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Popkultur

Diese Frau ist auf einem Kreuzzug gegen Fremdgänger—und verdient dabei Millionen

Linda-Tabea Vehle hat mit wen-datet-er-noch.de ein Portal gegründet, mit dem „Online-Casanovas“ enttarnt werden sollen. Wir haben mit ihr gesprochen.

Screenshot: Youtube

Es gibt viele Dating-Plattformen, Singlebörsen und Frauen-Communitys im Netz, wen-datet-er-noch.de dürfte eine der ungewöhnlicheren sein. Die Plattform wirbt damit, „untreue Männer, Lügner, notorische Fremdgänger, Online-Casanovas“ und was sich sonst noch so alles daran schuld ist, dass „Partnerschaften immer kurzlebiger und brüchiger werden“, zu enttarnen. Funktionieren soll das über ein Matching-System: Registrierte Nutzerinnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hinterlegen wahlweise Name oder Nickname ihres Flirt- oder Beziehungspartners, gibt es Übereinstimmungen mit Einträgen anderer Frauen, bekommen die misstrauischen Damen eine Benachrichtigung und können den Kontakt zueinander herstellen. Klingt einfach, ist aber nicht ganz billig. Eine Suchanfrage kostet 14,90 Euro, wer mehr als einen Kandidaten ausspionieren möchte, kann ganze Service-Pakete buchen.

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Die Frau hinter dem kostenpflichtigen Fremdgänger-Lynchmob ist Linda-Tabea Vehlen. Sie sieht sich selbst als „gute Freundin“, die ihren Geschlechtsgenossinnen über Facebook, ihren Blog maennliche-untreue.de und per Telefon (14,90 Euro für 15 Minuten Gespräch) mit Rat und Tat zur Seite steht. Vehlen weiß schließlich, wovon sie spricht. Im Jahr 2009 erwischte sie ihren damaligen Lebenspartner beim Fremdflirten—ausgerechnet auf der Online-Singlebörse, über die sie ihn damals kennen gelernt hatte. 2011 machte sie sich mit ihrem Treuetest-Portal selbstständig und gilt seither als Fachfrau für gebrochene Herzen, Spionage-Skills in Beziehungen und Männer ohne Gewissen. Mittlerweile ist sie in einer glücklichen Beziehung, ihr Eifersuchts-Imperium will sie zukunftsweisend trotzdem noch ausbauen.

Hilft das Portal tatsächlich dabei, Online-Casanovas aufzudecken oder werden Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs einfach nur ausgenommen? Was kann diese Datenbank wirklich? Und hat sich Jörg Kachelmanns Ex-Freundin ihre Vergewaltigung aus Rache ausgedacht? Wir haben Linda-Tabea Vehlen angerufen und ihr ein paar Fragen gestellt.

VICE: Wie hatten Sie damals herausgefunden, dass Sie belogen wurden?
Linda-Tabea Vehle: Wir hatten uns damals bei neu.de kennengelernt und obwohl er mir erzählt hat, dass er auf Geschäftsreise ist, war er online. Da habe ich erst selbst recherchiert, dann mit Freundinnen und schließlich einen Privatdetektiv eingeschaltet. Das ist aber vielleicht nicht für jeden geeignet. So ein Privatdetektiv ist natürlich auch sehr teuer.

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War das jemand, den sie einfach nur im Internet kennengelernt haben? Das wäre dann ja schon ein bisschen viel Aufwand gewesen.
Wir hatten schon eine richtige Beziehung und waren schon fast ein Jahr zusammen. Der war auch immer sehr euphorisch, was die Zukunft betrifft—heute weiß ich, dass man besonders bei solchen Leuten mit Vorsicht rangehen soll. Aber wenn man verliebt ist, will man so was ja auch glauben.

Haben Sie noch mehr solche Erfahrungen gemacht, oder war das die einzige Situation, auf der Ihr Projekt basiert?
Das war die Größte, weil ich nach dieser Erfahrung auch nicht mehr mit so viel Enthusiasmus an Online-Dating rangegangen bin. Ich hatte dann immer im Hinterkopf, dass so etwas passieren kann, und habe gemerkt, dass die Leute ständig weitergedatet haben, während ich mit ihnen in Kontakt stand. Viele Frauen haben mir erzählt, dass sie selbst in Affären-Portalen wie Joyclub belogen wurden. Selbst da, sind Männer nicht … ich meine, sie könnten doch einfach sagen, dass sie noch eine andere Frau haben?

Geht es da wirklich immer klar um die Vorspiegelung falscher Tatsachen, oder besteht da seitens der Frauen vielleicht auch ein falsches Anspruchsdenken gegenüber jemandem, den sie gerade erst im Internet kennengelernt haben?
Es geht ja nicht um den Zeitraum bis zum dritten, vierten Date. Was Frauen einfach überhaupt nicht abkönnen, ist, wenn man schon in einer erweiterten Kennenlern-, beziehungsweise Beziehungsauftaktsphase ist und dann hintergangen wird. Wann dieser Punkt erreicht ist, macht ja jede Frau für sich selbst fest. Grundlegend kann man sagen: Wenn man ein paar Nächte miteinander verbracht hat, wenn man gemeinsame Unternehmungen macht, wenn man wechselseitig beieinander übernachtet—dann trifft es Frauen doch sehr, wenn der Mann noch weiter datet. Oder man ist schon mit jemandem in einer Beziehung, der ist geschäftlich oft unterwegs und baut sich dann irgendwo ein Zweitleben auf.

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Was steckt hinter dieser Datenbank?
Die Datenbank wird nur durch die Frauen gespeist. Man gibt da den vollständigen Namen, das Alter, den Wohnort an. Viele denken am Anfang, dass wir in den Singlebörsen rumrecherchieren, aber das machen wir nicht und das wäre wahrscheinlich auch gar nicht erlaubt. Die Frau kann die Daten ein halbes Jahr bei uns drin lassen und entweder es gibt in dieser Zeit ein Match oder eben nicht.

Wie zuverlässig ist denn dieses System? Männer, die sowieso schon relativ ‚professionell’ lügen, geben sicherlich auch ziemlich unterschiedliche Infos an die jeweiligen Frauen weiter.
Ja, sicherlich. Was wir aber auch immer wieder feststellen: Männer sind ein Stück weit Gewohnheitstiere. Die Damen haben uns schon sehr oft übermittelt, dass Männer in verschiedenen Singlebörsen mit demselben Nickname surfen. Und selbst wenn sie den Namen ändern, sind sie ja dann doch wieder über diesen Namen mit mehreren Frauen in Kontakt. Die machen sich keine große Mühe und haben unter einem Pseudonym drei, vier Frauen am Start. Gerade auch Romance-Scammer oder ganz normale Heiratsschwindler müssen heutzutage nicht mehr in Nigeria sitzen, die können auch aus Castrop-Rauxel sein.

Wie viele Nutzerinnen haben Sie auf der Seite?
Wir haben vier Millionen Männer hinterlegt, was gleichzeitig auch die Zahl der Nutzerinnen ist.

Ist das wirklich so? Ich habe gesehen, dass eine Nutzerin mehrere Männer hinterlegen kann.
Ja, können sie machen, wird aber nicht so häufig genutzt. Man kann den Gesuchten aber einmal mit Vor- und Zunamen hinterlegen und einmal mit Nickname.

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Muss man das getrennt machen und kann das nicht gleich in einer Suche anlegen? Das kostet ja dann jedes Mal Geld.
Nein, um das klar und übersichtlich zu gestalten, haben wir die Suchen getrennt. Entweder Klarnamen- oder Nickname-Suche. Aber die Frauen können auch Pakete buchen, die Dreifach-Suche zum Beispiel. Das würde sich anbieten, wenn jemand unter verschiedenen Namen agiert. Man sucht dann einmal unter dem Namen, den er einem gesagt hat, dann unter dem Nickname. Dann wohnt der vielleicht offiziell in Bonn, geistert aber unter anderen Angaben in anderen Singlebörsen rum …

War das von Anfang an als klares Bezahlmodell ausgelegt oder bestand irgendwann mal die Idee, rein aus Solidarität eine Plattform für betrogene Frauen zu schaffen?
Nein, das war schon immer als Bezahlmodell geplant. Außerdem habe ich das als Start-Up gegründet und hatte Investoren, von denen ich Kapital bekommen habe. Ich habe ja auch extrem viel Recherche auf diesen ganzen Frauenforen betrieben und wenn das alles zunimmt, ist das auch ein Geschäft, das man täglich bespielen muss. Ich schreibe meinen Blog kontinuierlich, ich gebe Gastbloggern die Möglichkeit, bei uns zu bloggen und plane jetzt auch ein Frauenmagazin. Die 14,90 Euro sind ein moderater Preis. Ich wollte es nicht für 3 Euro raushauen, aber auch nicht wie ein Privatdetektiv 100 Euro verlangen—ich will wie gesagt eine Lücke schließen. Selbstrecherche ist irre aufwendig und wenn ich jemandem, den ich dreimal die Woche nicht erreichen kann, ständig mit dem Auto hinterherfahre, kostet das ja auch Geld.

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Wenn Sie sagen, dass Sie ungefähr 4 Millionen Männer hinterlegt haben und jede Suchanfrage 14,90 kostet, dann komme ich auf fast 60 Millionen Euro. Das ist ja schon ziemlich viel Geld.
Allein der Untreue wegen, ja. Man muss aber auch dazu sagen, dass ich das finanziert bekommen habe und das Geld wieder zurückfließen muss. Klar ist es extrem viel Geld, aber was soll ich jetzt sagen? Wir müssen die Plattform hosten, haben da auch immer wieder Angriffe abzuwehren, weil ich extrem polarisiere. Auf dem Blog machen wir auch Werbung … das ist schon ein richtiges Geschäftsmodell, da muss ich Ihnen Recht geben.

Was macht Sie zu einer Expertin in diesem Bereich? Sie waren zumindest in einer Talkshow zu Gast und wurden als solche vorgestellt.
Ich würde mir nicht anmaßen, mit einem psychologischen Hintergrund da ran zu gehen. Ich denke, ich habe eher die Erfahrung wie eine gute Freundin, aber eben mit einem sehr potenzierten Potential, weil ich selbst sehr viel erlebt habe und viel Feedback dazu bekomme. Manchmal, wenn so Beziehungen an die Öffentlichkeit kommen, von Prominenten oder so, habe ich so meine Gedanken dazu. Ich gehe zum Beispiel fest davon aus, dass diese Sache mit dem Kachelmann ein Racheakt war. Ich mag ihn nicht, aber ich halte ihn im Leben nicht für einen Vergewaltiger.

Was sagen Sie Ihren Kundinnen, wenn die Sie anrufen und nach Rat fragen?
Das kommt auf die Situation an. Ich bin ja kein Hellseher und kann sagen: „Der geht fremd!” Ich kann einfach nur meine Erfahrung mit einbringen oder die Signale deuten. Wenn man Männern zum Beispiel nur zu bestimmten Zeiten erreichen kann, ist das ein Indiz, das ich so auch selbst erlebt habe. Oder wenn ein Geschäftsmann gerade in München hockt und seine Frau noch kurz zum Gute-Nacht-Sagen anruft und danach erreicht sie ihn weder auf Festnetz noch auf Handy. Das ist ein Zeichen dafür, dass er sich mit einer anderen Frau trifft—wenn er mit einem Kumpel unterwegs oder allein wäre, könnte er ja ans Telefon gehen. Ich sage ganz oft, dass man auf sein Bauchgefühl hören muss. Ich hatte damals dieses Gefühl, dass ich überhaupt nicht zu deuten gewusst habe—ich wusste nur, dass irgendetwas komisch ist.

Würden Sie sagen, dass Sie sich rückblickend für den Herzschmerz damals bedanken würden?
Ja, auf jeden Fall.

Danke für das Gespräch.

Wenn Lisa emotionale Zusammenbrüche hat, postet sie es auf Twitter: @antialleslisa