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Bizarres Video: ​Die türkische Antwort auf Böhmermann ist sehr, sehr gruselig

Ein türkischer Reporter ist nach Mainz gefahren, um dem ZDF eine Lektion in Journalismus zu erteilen.

Niemand weiß genau, was Böhmermann wirklich erwartet hat, als er sein „Schmähgedicht" auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan im Neo Magazin Royale vortrug, aber seitdem ist einiges passiert. Das ZDF hat das Gedicht aus der Mediathek genommen, Böhmermann hat über 20 Strafanzeigen bekommen, Angela Merkel hat mit der türkischen Regierung telefoniert, damit die Böhmermann nicht auch noch anzeigt, aber weil Erdoğan trotzdem einen Strafantrag gestellt hat, wird wohl demnächst entschieden, ob gegen den Komiker nach dem sogenannten „Schah-Paragraphen" ermittelt werden muss.

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Aber erst jetzt hat die türkische Regierungsgang zu ihrem härtesten Schlag gegen Böhmermann und das ZDF ausgeholt: ein investigatives Video, für das extra einer der bekanntesten Reporter der Türkei nach Mainz gefahren ist, um das ZDF mit seiner eigenen Schändlichkeit zu konfrontieren. Weil sich der Reporter aber weder irgendwo angemeldet noch ein Interview mit irgendjemandem vereinbart hat, ist am Ende das hier dabei herausgekommen:

So knallhart wurde das ZDF noch nie als das entblößt, was es ist: Nämlich ein Gebäude mit einem Pförtner davor.

Das wirklich Unheimliche ist aber nicht nur dieses wahnsinnige Video, in dem der „Reporter" eine so eigenartige Show abliefert, dass sich selbst sein Dolmetscher massiv für ihn zu schämen scheint. Das Unheimliche ist, dass das eben kein Spaßbeitrag eines türkischen Komikers ist, sondern genau das, was sich türkische Regierungsmedien unter „investigativem Journalismus" vorstellen.

Der wild schimpfende Typ ist nämlich nicht irgendwer, sondern Mevlüt Yüksel von der Sendung Yaz Boz, deren erklärtes Ziel es ist, dunkle Machenschaften durch gnadenlose Recherchen aufzudecken. Aber: Der für die Sendung verantwortliche Sender A-Haber gehört zu einer Mediengruppe, die von Erdoğans Schwiegerneffen geleitet wird und von ehemaligen Mitarbeitern als „direktes Organ" des Staatspräsidenten bezeichnet wird, wie die Welt berichtet.

Deshalb geht es bei den dunklen Machenschaften, die da aufgedeckt werden sollen, nicht etwa um Korruptionsskandale der Regierung, sondern eigentlich immer um obskure Verschwörungen gegen die Türkei—von der CIA, von den Rothschilds oder von der Lufthansa (ja, wirklich). Und die investigative Recherche besteht oft darin, einfach irgendwelche wilden Behauptungen durch die Gegend zu schleudern, ohne einen einzigen Beweis. Letztes Jahr, erklärt Deniz Yücel in der Welt, stand derselbe „Reporter" schon einmal vor einem Hotel in Berlin herum und behauptete, drinnen würde sich gerade der BND mit der PKK treffen.

Das ZDF gehört jetzt offenbar auch zum Kreis der bösen Verschwörer, die es auf die Türkei abgesehen haben, und wird deshalb mit denselben Methoden entlarvt. Natürlich gibt es in der Türkei auch genug Leute, die sich über das durchgedrehte Produkt dieser durchgedrehten Recherche lustig machen.

Aber unheimlich ist die Vorstellung trotzdem, dass dieser Wahnsinn in der Türkei nicht nur von Leuten als ernsthafter Journalismus wahrgenommen, sondern vom Staat auch noch gefördert wird. Gleichzeitig übernimmt die Regierung Erdoğan immer mehr oppositionelle Medien und bringt sie auf Kurs, zuletzt im März die Zeitung Zaman. Dieser durchgedrehte Schreihals, der jeden Gegner Erdoğans mit aller Kraft diffamiert, könnte also die Zukunft des Journalismus in der Türkei sein.