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Fotos

Der Tod meines Großvaters

Trauerarbeit mit dem Objektiv. Johann Bouché-Pillon hat seinen Großvater auf dessen letzten Lebensweg mit der Kamera begleitet.

Ein Foto meiner Großeltern mütterlicherseits. Aufgenommen kurz nachdem bei meinem Großvater Krebs diagnostiziert wurde.

Diese Fotos wurden über einen Zeitraum von fünf Monaten aufgenommen, angefangen im Dezember 2013, als bei meinem Großvater Krebs im Endstadium festgestellt wurde. Das war das erste Mal, dass ein Familienmitglied todkrank war. Da es mir schwerfiel, mit der Unmittelbarkeit des Todes umzugehen, entschloss ich mich, die letzten Monate seines Lebens festzuhalten. Dafür bin ich drei Mal in mein Heimatdorf in der französischen Bourgogne zurückgekehrt, in dem ich aufwuchs und wo auch heute noch meine Familie lebt. Bei meinem dritten und letzten Besuch fand die Beerdigung statt.

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Es fiel mir sehr schwer, die Vorstellung vom Tod anzunehmen—wegen einer Panikattacke war ich noch nicht einmal imstande, der Beerdigung beizuwohnen. Trost fand ich hinter dem Objektiv meiner Kamera, mit der ich all die verschiedenen Aspekte dieses allerletzten Ereignisses im Leben eines Menschen festhalten konnte. Während meiner Besuche im Krankenhaus bin ich häufig auf den verschiedenen Abteilungen herumgelaufen und bin dort anderen Patienten und denselben Themen begegnet, mit denen ich selbst und meine Familie nun konfrontiert waren: Entfremdung, Schmerz, das Gefühl der Verlassenheit und schließlich auch Benommenheit, Akzeptanz und innerer Frieden.

Das Hauptthema dieser Bilderserie ist für mich jedoch das Warten. Albert Camus’ Roman Der Fremde beginnt mit den Worten „Heute ist Mutter gestorben.” Diese Art von Abstand und Endgültigkeit sind heutzutage ungewöhnlich. Trotz der Gewissheit des Todes stecken wir alle fest in einer immer älter werdenden Gesellschaft. Mit medizinischem Fortschritt, der unser Leben verlängert, aber nicht zwangsläufig besser macht.

Im Haus meiner Großeltern. Figuren.

Klick hier, um dir alle Fotos anzugucken.

VICE: Wie nah standest du deinem Großvater? Was für ein Mensch war er?
Johann Bouché-Pillon: Von all meinen Großeltern stand ich ihm am nächsten. Er war ein sehr warmer Mensch. Er liebte es, für die Familie zu kochen und sich um seinen Garten zu kümmern. Von ihm habe ich auch gelernt, die sogenannten einfachen Freuden des Lebens zu schätzen.

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Hat dich die Bilderserie ihm näher gebracht? Manche der Fotos sind unfassbar traurig. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es sein muss, bei einem geliebten Menschen zu sein, während dieser so sehr leidet.
Am Anfang, zu der Zeit, als ich das erste Foto aufnahm, wusste er noch nicht, dass er sterben würde—der Arzt hatte es nur meiner Mutter erzählt. Deshalb war er noch er selbst. Seine letzten Monate festzuhalten, hat mich ihm aber nicht zwangsläufig näher gebracht. Es hat mich bloß auf das Danach vorbereitet.

Welchen Einfluss hatte die Krankheit auf seine Persönlichkeit? Hatte er noch Sinn für Humor, nachdem er erfahren hatte, dass sich der Krebs im Endstadium befand?
Nachdem er erfahren hatte, dass er sterben würde, hat sich seine Laune verständlicherweise mit Fortschreiten der Krankheit verschlechtert. Es wurde schwierig, in seiner Nähe zu sein. Schließlich musste er an den Morphiumtropf angeschlossen werden—obwohl er schon im Sterben lag.

In dem Text, den du mir geschickt hast, schreibst du über die Vorstellung vom Tod und den Widerwillen, ihn zu akzeptieren. Hast du dir während des Projekts Gedanken über ein mögliches Leben nach dem Tod gemacht? Bist du in irgendeiner Weise gläubig?
Ich selbst bin nicht gläubig und habe auch nie an ein Leben nach dem Tod geglaubt. Mir erschienen alle Rituale, die mit dem Tod meines Großvaters in Verbindung standen, irgendwie gezwungen—genauso notwendig eben, wie das Bezahlen der Krankenhausrechnung oder der Miete für den Leichenwagen. Einfach eine weitere Aufgabe, die erledigt werden musste.

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Wie fühlst du dich, wenn andere sich die Fotos ansehen? Wie haben sie reagiert?
Ich habe die Fotos nicht vielen Menschen gezeigt, aber die Reaktion derjenigen, die sie gesehen haben, hat mich überrascht. Ich hatte schon mit negativen Reaktionen gerechnet, weil das Thema heikel ist, aber die Reaktionen war überraschenderweise hauptsächlich positiv.

Die Fotos zu schießen war eine wirklich eindringliche Erfahrung—du bist „dem Ende” so nah und du fängst einen Moment ein, der der letzte in jemandes Leben sein könnte. Diese Fotoserie mit anderen teilen zu können, hilft mir dabei, dieses Gefühl zu bewahren.

Danke für das Gespräch, Johann.

Weitere Bilderserien findet ihr auf Johanns Website.

Durchklicken für die Fotoserie: 

Mutter.

Warten.

Im Pflegeheim.

Schöne alte Welt.

Raymonde, meine Großtante, im Pflegeheim.

Die Zimmergenossin meiner Großtante, Babette.

Der Griff.

Zuhören.

Todesqual.

Glaube.

Liebe.

Das Grab meines Großvaters.

Der Pfau.

Besuch bei meinen Großeltern—tote Katze.

Oma.