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Greifeneder: Man muss sich die Konstruktion der Staatsbrücke ungefähr so vorstellen: Die Unterseite der Brücke besteht aus stählernen Querträgern, zwischen denen einfach Holzbretter eingelegt sind, um die Konstruktion für Arbeiten, etwa Frostschutz, begehen zu können. Diese Bretter sind da völlig lose auf den Trägern gelegen, über die gesamte Länge des Flusses und über den Radwegen, die unter der Brücke am Kai entlang verlaufen. Die Bettler sind also auf diesen Brettern gelegen, über dem Radweg und teilweise sogar über dem Fluss. Sie mussten da irgendwie auf allen Vieren rausklettern. Bei normalem Wasserstand geht es etwa sechs Meter in die Tiefe. Das heißt, der Grund für die Vergitterung war ganz einfach Lebensgefahr.
Genau. Dort oben war nichts abgesichert. Erstens hatten die Obdachlosen alle möglichen Habseligkeiten auf den Brettern—wenn da etwas auf den Radweg runtergefallen wäre, wäre das gefährlich für die Radfahrer gewesen. Wenn einer der Bettler auf den Radweg gefallen wäre, wäre er vermutlich selbst schwer verletzt gewesen, und wenn er auf diesem schmalen Laufsteg über dem Fluss runtergefallen wäre, wäre er tot.
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Naja, es gibt zwei Quartiere für Obdachlose, eines im Süden und eines im Norden der Stadt. Als die Lager der Obdachlosen letztes Jahr geräumt wurden, wurde erst einmal provisorisch ein Container-Quartier für etwa zwanzig Personen bereitgestellt. Bei diesem Container-Quartier war aber auch von Anfang an klar, dass das nur eine Übergangslösung ist. Außerdem haben die Bewohner dann auch recht schnell angefangen, aus Brettern und allem möglichen Zeug Verschläge zusammenzuzimmern und einen Art Mini-Slum aufzubauen.
Jedenfalls haben einige der Obdachlosen, die unter der Staatsbrücke ihr Quartier hatten, dort einen Platz gefunden, aber nicht alle. Es gibt immer noch eine Anzahl von Bettlern, die auch in der kalten Jahreszeit in Abbruchhäusern und unter Brücken nächtigt.Also ist letztendlich gar nicht klar, wo viele der Bettler, die unter der Staatsbrücke ihr Lager hatten, jetzt sind.
Nein—Und dadurch dass man ein Quartier der Bettler sperrt oder unbenutzbar macht, verschwinden die Bettler natürlich nicht, sondern tauchen auf anderer Stelle wieder auf. Das ist ein ständiges Katz und Maus-Spiel. Wurde denn mit den Obdachlosen geredet?
Mit den Obdachlosen wurde geredet, auch schon letztes Jahr, als beschlossen wurde, dass das Lager geräumt wird, und jetzt auch wieder. Sie bekommen das mit und wissen Bescheid. Ihre Habseligkeiten wurden natürlich nicht weggeschmissen, sondern zwischengelagert. Sie können sich ihr Hab und Gut also abholen, oder auch nicht. Gelöst ist das Problem damit natürlich nicht. Wir sind derzeit in der selben Situation wie wahrscheinlich viele andere Städte auch, dass wir da ständig hinterher sind und eben versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Es gibt dann auch noch die Diskussion um ein sektorales Bettler-Verbot—dass man also Teile der Innenstadt zu Verbotszonen für Bettler erklärt. Darüber gibt es aber keine Einigkeit, das ist eine Forderung der ÖVP, die SPÖ und die Grünen verweigern das. Es ist eine Pattsituation. Und die Stadt schafft es nicht, Kapazitäten für Schlafquartiere zu schaffen?
Erstens hat man die Kapazitäten nicht, und wenn man sie hätte, würden sie wahrscheinlich am nächsten Tag wieder nicht reichen. Keine Stadt alleine kann dieses Problem lösen. Das ist ein Problem von wahrscheinlich europäischer Dimension. Solange es auf EU-Ebene nicht gelingt, in den Herkunftsländern —im Wesentlichen Rumänien zum Teil Bulgarien—für soziale Mindeststandards zu sorgen, so dass sich die Menschen erst gar nicht auf die Reise machen müssen, wird es das geben, fürchte ich. Aber momentan gibt es diese Programme ja weder sichtbar, und schon gar nicht wirksam. Das ist genau das, was die Stadt Salzburg und viele andere Städte immer sagen: Das wäre eine klassische Aufgabe einer EU-Sozialpolitik, hier Lösungen zu suchen, oder tatsächlich gar zu finden.Tori auf Twitter: @TorisNest
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