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Der Pograpsch-Paragraph kommt: Wir haben Erfahrungsberichte gesammelt

74 Prozent der Frauen und 27 Prozent der Männer wurde schon sexuell belästigt.
Flashmob "Mei OASCH gheat mia!"

Vergangenen Freitag kam es zu einer Einigung: Der „Pograpsch-Paragraph" kommt doch. Nachdem der ursprüngliche Entwurf wegen Schwammigkeit kritisiert wurde, soll die Neuformulierung strafrechtliche Unklarheiten verhindern. In der überarbeiteten Form ist nun von „intensiver und entwürdigender sexueller Belästigung" die Rede, wobei der genaue Wortlaut noch nicht feststeht. Die Meldung erreichte die Medien noch bevor die Demonstration des Österreichischen Frauenrings unter dem Hashtag #grapschersindtäter um 14:00 Uhr startete.

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Laut einer Initiative des Bundesministerium für Familie und Jugend wurden 74 Prozent der Frauen und 27 Prozent der Männer schon einmal sexuell belästigt. 35 Prozent Frauen und 7 Prozent Männer wurden von jemandem „berührt oder zu küssen versucht", obwohl sie dies nicht wollten. Fast ein Achtel aller Frauen (und ein Siebzigstel aller Männer) empfanden eine solche Situation als bedrohlich. Diese Menschen werden zukünftig wohl endlich die Möglichkeit bekommen, sich zu wehren. Wir haben Erfahrungsberichte gesammelt.

Foto via Facebook

Lisa: Ich habe schon so viel sexuelle Belästigung erlebt, dass ich mich nur an die Schlimmsten erinnere. Zwei Mal haben Männer in der U-Bahn ihren Penis ausgepackt und angefangen zu masturbieren, während sie mir gegenübersaßen. Das erste Mal war in der U2. Der Mann war wohl in seinen Sechzigern und trug stilecht einen Trenchcoat. Als er seinen Penis rausholte, bin ich wortlos aufgestanden und ans andere Ende des Wagons gegangen. Ich war um die 15 Jahre alt. Beim zweiten Mal hat sich mir ein freundlich aussehender junger Mann in der U3 gegenübergesetzt. Anfangs war ich erleichtert, weil er so nett wirkte. Dann hat er seinen Penis ausgepackt und onaniert. Wieder bin ich wortlos weggegangen. Nächstes Mal—davon gehe ich nämlich leider aus—will ich mich trauen, ihn anzuschreien oder zu filmen.

Sonst haben auch schon Männer versucht, mir unter den Rock zu fotografieren. Drei Mal hat mir jemand mit der flachen Hand ins Gesicht gegriffen und mindestens vier Mal meinen Hintern angegrapscht. Dem Fremden habe ich eine leider nicht ganz schwungvolle Ohrfeige verpasst. Das ist übrigens auch erlaubt. Den vier Bekannten habe ich erklärt, warum das nicht in Ordnung ist. Ich weiß nicht, ob ich jemanden anzeigen würde, bin aber froh über die Möglichkeit.

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Helena*: Ein Kollege steckt meine Hand in seine Hose, während die anderen Kolleg*innen nur lachen und meinen, ich soll mich nicht so aufregen. Mein Chef klopft mir auf den Hintern und meint, es war ja nicht ernst gemeint. Ein Bekannter macht mir ungefragt Komplimente über meinen Busen. Als ich einem älteren Mann meinen Sitzplatz überlasse, greift er ganz unabsichtlich auf meinen Hintern. Im Club begrapscht ein Typ meine Brüste und rechtfertigt sich, dass er ja schwul ist, deswegen ist es OK. Ich fahre mit meinem 6-jährigen Cousin im Bus und ein Mann gegenüber fängt an zu masturbieren. Andere Erwachsene schauen weg und greifen nicht ein. Alles Sachen bis auf das Letzte werden oft als harmloser Spaß abgetan. Ich frag mich nur, wer darüber lachen kann.

Lena*: Als ich 12 war, hat mir mein Großvater bei der Verabschiedung mit beiden Händen auf den Hintern gegriffen. Seit dem vermeide ich es, ihn zu sehen. Mit 13 habe ich Flaschendrehen gespielt, nur mit Bussis. Trotzdem haben die Buben mir an die Brüste gegriffen, obwohl ich Nein gesagt habe.

Mit 15 bin ich mit einem Rock in der U-Bahn gesessen. Ein Mann war neben mir und einer gegenüber. Plötzlich legt der eine die Hand auf mein Knie und streicht über meinen Oberschenkel. Ich hab sie angebrüllt, dass sie das lassen sollen. Die anderen Menschen in der U-Bahn haben mich daraufhin nur böse angeschaut. Das war eigentlich noch erschreckender als die Typen.

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Letzten Winter kurz vor Mitternacht bin ich mit der S-Bahn gefahren, als ein Mann schräg gegenüber von mir angefangen hat sich einen runterzuholen, während er mich angrinste. Ich bin aufgestanden und hab ich angebrüllt, dass er das lassen soll. Wieder haben mich die anderen Menschen komisch angeschaut, wieder haben sie mir nicht geholfen. Seit ich weiß, dass ich mich auf andere Menschen nicht verlassen kann, fühle ich mich in den Öffis total unwohl.

Foto via Facebook

Anton*: Einmal hatte mein Zug ein paar Stunden Verspätung, also hab ich mir meine Zeit bei einem Würschtlstand mit Bier vertrieben. Dort habe Jan* kennengelernt und mich gut mit ihm unterhalten. Irgendwann hat er seine sexuelle Orientierung angesprochen, dass er zwar hetero ist, aber auch gern mal eine Erfahrung mit einem Mann machen würde. Ich hab mir nichts dabei gedacht, hab von meiner Freundin erzählt, aber auch gesagt, dass ich meine Sexualität nie absolut definieren würde.

Kurz bevor mein Zug gekommen ist, hat das Bier schon gedrückt, also bin ich aufs Klo. Jan hat behauptet, er müsste auch und ist mitgekommen. Am Pissoir hat er dann angefangen über die Trennwand zu schauen, was mir unangenehm war. Ich hab ihm gesagt, dass er das lassen soll und er hat Sachen wie „Ach komm schon, gib dir einen Ruck" gesagt. Dann hat er gemeint, man könne doch nie wissen ob man schwul ist, wenn man es nie ausprobiert hat. „Darf ich ihn angreifen?", hat er gefragt. Ich hab langsam Angst bekommen, weil es 2:00 Uhr nachts war und kaum Leute am Bahnhof waren. Ich bin dann schnell raus, aber er ist mir nachgegangen. Daraufhin hab ich ihm zugerufen, dass ich die Polizei rufen werde, wenn er mich nicht in Ruhe lässt. Das hat dann funktioniert. Leider habe ich ihm am Anfang meine Nummer gegeben, er hat mir auch öfter geschrieben, auch eine Entschuldigung. Die hab ich angenommen. Auf den Rest hab ich nicht geantwortet.

Wenn ihr euch wehren wollt, gibt es hier eine kostenlose Rechtsberatung.

(* Namen von der Redaktion geändert)