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Krise in der Ukraine

Warum ist ein amerikanischer Zerstörer auf dem Weg ins Schwarze Meer?

Während die diplomatischen Bemühungen zur Beilegung der Krim-Krise auf Hochtouren laufen, erhöht die NATO hinter den Kulissen den Druck auf Putin.

Der Zerstörer USS Truxtun, jetzt auf dem Weg ins Schwarze Meer (Foto: US Navy)

Die diplomatischen Bemühungen, die Lage auf der Krim zu entschärfen, konnten bis jetzt noch keine nennenswerten Erfolge feiern. Russland weigert sich kategorisch, sich mit der neuen Regierung in Kiew direkt in Verbindung zu setzen. Stattdessen wurde ein Referendum für den 19. März angesetzt, bei dem die Bewohner der Krim darüber entscheiden sollen, ob sie in der Ukraine verbleiben oder zu Russland zugeschlagen werden sollen. Ihre Abgeordneten haben sich bereits einstimmig für einen Anschluss and Russland ausgesprochen.

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Während die westlichen Außenminister sich weiter um Dialog bemühen, hat die NATO einen härteren Kurs eingeschlagen. Der Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat angekündigt, alle aktuellen Treffen mit Russland abzusagen und „die gesamte Breite der Zusammenarbeit zwischen der Nato und Russland“ zu überprüfen. Gleichzeitig ist geplant, die „die Fähigkeiten des ukrainischen Militärs zu stärken, auch mit gemeinsamer Ausbildung und mit gemeinsamen Manövern.“ Damit ist die NATO auf einem deutlich härteren Konfrontationskurs als die meisten europäischen Regierungen.

Markige Rhetorik allein reicht aber offensichtlich nicht aus, um Putin zu beeindrucken. Bis jetzt haben zwar weder das Bündnis noch die amerikanischen Streitkräfte konkrete Maßnahmen angekündigt, um der russischen Mobilisierung auf der Krim aktiv zu begegnen. Trotzdem gibt es ein paar Anzeichen, dass die NATO sich in Stellung bringt, um ihren Worten den nötigen Nachdruck zu verleihen.

Gestern kursierten im Internet Gerüchte, die im Mittelmeer stationierte 6. US-Flotte hätte einen geheimen Alarmzustand ausgerufen, das Flaggschiff der Flotte, die USS Mount Whitney, befände sich bereits im Schwarzen Meer, und der Flugzeugträger USS George H.W. Bush sei auf dem Weg dorthin. Die Mount Whitney, ein schwimmender Befehlsstand mit enormen Abhörfähigkeiten, wurde allerdings am 27. Februar gesehen, wie sie Istanbul in Richtung des Mittelmeeres verließ, d.h. weg vom Schwarzen Meer. Seitdem scheint sie aber noch in keinem Hafen im Mittelmeer eingelaufen—ihr genauer Aufenthaltsort ist unbekannt.

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Die USS George H.W. Bush ist wiederum das Flaggschiff der Carrier Strike Group Two, ein Verband von Dutzenden Schiffen, die über hunderte Cruise Missiles verfügen. Eine Carrier Strike Group ist praktisch die Verkörperung amerikanischer Militärmacht in Reinform.

Die USS George H.W. Bush. (Foto: US Navy)

Die USS George H.W. Bush hat tatsächlich im Athener Hafen Piräus angelegt, laut der US Navy für einen „geplanten Besuch“. Es gibt aber berechtigte Zweifel, ob der Besuch wirklich geplant war: der griechische Hafen ist für ein Schiff dieser Größe nicht ausgerüstet—wenn der Flugzeugträger Verpflegung aufnehmen wollte, hätte er zur Navy-Basis im griechischen Souda fahren müssen. Laut der Pressemitteilung der Navy ist das Schiff auch hauptsächlich in Piräus, damit die Matrosen sich die Akropolis anschauen können. „In diesem Moment üben alle Schiffe im Mittelmeer vorher geplante Operationen durch,“ erklärte der Pressesprecher der 6. Flotte gegenüber VICE.

Trotzdem wird es demnächst zwei amerikanische Kriegsschiffe im Schwarzen Meer geben: die USS Taylor, die während der Olympischen Winterspiele in Sotschi dort stationiert war, um im Fall eines terroristischen Anschlags amerikanische Athleten evakuieren zu können. Die Taylor hätte die Gegend schon längst wieder verlassen sollen, ist aber auf Grund gelaufen, als sie im türkischen Hafen Samsun einlaufen wollte. Die Reparaturarbeiten hätten bereits am 24. Februar beendet sein sollen, haben sich aber anscheinend verzögert, so dass die Taylor sich immer noch dort aufhält.

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Gleichzeitig wurde heute gemeldet, dass der Zerstörer USS Truxtun sich auf dem Weg ins Schwarze Meer befindet. Die Truxtun gehört zur Carrier Strike Group Two, ist ebenfalls mit Langstrecken-Luftabwehrraketen und Cruise Missiles bestückt, und soll laut der Navy dort eine „lang geplante Routineübungen mit Verbündeten und Partnern in der Region“ durchführen.

Die Unterstützung für die „Verbündeten in der Region“ scheint sich in diesen Tagen besonders zu intensivieren. Am Mittwoch kündigte das Pentagon an, die Zahl der Kampfjets auf NATO-Patrouillen über den baltischen Ländern um mehr als das Doppelte zu erhöhen. Sie werden die vier bereits in Litauen stationierten F-15 verstärken, die zuletzt am 24. Februar ein russisches Spionageflugzeug abfangen mussten. Gleichzeitig sollen die Übungen mit der polnischen Luftwaffe intensiviert werden.

F-15 Kampfjet. Foto: Shannon Collins

Sowohl NATO als auch Amerikaner betonen, dass man an einer militärischen Eskalation der Lage nicht interessiert sei. „Natürlich wollen wir den NATO-Befehlshabern Möglichkeiten geben, die stabilisierend wirken und die Spannungen in der Ukraine nicht eskalieren“, erklärte der amerikanische General Martin Dempsey.

Trotzdem hat der US-Verteidigungsminister Chuck Hagel das verstärkte Engagement in Osteuropa unzweifelhaft mit der Krise auf der Krim verbunden. „Dies ist die Zeit für weise, ruhige, und feste Führung“, erklärte Hagel. „Es ist eine Zeit, in der wir alle dem ukrainischen Volk mit Unterstützung für ihre territoriale Integrität und Souveränität beistehen müssen.“

Das bedeutet nicht, dass die NATO sich für die Krim sich auf eine militärische Auseinandersetzung mit Russland einlassen wird. Allerdings bedeutet die intensivere Unterstützung für Russlands Nachbarn, die Putin schon lange ein Dorn im Auge ist, so ziemlich das genaue Gegenteil von Deeskalation. Während die westliche Diplomatie bemüht ist, Russland zu Verhandlungen um das Schicksal der Krim zu bewegen, scheinen die Strategen im Pentagon und in Brüssel die Krise für eine gute Gelegenheit zu halten, wieder ein bisschen Kalter Krieg zu spielen.