Unter dem immer weiter wachsenden Berg an noch halb eingepacktem Zeug, das in Lindsay Dyes neuer Wohnung herumliegt, befinden sich auch ein großer Retina-Mac-Monitor und ein Magic Trackpad. Ich frage sie, ob es sich dabei um Geschenke ihrer Kunden handelt. Mit einem großen Grinsen im Gesicht erklärt sie mir daraufhin, dass sie diese beiden Sachen von ihrem Vater bekommen hat, bevor sie ihren Jobtitel bei LinkedIn zu „Camgirl" änderte.
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Im Laufe der vergangenen beiden Jahre war Dye als Camgirl und auch als Künstlerin tätig. Oftmals hat sie diese beiden Beschäftigungen miteinander verbunden. Als Camgirl tanzt sie für oder redet mit ihren Kunden, die sie online kennenlernt. Manchmal setzt sie sich für sie auch auf Kuchen. Als Künstlerin macht Dye hingegen Screenshots von anderen Camgirls, um Kleidung sowie Kunstdrucke zu den Themen Urheberrechtsverletzung, Identität und Cybersex zu erschaffen. Dabei verkauft sie des Öfteren auch unberechtigte Screenshots von Kunden, die sie erpressen wollen. In einem aktuellen Profil meinte sie gegenüber Motherboard: „Ich habe keine Lust mehr auf den Frust wegen meiner Nacktheit im Internet. Stattdessen will ich die Zusammenhänge meiner verschiedenen Projekte lieber nutzen, indem ich mir das zurückhole, was mir gehört, und das verkaufe, was die Leute, die meine Cam-Videos aufzeichnen, nicht verkaufen können, nämlich meine materielle Kunst."Im Gegenzug für das Befriedigen der Zuschauer hat Dye inzwischen schon Hunderte anonymer Geschenke von ihrem Amazon-Wunschzettel angesammelt. Man kann schon fast gar nicht mehr sagen, welche Dinge in ihrer Wohnung ein Geschenk waren und welche nicht. Natürlich bekommt sie von ihren Fans auch Geld zugeschickt, aber die Präsente sind mindestens so eigentümlich wie Dyes lustvolle Beziehungen zu den Online-Fremden und reichen von Sexspielzeug und Schmuck über Einrichtungskitsch bis hin zu Büchern über schwarze Identität. Diese Dinge dienen auch als Grundlage für Dyes Kunst und vermitteln den Eindruck, dass ihre Tätigkeit vor der Webcam und ihre Künstlerkarriere untrennbar miteinander verknüpft sind—es gehört alles zu Dyes Wesen.
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Dye beschreibt den Großteil der großzügigen Spender als „Menschen, die in deiner Umgebung nicht präsent sind, das aber sein wollen. Deshalb kaufen sie dir Dinge, die du dann anfasst, trägst oder in deinem nächsten Camgirl-Auftritt präsentierst. Die Geschenke zeigen mir vor allem, wie weit diese Leute für eine Beziehung mit einem Menschen gehen, den sie eigentlich gar nicht kennen."„Ganz ehrlich, das beste Geschenk bisher war ein Set an Hotelhandtüchern, das aus stolzen 16 Teilen bestand", fügt Dye hinzu. „Ich weiß nicht, ob die Größe ein Versehen war, aber ich habe hier oft Besuch—da kann ich die ganzen Handtücher wirklich gut gebrauchen."Mehr von Elizabeths Arbeiten findest du auf ihrer Website.Motherboard: Intime Einblicke in das trostlose Alltagsleben digitaler Prostituierter