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Popkultur

Wir haben uns 'Desperate Housewives' nach 10 Jahren noch einmal angesehen

Wir haben uns Desperate Housewives noch einmal angesehen und haben bemerkt, wie lächerlich unsere eigenen Probleme im Vergleich zu Mord, Nachbarschafts-Hass und Figurproblemen sind.

Alle Serien, die ich in irgendeinem früheren Leben einmal geliebt habe, sind mittlerweile zehn Jahre her—O.C., California, Gilmore Girls und auch Desperate Housewives. Da ich mir die anderen beiden schon im Binge-Watching-Modus reingezogen habe—was ziemlich desillusionierend war—, blieben mir nur noch die Hausfrauen übrig, um mein Serienglück komplett zu machen.

Als Desperate Housewives in Österreich angelaufen ist, hatte ich keinen Schimmer von den echten Problemen derjenigen Erwachsenen, die sich täglich mit Shirts voller Baby-Kotze, Morden, Affären und anderen alltäglichen Dingen herumschlagen müssen, ohne dabei ihr gutes Aussehen zu verlieren oder auf den Stilettos umzuknicken.

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In Wahrheit war nur die erste Staffel der Housewives spannend. Man hatte keine Ahnung, wer Mary Alice, die alle Geschehnisse über alle acht Staffeln hinweg aus dem Off kommentiert, überhaupt war, was es mit der dubiosen Babydecke auf sich hatte, wer ihr den mysteriösen Drohbrief geschrieben hatte und wer die Leiche in der Spielzeugkiste war. Als sich das Gewirr aus Lügen und Intrigen, die so unrealistisch sind, dass man sie nur noch durchblicken und als glaubwürdig empfinden kann, wenn man alle Gossip Girl Bücher gelesen hat, endlich auflöst, fühlt man sich kurz leer. Irgendwie so, als hätte man gerade den eigenen Pokemon Highscore, der einen so viel Nerven und kostbare Lebensenergie gekostet hat, aus Versehen gelöscht.

Aber man muss nicht lange traurig sein, denn das Spiel wiederholt sich nun weitere sieben Staffeln. Fast jede Staffel beginnt damit, dass jemand Neues in die Wisteria Lane zieht. Jeder neue Nachbar hat ein völlig absurdes Geheimnis, das entweder einen angeketteten, zurückgebliebenen Sohn im Keller oder einen mehr oder weniger unabsichtlichen Mord oder ein paar fette Dollarbündel hinter dem doppelten Boden im Küchenregal beinhaltet und versucht alles Menschenmögliche, dieses Geheimnis auch geheim zu halten.

Die Hobbydetektive aus der Nachbarschaft lassen aber nicht lange auf sich warten und haben das Geheimnis spätestens zum Staffelende gelöst. Wenn jemand Pech hat, fängt vielleicht noch ein Haus zu brennen an oder ein Flugzeug stürzt in ein Straßenfest. Ich glaube, es ist eigentlich statistisch unmöglich, dass so viele Mörder, Verrückte, Betrüger und gelangweilte Hausfrauen auf so einem kleinen Fleck zusammenwohnen. Vielleicht habe ich aber auch einfach nur ein idealisiertes Bild der Menschheit, in dem nur ein Verrückter pro Nachbarschaft Platz hat.

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Die Hausfrauen sind ein eingeschworenes Team. Bree, Gabrielle, Lynette, Susan und manchmal auch Edie, wenn sie nicht gerade alle hassen, weil sie jemandem den Ex-Mann ausgespannt hat, pokern zusammen, lügen füreinander, klären Morde auf und vergraben miteinander gelegentlich Leichen im Wald. Und trotzdem sind sie wahnsinnig langweilig. Die Heerschar an Serienschreibern hat hier einfach versucht, jede nur erdenkliche Quote zu erfüllen. Für jede Haarfarbe ist jemand dabei, Gabrielle ist eine kleine Latina, Lynette die ausgebrannte blonde Mehrfachmutter, Bree die rothaarige Republikanerin mit dem Stock im Arsch und Susan die verwirrte Durchschnittsfrau auf der ewigen Suche nach der wahren Liebe, die jahrelang für ihren Traummann kämpft, der letzten Endes ohne großes Drama von einem Typ in einem vorbeifahrenden Auto erschossen wird. Das vielleicht größte Mysterium der Wisteria Lane ist, warum diese Menschen miteinander befreundet sein sollten.

Serien leben von allen erdenklichen Klischees, und wenn uns wir Menschen nicht ein wenig darin wiedererkennen würden, würden wir sie vermutlich auch nicht anschauen. Zumindest geht es mir mit deklarierten Frauenserien so, die noch dazu im Titel schon alles sagen, was man über den Inhalt der Serie wissen muss. Nur reichen hier die üblichen TV-Probleme nicht mehr aus, um die Zuseher vor den Fernseher zu locken. Einfache Liebes-Intrigen, Lügen unter Freundinnen oder Familiendramen, die nach drei Tagen wieder gelöst sind, sind für die Wisteria Lane einfach nicht genug und viel zu langweilig. Es muss zumindest eine schwere Verletzung, ein uneheliches Kind oder eine Geiselnahme her.

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Die hübsche Gabrielle, gespielt von der noch hübscheren Eva Longoria ist die mit Abstand am meisten gelangweilte Hausfrau von allen. Sie war früher Model, ihr Mann Carlos scheffelt täglich Unmengen an Geld, die sie mit Vergnügen verprasst. Die materiellen Freuden reichen ihr aber nicht mehr und sie sehnt sich nach Liebe, Geborgenheit und der Art von Bestätigung, die sie von ihrem Mann nicht mehr bekommt—also Sex. Darum vergnügt sie sich eine Zeit lang mit dem heckenschneidenden Jüngling John, bevor sie irgendwann zur Vernunft kommt, ein bisschen fett wird, zwei noch fettere Kinder zur Welt bringt, und schließlich wieder dünn und auch normal wird. Gaby macht die sympathischste Wandlung von allen durch und darum finde ich auch heute noch, dass sie die beste der Hausfrauen ist, auch wenn sie sich zu Anfang verhält wie eine wildgewordene Narzisstin.

Foto: Keith Baggett via photopin cc

Am schlimmsten finde ich Bree. Sie ist erzkonservative Republikanerin und waffenliebendes Mitglied der NRA. Sie ist so verklemmt, dass ihr erster Ehemann Rex die Dienste einer Domina aus der Nachbarschaft in Anspruch nehmen muss. Ihre beiden Kinder sind moralisch völlig auf der schiefen Bahn und scheuen vor keinen Intrigen zurück und dass ihr Sohn homosexuell ist, wird sie wahrscheinlich niemals verkraften. Ihre Teenie-Tochter hat sie während ihrer Schwangerschaft einfach in einem Heim versteckt, sich einen Fake-Babybauch umgeschnallt und so getan, als wäre sie mit ihren geschätzten 50 Jahren schwanger von ihrem verrückten Mann Orson, nur damit der kleine Bastard keine Schande über sie und ihre Familie bringt. Wenn ich Bree heute sehe, verspüre ich nicht mehr den Hass wie vor Jahren, sondern möchte ihr einfach nur durch ihr perfekt geglättetes und drapiertes Haar wuscheln und ihr so einen perfekt durchgeplanten Tag versauen.

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Susan ist die typischste Klischee-Frau des Universums. Sie verkörpert jedes Klischee, das es über uns Frauen jemals gegeben hat. Sie macht ihr Glück nur von ihren Männern abhängig, bricht jedes Mal zusammen, wenn sie verlassen wird—und das passiert oft—, lebt im völligen Gefühlschaos und ist verkannte Kinderbuchautorin, wie könnte es auch anders sein. Ihr passieren die Dinge, die im wahren Leben einfach nicht passieren. Sie sperrt sich nur mit einem Handtuch bekleidet aus, liegt anschließend nackt in einem Busch und rein zufällig kommt dann auch noch ihr Angebeteter Mike vorbei. Natürlich ist ihr total unangenehm, dass er ihren gestählten, fettfreien Körper zu sehen bekommt. Sollte so etwas doch schon einmal jemandem passiert sein—derjenige möge mich bitte kontaktieren und ich nehme jedes schlechte Wort über Susan zurück. Bis das passiert, werde ich sie weiterhin für ihre Schusseligkeit hassen.

Lynette ist die ärmste Frau der Welt. Sie hat hundert hyperaktive Ginger-Kinder, um die sie sich tagtäglich kümmern muss, wäre aber eigentlich viel lieber Geschäftsfrau geblieben, was auch der Grund dafür ist, dass sie von Zeit zu Zeit absurde Machtkämpfe mit ihrem Mann ausfechtet. Noch dazu muss sie sich um Dinge wie das uneheliche Kind ihres Mannes kümmern, während sie sich nebenberuflich in das Liebesleben ihrer Klonschar einmischt—sie hat es wirklich schwer. Sie ist nahezu eine Gebärmaschine, beschwert sich aber jedes Mal, wenn sie auf magische Art und Weise wieder schwanger ist. Von Verhütung hat die gute Frau wohl noch nie was gehört. Lynette bemitleidet sich ständig selbst. Und zwar nur für Dinge, an denen sie selbst schuld ist.

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Foto: watchwithkristin via photopin cc

Neben den Haupt-Housewives gibt es viele andere Verrückte, die sich in der Vorstadt niedergelassen haben. Über alle möglichen Ehemänner und Liebschaften, die männerfixierte Edie Britt, die jeden Tag ihr Auto in einem weißen, durchnässten Shirt wäscht und den schönsten aller Nachbarn und gleichzeitig Klempner der Herzen, Mike Delfino, spielt Bösewicht Paul Young immer wieder eine zentrale Rolle. Er lässt jedes Mal, wenn er plötzlich wieder auftaucht und jemandes Haus kauft, um von dort aus Angst und Schrecken zu verbreiten, alle erschaudern, ist aber ein verlässlicher Garant für feinstes Nachbarschaftsdrama. Diese Nebendarsteller füllen aber nur von zeit zu Zeit den einen oder anderen Nebenhandlungsstrang, damit noch ein bisschen mehr Wind in den ohnehin schon viel zu ereignisreichen Scheißhaufen namens Wisteria Lane kommt.

Wenn man sich nicht mehr mit den eigenen Problemen beschäftigen möchte, schaut man Serien. Wahrscheinlich habe ich mir darum noch einmal Desperate Housewives angesehen. Die Intrigen werden aber leider von Staffel zu Staffel weniger komplex, die Handlung wird vorhersehbarer und der Vorstadt-Hass, den die Nachbarn füreinander hegen, während sie einander nett zuwinken, und der mich vor einigen Jahren noch angezogen hat, ist wie verflogen.

Desperate Housewives ist eine Serie, die vor überspitzen Inhalten und Figuren nur so strotzt. Die makellose Vorstadt mit den Hausfrauen, die immer gestylt sind, bis hin zu den Dramen, die so einfach niemals passieren würden—einfach alles ist mittlerweile schrecklich. Die letzten Staffeln wurden nur noch mit Schwachsinn gefüllt, um ein paar zusätzliche Dollar zu scheffeln und Teri Hatcher vor der Arbeitslosigkeit und/oder Depression zu retten.

Einen großen Vorteil hat die Serie aber trotzdem. Serien wie Gilmore Girls oder O.C. können einen kurzzeitig über Liebeskummer, Stress und schlechte Laune hinwegtrösten. Schaut man sich Desperate Housewives an, kommen einem die eigenen Probleme jedoch wie der unwichtigste, lahmste und am wenigsten schlimme Scheiß der Welt vor. Ich glaube, Desperate Housewives wurde nur erfunden, um uns Menschen zu zeigen, dass es immer schlimmer sein könnte. Zumindest in einer Parallelwelt, in der es Nachbarschaftswachen, Kuchenverkäufe und Waffen unter jedem Kopfkissen gibt—also in Amerika.

Wenn Verena nicht gerade einen Serienmarathon macht, ist sie auf Twitter: @verenabgnr