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Der Ring wurde heute aus Protest gegen die "Asyl-Notverordnung" blockiert

Menschenrechtsorganisationen laufen Sturm gegen die Verordnung. Auch die Autonome Antifa hat sich mit einer Aktion zu Wort gemeldet.
Foto: Paul Donnerbauer, VICE Media

Nicht nur ein großer Teil der Bevölkerung scheint zunehmend ein Problem mit Geflüchteten in Österreich zu haben. Auch die Bundesregierung hat das Steuer herumgerissen und ihre Flüchtlingspolitik radikal geändert. Derzeit arbeiten ÖVP und SPÖ intensiv an einer "Asyl-Notverordnung", mit der Flüchtlinge direkt an den österreichischen Grenzen zurückgewiesen, oder auch bis zu zwei Wochen eingesperrt werden könnten.

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Gegen eine solche Verordnung laufen derzeit viele Menschenrechtsorganisationen Sturm. Das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR spricht gegenüber VICE von "Schnellverfahren an der Grenze durch die Polizei" und "massiven Einschnitten im Flüchtlingsschutz".

Auch Michael Genner, Obmann von Asyl in Not, kritisiert die Verordnung: "Die Folge wäre, dass Schutzsuchende an der Grenze ohne ordentliches Verfahren ins Nachbarland zurückgeschoben würden, egal welche Zustände dort herrschen. Insbesondere im Falle von Abschiebungen nach Ungarn wären die Geflüchteten dort in Gefahr, sofort ins Gefängnis gesperrt, unmenschlich behandelt und nach Serbien weitergeschoben zu werden, wo sie ebenfalls keinen Schutz fänden", erklärt der Flüchtlingsberater.

Aktivisten von Asyl in Not waren es auch, die bereits am Dienstagabend gemeinsam mit SJ, Linkswende und den Grünen vor dem Parlament gegen die geplante Verordnung protestierten. Dass diese dennoch kommen wird, ist allerdings so gut wie fix. SPÖ und ÖVP haben sich nach Monaten auf ein 9-seitiges Papier geeinigt, das seit Dienstagabend dem Ministerrat zur Begutachtung vorliegt. Schon die letzten Wochen wurde nur mehr um Formulierungen gestritten. So wollte die SPÖ zum Beispiel nicht von einer "enormen Belastung", sondern nur einer "zusätzlichen Herausforderung" am Arbeitsmarkt sprechen, wie Der Standard berichtet.

Protest von Asyl in Not, Grüne und SJ vor dem Parlament. | Alle Fotos: Paul Donnerbauer, VICE Media

Der Notverordnung, die vorerst auf sechs Monate begrenzt sein soll, liegt die Annahme zu Grunde, Österreich wäre von einem Notstand betroffen. Konkret soll laut Bundesregierung die "öffentliche Ordnung und die innere Sicherheit durch die hohe Zahl an Flüchtlingen gefährdet" sein, so das Innenministerium laut APA.

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Auch von Seiten der Diakonie wird die Verordnung kritisiert: "Österreich ist von einem tatsächlichen Notstand ungefähr so weit entfernt wie der Vatikan von einer bemannten Marsmission, da dafür laut Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes eine Gefahr für das Überleben der Bevölkerung vorliegen müsste", sagt Christoph Riedl, Asylexperte der Diakonie, gegenüber VICE.

Aktion der Antifa am Ring.

Ebenfalls gegen die Notstandsverordnung demonstriert hat Mittwochmorgen die Autonome Antifa Wien mit einer Blockade des Rings. Unter dem Motto "Notstand? - Aufstand!" wurde um 8:30 Uhr der Opernring mit einem Bauzaun und einem Transparent gesperrt und Passanten mit Flyern auf die Aktion aufmerksam gemacht.

"Unser Zaun hat dich genervt, doch die Zäune um und in Europa töten Menschen täglich", heißt es in dem Erklärungstext. Neben den "verheerenden Folgen" der Notverordnung für das Asylwesen, kritisiert die Antifa auch die "zunehmend autoritäre Wende des Staates", dem sie vorwirft, mit dem konstruierten Notstand auch in Zukunft ein restriktives Vorgehen gegen Schutzsuchende rechtfertigen zu wollen.

Tatsächlich kippen könnte die Verordnung allerdings der Europäische Gerichtshof, da damit europäisches Recht außer Kraft gesetzt würde. "Das österreichische Asyl- und Fremdenrecht basiert auf einem gemeinsamen europäischen Rechtsrahmen und folgt den EU-Richtlinien, die bindendes Europarecht sind", erklärt Riedl. "Möchte nun ein Land aus diesem gemeinsamen europäischen Rechtsrahmen ausscheren, braucht es dafür einen wirklich guten Grund."

Diesen "wirklich guten Grund" konstruiert sich die Bundesregierung mit der Behauptung, die öffentliche Sicherheit wäre nicht mehr gewährleistet. Würde Österreich auf europäischer Ebene mit dieser Argumentation durchkommen, wäre ein Dominoeffekt unter den Mitgliedsstaaten möglich. "Das wäre der Tod der gemeinsamen europäischen Asylpolitik und hätte mit Sicherheit auch Auswirkungen auf andere gemeinsame europäische Rechtsmaterien", so der Asylexperte der Diakonie.

Allein schon wegen der europapolitischen Sprengkraft, aber vor allem auch wegen des Bruchs mit internationalen Standards dürfte die "Asyl-Notverordnung" der Bundesregierung auch in den nächsten Wochen noch für Protest vor und auch im Parlament sorgen—und auf europäischer Ebene heftig diskutiert werden.

Paul auf Twitter: @gewitterland