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Die braune Dämmerung

Die Parteielite der Goldenen Morgenröte, fühlte sich lange Zeit unantastbar, da viele Polizisten selbst Parteianhänger sind. Doch endlich wurde Parteipräsident Mihaloliakos von einem nationalen Gericht für die Verbrechen seiner Partei verurteilt.

Die Parteielite der Goldenen Morgenröte (GM), deren Schlägertrupps in Athen seit über zwei Jahren regelmäßig Pogrome gegen Einwanderer durchführen, fühlte sich lange Zeit unantastbar, da viele Polizisten selbst Parteianhänger sind. Doch endlich wurde Parteipräsident Mihaloliakos von einem nationalen Gericht für die Verbrechen seiner Partei verurteilt. Es ist die erste Inhaftierung eines Parlamentariers seit dem Ende der Militärdiktatur vor knapp 40 Jahren. Ob diese Schmach die Neonazi-Bewegung rund um die Partei tatsächlich eindämmt, bleibt jedoch fraglich.

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Die Strassen, die zum Omonia Platz führen, waren früher belebt—Jazz Clubs, indische Restaurants und Stundenhotels prägten das Quartierbild. Heute traut sich aus Angst vor rassistischen Übergriffen nachts fast niemand mehr auf die Strassen. Wer nicht wie ein Grieche spricht oder zumindest so ausschaut, läuft Gefahr, von den Schlägertrupps der Goldenen Morgenröte aufgegriffen zu werden. Es kommt sogar vor, dass Einwanderer aus öffentlichen Verkehrsmitteln gezerrt und auf offener Strasse verprügelt werden. Die Polizei sollte die Gesellschaft eigentlich vor den fremdenfeindlichen Aktionen der Goldenen Morgenröte schützen. Doch Umfragen zeigen, dass die Partei gerade bei Polizisten überdurchschnittlich viel Anklang findet. So wurden Täter der Goldenen Morgenröte nach gewaltsamen Attacken auf Einwanderer nur in den seltensten Fällen dingfest gemacht. Dies bestätigte auch Ilias Panagiotaros, Parlamentarier der Goldenen Morgenröte, gegenüber der BBC: „Praktisch jeder zweite Polizist sympathisiert mit den Inhalten unserer Partei." Die Verurteilung des GM Parteipräsidenten Mihaloliakos stellt somit eine zu lange aufgeschobene Zäsur in der selektiven Anwendung des Rechts an GM Tätern dar.

Das jüngste Opfer rechter Gewalt ist der antifaschistische Rapper Pavlos Fyssas, der letzte Woche von einem GM Parteimitglied auf offener Straße erstochen wurde. Der politisch motivierte Mord löste Massenkundgebungen in ganz Griechenland aus, wodurch sich Ministerpräsident Samaras endlich gezwungen sah, rechtliche Schritte gegen die Parteielite der GM einzuleiten; Vier GM Abgeordnete sowie der Parteipräsident und fünfzehn weitere GM Funktionäre, inkl. einer Polizistin, wurden wegen Verdacht auf Mord, Geldwäsche, Erpressung und illegalen Waffenbesitzes festgenommen, nach weiteren elf Parteifunktionären wird noch gesucht. Über 4000 Seiten fasste die Anklageschrift, die alle mutmaßlichen Verbrechen der Partei während der letzten 20 Jahren zusammenfasste. Die Polizei gab bekannt, sie hätten Telefongespräche abgehört, die unwiderlegbar beweisen, dass Parteipräsident Mihaloliakos mit dem Mord an Fyssas in Verbindung steht. So musste sich dieser gestern vor Gericht verantworten und wurde dabei gezwungen, sich öffentlich für die Verbrechen seiner Partei zu entschuldigen, bevor er heute morgen zu einer noch unbekannten Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Zudem wurde eine Untersuchung darüber eingeleitet, wie tief die Polizei von der Partei bereits infiltriert wurde. Zwei Polizei Offiziere kündeten darauf hin abrupt, was auf eine Infiltrierung bis in die obersten Ränge der Partei schließen lässt.

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Polizist mit Golden Dawn-Cap

Während Politiker und Anwälte der Opposition monierten, dass das Verfahren nach prozessrechtlichen Kriterien zu schnell durchgeführt wurde, verkündete Sicherheitsminister Nikos Dendias, der vor weniger als einem Jahr noch Guardian Reporter, die über die Verbindung zwischen GM und Polizei berichteten, mit Verunglimpfungsklagen drohte, großspurig: „Der Griechische Rechtsstaat wird der Gewalt ein Ende setzen."
Obwohl die Festnahme rechtsradikaler Parteifunktionäre im Grunde eine erfreuliche Nachricht ist und von einem mehr oder weniger intakten Rechtsstaat zeugt, hinterlässt sie trotzdem einen etwas schalen Nachgeschmack. So befinden sich heute bereits drei Festgenommene (darunter auch der gewalttätige Pressesprecher Kasidiaris) dank einer 50'000 Euro Kaution aus der Parteikasse wieder auf freiem Fuß. Zudem drängt sich die Frage auf, wieso Samaras erst jetzt handelte. Denn seine Regierung war schon seit Jahren im Besitz von Hinweisen, die auf illegale Tätigkeiten der Partei schließen ließen. Neu ist einzig, dass diesmal ein Grieche und kein Einwanderer Opfer eines von der GM ausgehenden Tötungsdeliktes ist. Zudem absorbiert der GM Prozess momentan praktisch die gesamte mediale Aufmerksamkeit, so dass kaum ein Beobachter die dritte Phase der von der EU verordneten Sparmassnahmen kommentierte, welche ebenfalls diese Woche umgesetzt wurden. Komischer Zufall oder strategisches Kalkül?

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Für den Grossteil der griechischen Bevölkerung erübrigt sich diese Frage insofern, als dass ihr Kampf gegen die GM mit einer theatralisch inszenierten Festnahme der Parteielite sowieso noch lange nicht beendet ist. Denn die mit Hass und Abstiegsängsten erfüllten Prügeltrupps der GM verbreiten auch ohne ihre Elite weiterhin Schrecken in den Strassen Athens. Ihre Gewaltbereitschaft richtet sich neben Immigranten auch immer öfters gegen Schwule, Linksautonome und Antifaschisten.
Offiziell distanzierte sich die Goldene Morgenröte stets von diesen fremdenfeindlichen Attacken. Der Parteipräsident, Nikos Mihaloliakos, hielt im Mai 2013 an einer Pressekonferenz fest: „Unsere Partei verteidigt die christlich-orthodoxen Werte." Die christliche Nächstenliebe scheint sich jedoch nur auf Bürger mit einem griechischen Pass zu beziehen. Denn in ihrem Wahlkampf, welcher der Goldenen Morgenröte im Juni 2012 18 Sitze im nationalen Parlament beschert hat, machte die Partei vor allem Einwanderer zum Sündenbock der Krise. Zwar sind wohl viele der GM-Wähler Wechsel- oder Protestwähler, die sich von den etablierten Parteien verraten fühlten und sich vom christlichen Schein der Partei blenden ließen. Trotzdem ist aber anzunehmen, dass ein guter Teil von ihnen ganz bewusst eine Neonazi Partei gewählt hat. Denn die Programmhefte der Goldenen Morgenröte sprechen eine recht deutliche Sprache. Was sind also die Gründe, die sieben Prozent der griechischen Wähler weg von den etablierten Parteien hin in die Hände xenophober Demagogen trieben?

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Karefyllakis' Büchersammlung inkludiert natürlich "Mein Kampf"

Durch den Zusammenbruch der Sowjetunion und durch den Irakkrieg sowie den Arabischen Frühling hat sich Griechenland seit den 90er Jahren von einem Auswanderungs- zu einem Einwanderungsland entwickelt. Griechenland ist für viele Flüchtlinge eine vielversprechenden Destination, da es aufgrund seiner geographischen Lage als 'Tor zu Europa' gilt. So resultierte die massive Zuwanderung in einer drastischen Veränderung in der Demographie des Landes.
Der durch das Dublin-Abkommen manifestierte Unwille der EU, Flüchtlinge proportional über die europäischen Mitgliedsstaaten zu verteilen, hat zu einem Flüchtlingsstau geführt, wodurch die Situation für die Einwanderer in Griechenland immer prekärer wurde. Viele Einwanderer werden durch die desolaten Umstände in den Internierungslagern und Stadtzentren in die Kriminalität getrieben, wodurch sich in den letzten Jahren eine latente Fremdenfeindlichkeit unter den sonst für ihre Gastfreundschaft bekannten Griechen breit gemacht hat.

Nikos Mihaloliakos vor einem Nazi-Prügeltrupp

Letztlich führte die sich zuspitzende Schulden- und Wirtschaftskrise dazu, dass sich die Regierungsparteien der strikten Austeritätspolitik der EU unterwerfen mussten, was die gesamte xenophobe Entwicklung zusätzlich verschärfte. Denn die Hilfspakete der Europäischen Zentralbank sind an Budgetkürzungen gebunden, die nicht zuletzt auch den Wohlfahrtsstaat treffen. Die dadurch steigende Armut und die hohe Arbeitslosigkeit verursachten Abstiegsängste in der griechischen Bevölkerung, welche von der nationalsozialistischen Rhetorik der Goldenen Morgenröte während der letzten Jahre clever bewirtschaftet wurde.
So gelang es der 1993 gegründeten Partei, die vor der Krise nur marginale Wähleranteile verbuchen konnte, im Juni 2012 erstmals mit 18 Mandaten in das nationale Parlament einzuziehen. Dies entspricht einem Wähleranteil von sieben Prozent. Gemäß aktuellen Meinungsumfragen würden heute gar 15% der Wähler ihre Stimme der Goldenen Morgenröte geben. Zusammen mit der antisemitischen 'Laos' Partei und der nationalistischen Partei 'Unabhängige Griechen' würden die drei rechts-außen Parteien jedoch schon mehr als 23% der Stimmen für sich verbuchen können.

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Parteivorsitzender Nikos Mihaloliakos

Seiner soliden Wählerbasis bewusst, drohte Parteipräsident Mihaloliakos letzte Woche im Falle einer Inhaftierung seine 18 Minister aus dem Parlament abzuziehen um somit politische Unruhe und Instabilität zu stiften. In der Tat wäre ein instabiles Parlament ein ernstzunehmendes Problem für ein Land, welches noch immer auf die Hilfe von außen angewiesen ist. Auch wenn ein Rückzug der GM aus der nationalen Politik auf den ersten Blick erfreulich scheint, eine aus dem Untergrund handelnde GM wäre wohl noch brutaler, kaltblütiger und unberechenbarer als sie es ohnehin schon ist. Parteipräsident Mihaloliakos kündigte an, dass die öffentliche Verleumdung seiner Partei die Tore der Hölle öffnen werde. Ministerpräsident Samaras verglich kürzlich das heutige Griechenland gar mit der Weimarer Republik zu Beginn der 30er Jahre. Es bleibt zu hoffen, dass die Griechen aus der Geschichte gelernt haben und es nur bei dem Vergleich bleibt.

Bilder mit freundlicher Genehmigung von Jungle-Report.

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