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Dieser chinesische Politiker schlägt am Flughafen alles kurz und klein

Wer hätte gedacht, dass es so bewegend sein kann, wenn jemand einen wahnsinnigen Wutanfall hat und dabei gefilmt wird. Auch seine Frau mischt mit und setzt noch einen oben drauf.

Ich weiß, China ist sehr bemüht darum, sich neu zu erfinden, und die Leute wollen nicht länger als steife, zurückhaltende Stoiker rüberkommen. Von ihren Nachbarn bekommen sie da wenig Unterstützung: Ganz egal wie viele Tigerzuchten sie gründen, ihnen fehlt es an Thailands offenherzig-schäbigen Bordellen, den nordkoreanischen Horden von Supersoldaten oder der verrückten japanischen Body-Mod-Szene.

Ich möchte hiermit deutlich machen, dass die Chinesen im Großen und Ganzen Leute sind, die ihren Kram still und heimlich erledigen, Geld und Babys produzieren und langsam die Weltherrschaft übernehmen. Du wirst vielleicht niemals jemanden treffen, der sie „versteht“, aber sie sind definitiv gewaltig.

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Genau deshalb ist dieses Video eines hochrangigen chinesischen Beamten, der am Changshui International Airport einen Wutanfall bekommt, so faszinierend. Genau genommen ist es nur ein Video von einem Mann, der am Flughafenschalter einen Albtraum erlebt. (Er hat ausgiebig gefrühstückt und seinen Flug verpasst, und hat dann anscheinend den Aufruf zum zweiten Flug nicht gehört.) Aber gleichzeitig ist es auch etwas wahrlich Schönes.

Zuerst steht unser Mann—der links, mit dem gräulichen Anzug—aufrecht da, mit hinter dem Rücken verschränkten Händen. Das ist nicht die typische Körpersprache eines Mannes, der kurz vor einem Nervenzusammenbruch steht, aber seine nervösen Bewegungen und die Zettel, die er aufgerollt in seinen Händen hält, könnten erste Anzeichen für eine existenzielle Katastrophe, die unter der Oberfläche brodelt.

Die Leute um ihn herum scheint das anfangs nicht zu sehr zu beunruhigen, aber wenn man mal darüber nachdenkt, haben sie wahrscheinlich auch normalerweise nichts mit Regierungsbeamten zu tun, die ihre Schreibtische zerschmettern, und deshalb kann ich ihre Gelassenheit verstehen.

Nachdem er das Sicherheitspersonal eingelullt hat, und sich dieses in falscher Sicherheit wiegt, entscheidet er sich plötzlich dazu, ihnen zu zeigen, was sich ein Mann seines Status alles leisten kann. Er beginnt damit, die Türen des kommunistischen Flughafens auf ihre Robustheit zu testen. Wie er bald rausfinden wird, sind sie widerstandsfähig genug, um ein paar Stöße eines durchschnittlich gewachsenen Mannes standzuhalten. Wer hätte das gedacht?

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Er schlägt weiter, aber nichts rührt sich. Ein neugieriger Wachmann kommt näher, um zu sehen, was los ist.

Als er feststellt, dass die Tür keine Schuld trifft, schreitet unser Mann bedrohlich auf die zwei Dinge zu, die wirklich für seinen verpassten Flug verantwortlich sind: Computer und die Pechvögel, die sie bedienen. Er fängt an, die Tastaturen und Monitore zu zerschmettern und auf den Boden zu schmeißen. Zwischendrin zeigt er auf die Geräte, als wolle er der verängstigten Mitarbeiterin sagen: „Na, was machst du jetzt ohne dein kostbares Windows Vista?“

Man kann kaum anders, als den Typen für seine Physis zu bewundern; diese ungewöhnlichen Bewegungen und sein perfektes Timing, das er bei jedem Schlag und bei jedem Griff zu besitzen scheint. Man muss dabei unweigerlich an die großen Slapstick-Komödianten denken—Keaton, Arbuckle und Chaplin fallen einem ein, wenn man diesen wütenden Mann beobachtet. In Kombination mit der holprigen, ungeschickten Kameraführung und dem der mäßigen Bildqualität könnte man fast glauben, die seltene Kopie einer der ersten chinesischen Stummfilmkomödien vor sich zu haben.

Er führt die hyperaggressive Version seiner Technikkritik fort, bis eine kleine Gruppe uniformierter Wachmänner auftaucht. Da die Chinesen großen Respekt vor ihren Beamten haben, stehen die Wachmänner nur rum und sehen ihm dabei zu, wie er einen auf Falling Down macht, anstatt ihn zu schlagen oder mit einem Panzer zu überfahren.

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Während die Schar hilfloser Wachmänner einem Mann dabei zusieht, wie er eine Szene, die irgendwo zwischen Wrestling und einer Performance auf dem Alexanderplatz anzusiedeln ist, aufführt, bildet sich eine noch größere Gruppe von Schaulustigen. Dennoch unternimmt keiner etwas.

Bei uns wäre dieses Video wahrscheinlich schon auf YouTube, noch bevor er sich überhaupt den Aufsteller schnappt. Wir würden bestimmt sogar Westerwelle in Pfefferspray duschen, wenn er so etwas tun würde, aber diesem Chinesen stellt sich keiner in den Weg.

Die ganze Veranstaltung verwandelte sich von einer Beschwerde zu einer Farce—durch das immer größer werdende Publikum wurde es zu einem Kasperletheater, in dem der Darsteller für seine Zuschauer spielt, indem er herumschreitet und die Menge provoziert, es ist fast schon kinskiesque. Hier ist ein eigenartiger Rollentausch im Gange: Das Proletariat sieht einem Politiker dabei zu, wie er sich öffentlich erniedrigt, während irgendwelche Gesetzeshüter das über Kameras in einem dunklen Kellerraum eines Regierungsgebäudes am Rande von Peking beobachten.

Da seine Frau neben ihm steht, die Türen ihm den Weg blockieren und die versammelten Neugierigen ihm jeden Fluchtweg versperren, befindet sich der Politiker auf einmal in einer Falle metaphorischer, emotionaler, politischer und physischer Art. Das einzige, was er nun machen kann, ist, in seinem kaputtgeschlagenen Laufstall, den er sich selbst gebaut hat, im Kreis zu laufen. Er ist zu mächtig, um von den Wachmännern festgenommen und abgeführt zu werden, aber auch zu wütend, um zu gehen. Er ist gefangen in einer seltsamen Hölle; er ist zwar keiner eigentlichen Qual ausgesetzt, aber dennoch unfähig zu verschwinden.

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Er ist wie ein eingesperrter Löwe mit gestutzten Zähnen, der die kichernden Touristen  anknurrt.

Da China ein Land solider (aber sagen wir beschränkter) Familienwerte ist, sahen seine Frau und Kinder stolz dabei zu, wie Papi die Computer zerschlägt. Schließlich beruhigt sich der Typ und fängt an, mit seinem Ticket herumzuwedeln. Seine übernervös aussehende Frau hebt das letzte heil gebliebene Stück von dem Tisch, um es kurz darauf auch noch zu zerstören. Das verleiht ihrer privilegierten Macht nochmals Nachdruck.

In dieser Aufführung, wie auch oft im echten Leben, gibt es keinen richtigen Schluss—es ist nur ein Zustand nachlassenden Chaos. Die Kamera verliert das Interesse und unsere Hauptdarsteller sieht man zuletzt wie verlorene Touristen, die sie ja auch sind, verwirrt um sich zeigen. Die nervige Bürokratie hat sie durchdrehen lassen, sie haben sich blamiert, und jeder sieht, auch diese beiden sind nur Normalsterbliche.

Gegen Ende fällt ihnen wohl wieder ein, dass es so etwas wie Würde gibt und sie stellen einander Fragen, als ob nichts passiert wäre, und überhaupt, was machen all diese Leute hier? Doch die Menge bleibt, um den Todeskampf dieses modernen Albtraums zu sehen.

Keine Ahnung, was mit dem Typen passiert ist. Ich bin mir sicher, ich könnte es herausfinden, wenn ich wollte, aber ehrlich gesagt bin ich recht zufrieden mit diesem perfekten, eigenartig schönen Schnappschuss eines Mannes, der seiner Macht beraubt und letztendlich seiner Wut überlassen wird.