Das war in den 90ern und er hat schon damals dieselben Themen behandelt. Aber wenn du heute von Anonymität sprichst, hat das eine ganz andere Bedeutung. Wir leben in einer Gesellschaft, die es leid ist, das eigene Gesicht zu zeigen, perfekt und schön zu sein.

Porträt von Bogomir Doringer von David Payr, Maske von Rebel Yuths

Du hast bis 1. 9. Zeit dir FACELESS part I im quartier 21 anzuschauen. Aber falls du zu faul bist oder Angst vor Museen oder Menschenansammlungen hast, kannst du auch bequem von zu Hause aus Teil von FACELESS part II, der Ausstellung, die im Herbst folgt, werden. Folge dafür einfach diesem Link.