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Der Umgang mit Sucht lässt uns alle wie Idioten dastehen

Wenn es um Junkies geht, hat jeder eine Meinung und niemand eine Lösung.

Foto: Luca Serazzi | flickr | cc by 2.0

Ich bin Drogen gegenüber sehr offen eingestellt. Vielleicht wird die Wissenschaft irgendwann herausfinden, ob es eine genetische Veranlagung ist oder doch irgendetwas mit meinem Aufwachsen zu tun hat, dass ich Drogen schon immer eher anziehend fand, statt dass es mir davor graust.

Das hat schon recht früh begonnen. So früh, dass ich meine ersten Joints aus Druckerpapier und mit Uhu gebaut habe, weil ich keine Ahnung hatte, dass es so etwas wie Papers gibt. Retrospektiv betrachtet war es wahrscheinlich auch gar nicht so schlecht, dass ich nicht wusste, dass ein gravierender Unterschied zwischen Nutzhanf und dem hochgezüchteten Zeug besteht, das mittlerweile hauptsächlich gekifft wird. In den Jahren, die seither vergangen sind, hab ich natürlich auch die schlechten Seiten von Drogen kennengelernt, deren deutlichste Manifestation der Junkie ist. Zumindest, wenn man nur die menschliche Seite von Sucht betrachtet und die wirtschaftlich-kriminelle komplett ausklammert, weil sie viel zu komplex ist—obwohl sie ganze Staaten ins Unglück stürzen kann.

Im Pop ist der Junkie oft eine wilde Mischung aus fucked-up und cool, aber wie immer schaut die Realität viel beschissener und banaler aus, weil die meisten Junkies keine Künstler sind, sondern kranke Menschen kurz vor dem Ende. Natürlich könnt ihr mir jetzt die Geschichte vom verunreinigten Stoff erzählen, der der eigentliche Killer ist, und dass man auch als Süchtiger ein ganz normales Leben führen könnte, wenn nur die Rahmenbedingungen passen würden, aber ganz ehrlich: Ich halte das in 99 Prozent der Fälle für ein utopisches Märchen, an das ihr gerne glauben könnt, aber in meiner Gegenwart besser für euch behaltet.

Leider hab ich keine Ahnung, was das in weiterer Folge heißt und ich hab natürlich auch keine Lösung. In meiner Vorstellung der idealen Stadt hat auch das Kaputte einen Platz. Graffiti und Hundescheisse gehören da genauso dazu wie Junkies und Obdachlose, weil die Stadt (genau wie das Leben) einfach nicht die durchprogrammierte, perfekte, heile Welt ist, die sich manche Menschen wünschen.

Auch wenn das manchmal ganz schön nerven kann. Aber gerade die Freiräume und das Zusammenprallen unterschiedlicher Welten machen Wien zu meiner Heimat. Ich gehe zwar genau wie Verena hauptsächlich aus Faulheit in den Kreisky Park, weil es die nächste Grünfläche bei meiner Wohnung ist, aber irgendwie macht es mich auch froh, dass hier Alkoholiker, Capoeira-Tänzer, Nachwuchsfußballer, Junkies und Hipster Seite an Seite in der Wiese liegen. Leider ändert meine romantische Vorstellung von Koexistenz nichts an der Tatsache, dass rund um das Suchtzentrum jedmayer die Szene wiederauferstanden ist, die früher am Karlsplatz zuhause war. Und Szene heißt in dem Fall, dass Junkies gemeinsam abhängen, ein ekelerregender Markt aus Abhängigkeit und Profit entsteht und wir unmittelbar Gast beim schnellen Verfall sind.

Darauf zu pochen, dass die „Zerschlagung von [genau diesen] Szenen nicht funktioniert" oder mit dem Argument zu kommen, dass Menschen „immer Drogen konsumieren werden", hilft genauso wenig weiter, wie die Aussage, dass man selbst dort noch nie belästigt oder gefährdet worden ist. Und noch eigenartiger finde ich es, wenn das Ansprechen von Problemen mit einem #nimby abgetan wird. Man kann leicht für ein Platzerl für Junkies argumentieren, wenn man dem Tod und Verderben nicht jeden Tag begegnet. Natürlich macht mehr Polizei die Sache für die Suchter nicht besser—aber so tun, als wär nix, hilft definitiv auch nicht.