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Wahlen 2015

Die Wahlkampf-Fails der Woche

Strache inszeniert sich als Bundespräsident, die FPÖ wirbt mit einem Militärfahrzeug für Heimatschutz, Neos trollen die Grünen und SPÖ/ÖVP werben mit zwielichtigen Methoden.

Foto von Niko Ostermann

Wir alle kennen inzwischen den chinesischen Fluch „Mögest du in interessanten Zeiten leben". Der Spruch war in den letzten Jahren kaum irgendwann so wahr wie heute, wo sich die Refugee-Situation in unsere Breitengrade verlagert hat.

Andererseits würden wir uns aber auch interessantere Zeiten als diese herbeiwünschen—zumindest, wenn es um den Wahlkampf geht. Dort wird nämlich alles, was wirklich spannend ist, derzeit entweder umschifft, als ob es nur um „Tingeltangel" und „politische Animale" ginge, oder aber es wird schamlos ausgenutzt und ziemlich dreist (aber auch ziemlich uninteressant) Kapital aus der Krise der Kriegsflüchtlinge geschlagen.

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Aber weil man es nicht gleichzeitig spannender und weniger spannend haben kann, tun wir das, was alle guten Österreicher seit jeher tun: Wir finden uns damit ab, bis irgendwer nachfragt—und dann gehen wir in die Luft.

Und dem Ergebnis unserer letzten Abstimmung nach zu urteilen dürften damit auch nicht alleine sein. Vergangene Woche haben so viele von euch mitgemacht wie in noch keiner Woche zuvor; und insgesamt so viele, dass wir damit fast eine Repräsentativstudie für Österreich machen könnten.

Hier ist das Ergebnis:

Umfrage via Polldaddy

Gratulation, Gudrun Kugler—die Solidarität mit der US-amerikanischen Anti-Homoehe-Aktivistin Kim Davis, die für ihre Weigerung, ein homosexuelles Pärchen aus religiösen Gründen zu trauen, kurzzeitig ins Gefängnis musste, bringt einen soliden und unbestrittenen 1. Platz. Mit fast 30 Prozentpunkten Abstand bekommt Julian Schmid als sexy Posterbody der Grünen Silber.

Und hier sind die Fails der aktuellen Woche (abstimmen könnt ihr wie immer am Ende).

Strache inszeniert sich als Bundespräsident

Foto: Screenshot via YouTube

Ist ist ein bisschen wie bei jedem Video, dessen Release spannender ist als der eigentliche Inhalt: Eigentlich gibt es zu Straches betont staatsmännischem Minifilm zur Lage der Notstandsnation nicht sehr viel mehr zu sagen, als man auch schon dem Vorschau-Bild entnehmen konnte.

Ja, er tut betroffen; nein, er steht nicht plötzlich auf und zeigt, dass er eigentlich gar keine Hosen trägt. Parteipolitisch halten sich die Überraschungen auch in Grenzen (die seiner Meinung nach wahrscheinlich nur Richtung Ungarn offengehalten gehören, um Orbán genügend Bundesheer-Unterstützung zum Schulterklopfen rüberzuschicken).

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Das einzige, was man sich vorher vielleicht nicht gedacht hätte, ist, wie schlecht Strache sich als Staatsmann macht. Nicht nur, dass die düstere Postapokalpsen-Kulisse wirkt, als hätte Emmerich sie für Independence Day 3: Aliens in Austria entworfen—nein, Heinz-Christian Strache hat auch echte Probleme, im richtigen Tempo vom Teleprompter abzulesen und macht so viele unpassende Pausen, dass es fast an Ron Burgundy in Anchorman erinnert, der jedes Fragezeichen auch dann vorliest, wenn es bei der Anmoderation hinter seinem Namen steht.

Das Ganze hat eigentlich nur genau ein Gutes: Niemand kann jetzt noch sagen, wir hätten nicht vorher gesehen, wie ein regierender Strache wirken würde. Und es wäre eine ziemlich dunkle, dystopische Katastrophe.

SPÖVP-Wahlwerbung sieht gleich aus wie Inserate aus Steuergeld

Bevor in Österreich die neue Fußball-Euphorie ausbrach, konnte man jahrelang vor allem mit Top-Platzierungen im weltweiten Korruptions-Ranking beeindrucken. Nach einem Untersuchungssausschuss-Marathon, der immer noch anhält und Gesetzesnovellen wie dem Transparenz-Paket versuchte man, in der Schlechtestenliste nach unten zu rutschen.

NZZ und Dossier haben nun recherchiert, dass man vor allem bei den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP die Old School-Methoden in Punkto Inserate immer noch voll drauf hat. Für den aktuellen Wahlkampf in Wien wurden in mehreren Bezirkszeitungen Werbungen beider Parteien abgedruckt, die haargenau gleich aussehen wie Inserate, die man als Bezirksvertreter (und dadurch mit Steuergeld finanziert) inseriert hatte. Im Fall der SPÖ und der Person von Ernst Nevrivy war man sogar so dreist (oder einfach … denkfaul?), beides in derselben Ausgabe zu platzieren.

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Die Umstände, wie das alles finanziert wurde und ob etwa der Steuerzahler hier Parteiwerbung bezahlt hat, bleiben bis dato ungeklärt. Zudem haben die Parteien noch ein Schlupfloch genutzt: Auf Bezirksebene darf man, im Gegensatz zur Bundesebene, weiterhin breit grinsende Polit-Konterfeis inserieren.

Die FPÖ Oberösterreich benutzt für den Wahlkampf ein Militärfahrzeug

Ist das noch Wahlkampf oder schon Krieg? — W Hattmannsdorfer (@hattmannsdorfer)August 27, 2015

Zugegeben—die Meldung, dass die oberösterreichische FPÖ im Wahlkampf mit nichts Geringerem als einem Pinzgauer-Militärfahrzeug rumfährt, ist schon etwas älter. Wir finden dennoch, dass sie in unseren Wahlkampf-Fails auf alle Fälle einen Ehrenplatz verdient hat (und in den vergangenen Wochen gab es leider immer dringlichere Fails).

Eigentlich dachten wir, das Hummer-Geilomobil der ÖVP bliebe für immer eine Klasse für sich. Dann kamen die Blauen mit diesem Geschütz. Natürlich wussten wir, dass die FPÖ noch nie ein Experte für Understatement war, aber dass die Rechten jetzt auch aus der symbolischen Wahlkampfschlacht den totalen Wahlkampf machen müssen, beweist wahre Captain Obvious-Superkräfte. Warum eigentlich nicht gleich ein Panzer?

Das politisch einschlägige Kernklientel aus dem Braunauer Umland wird die Aktion und den Umstand wohl ziemlich geil finden, dass man die Heimat (siehe Aufschrift „Damit Linz Heimat bleibt") jetzt endlich wieder, wie in den guten alten Zeiten, mit militärischen Mitteln verteidigt. Auf den Parteiveranstaltungen tummeln sich ja neben Funktionären gerne Typen mit stimmigen T-Shirt-Aufdrucken wie „Vizeweltmeister 1945".

Die Ausrede, man gebe hier doch bloß alten, verstoßenen Nutzfahrzeugen einen neuen Sinn, lassen wir jedenfalls nicht gelten—wir wollen nämlich auch keine SPÖ-Rettungsautos, ausrangierte Polizeibusse mit ÖVP-Logo, grüne Mülltransporter oder Team Stronach-Leichenwägen sehen. Wobei, letzteres … nein, doch nicht.

Die NEOS beschweren sich über grünen Sexismus

Diese Woche betätigten sich die Neos als Polittrolle und wollten die Grünen mit ihren eigenen Waffen schlagen. Bei der von der rotgrünen Wiener Landesregierung installierten Werbe-Watchgroup gegen Sexismus reichten sie eine Beschwerde ein—und zwar gegen das grüne Wahlplakat mit dem geilen Nachwuchspolitiker Julian Schmid, das ihrer Meinung nach sexistisch ist. Die Werbe-Watchgroup stimmte dem zu.

Für die Grünen kam das Ergebnis seltsamerweise „überraschend", obwohl gerade sie wissen müssten, was Sexismus ist (aber auch: wie man ihn überall erkennen kann, wenn man will). Nachdem die Grünen schon 2013 ein richtig abwegiges Wahlsujet mit afrikanischen Putzfrauen veröffentlichten („Wer putzt bei dir?") , darf die Verwunderung über den Fehltritt auch nicht allzu groß sein.

Auch wenn die NEOS diese Auseinandersetzung vor der staatlichen Werbe-Watchgroup gewonnen haben, stellt sich aber die Frage, ob eine Partei mit geringen Frauenanteil, eher schwierigen Kommentaren zur Bikinifigur von Maria Fekter und nicht ganz klaren Positionen zur Frauenquote hier wirklich aus Überzeugung agierte, oder eher aus simpler Wahlkampf-Trollerei.

Und hier die Abstimmung: