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Diese fünf Leute bekommen bald ein gemeinsames Baby

Daantje ist mit Dewi verheiratet. Jaco ist mit Sjoerd verheiratet und beide lieben Sean. Diese Woche bekommen sie alle fünf zusammen ein Baby.
Noor Spanjer
Amsterdam, NL

Das Konzept der „Kleinfamilie"—weißer Gartenzaun, ein oder zwei Kinder, ein süßer Golden Retriever—ist bereits seit einer Weile nicht mehr so beliebt wie früher. Geschichten von Stiefeltern oder Halbgeschwistern schockieren uns schon lange nicht mehr und es gibt immer mehr Kinder, die von gleichgeschlechtlichen Eltern aufgezogen werden. Eine neuere Familienstruktur, die eure Großeltern wahrscheinlich nicht wirklich verstehen, ist die multiple Elternschaft—oder das Großziehen eines Kindes von mehr als zwei rechtlichen Elternteilen. Ein lesbisches und ein schwules Paar könnten beispielsweise zusammen als eine Familie, aber in zwei separaten Haushalten, ein Kind großziehen.

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Das ist mehr oder weniger das Familienmodell, für das sich die Männer Jaco (35) und Sjoerd (27), und Frauen Daantje (30) und Dewi (29) entschieden haben. Die beiden Paare kennen sich schon seit zehn Jahren und denken seit sechs Jahren darüber nach, gemeinsam ein Kind zu haben. Diese Woche soll ihr Traum wahr werden, wenn Daantje ihr Kind zur Welt bringt.

Stehend von links nach rechts: Dewi, Sjoerd, Jaco, Sean. Vorne: Daantje | Alle Fotos: Raymond van Mil

Beide Paare sind verheiratet, aber in Jaco und Sjoerds Beziehung gibt es noch eine dritte Person: den Australier Sean, der seit drei Jahren ihr Partner ist. „Dreieinhalb", ruft Sean aus der Küche, als er hört, dass ich Sjoerd frage, wie lange sie schon zusammen sind. Sean ist ein wichtiger Teil ihrer Beziehung und wird eine gleichberechtigte Rolle in der Erziehung ihres zukünftigen Sohnes einnehmen.

„Jaco und ich sind mittlerweile seit acht Jahren verheiratet. Leider können wir Sean nicht auch heiraten, ansonsten hätten wir das sofort gemacht", sagt Sjoerd.

„Fünf Elternteile mit gleichen Rechten und Pflichten auf zwei Haushalte verteilt—das sind die Bedingungen der Vereinbarung, die wir alle unterschrieben und beglaubigen lassen haben", sagt Dewi. Dieser Schritt war notwendig, weil die Niederlande—rechtlich gesehen—noch nicht für die multiple Elternschaft bereit sind. Momentan kann ein Kind immer noch maximal zwei rechtliche Eltern haben und in einer Ehe sind das meistens die biologische Mutter und ihr Mann oder ihre Frau. Die biologische Mutter kann jedoch auch eine andere Person als rechtlichen Elternteil ernennen.

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Und nochmal: von links nach rechts: Sean, Jaco, Daantje, Dewi und Sjoerd

Die Gesetze um die Elternschaft haben sich in den letzten Jahren für homosexuelle Eltern in den Niederlanden enorm verbessert, aber das Thema der multiplen Elternschaft ist immer noch sehr kompliziert. Im speziellen Fall dieser fünfteiligen Elternschaft übernimmt Jaco die Rolle des zweiten rechtlichen Elternteils—und ersetzt somit Dewi, die aufgrund ihrer Ehe mit Daantje ursprünglich für diese Rolle vorgesehen war.

„Uns war es wichtig, dass es in beiden Haushalten jeweils einen rechtlichen Elternteil gibt, weil wir die Erziehung gleichberechtigt aufteilen werden", erklärt Dewi.

„Das hat den Vorteil, dass wir unseren Sohn mit in den Urlaub nehmen können, ohne dass wir beim Zoll aufgehalten werden, weil wir mit einem Kind reisen, das rechtlich gesehen nicht unseres ist", stimmt Sjoerd zu.

„Wenn Daantje und ich mit unserem Sohn auf Reisen gehen, brauchen wir eine offizielle Erlaubnis von Jaco, weil das Baby seinen Nachnamen tragen wird", fährt Dewi fort.

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„Die Gesetze wurden nicht für Leute wie uns geschrieben, deshalb informieren wir uns ständig, wie die Sache für uns fünf funktionieren kann. Manchmal macht einen das ein bisschen zu einem Opportunisten", sagt Sjoerd. „Ich habe keine rechtliche Verbindung zu meinem Sohn, also steht mir auch keine Elternzeit zu, wenn er geboren wurde. Ich möchte für ihn da sein, deshalb habe ich ein Bestätigung von Daantje und dem ‚Vater', die besagt, dass ich mich um ‚ihr' Kind kümmern darf. Dadurch bekomme ich das Recht auf Elternzeit für Pflegeeltern, obwohl ich keine Pflegemutter bin. Die Lage ist für alle aus rechtlicher Sicht sehr komplex und das ist nicht ideal für uns. Ich meine aber ausschließlich rechtlich gesehen, in der Praxis finde ich unsere Situation nämlich ideal."

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Als ich frage, ob es schwierig war, einen Namen für das Baby zu finden, der allen gefällt, versichert mir Dewi, dass sie keine Probleme hatten, aber den Namen wollen sie für sich behalten. „Wir hatten uns schon auf einen Namen geeinigt, bevor Daantje überhaupt schwanger war."

Sjoerd und Dewi

Die rechtlichen Aspekte der multiplen Elternschaft sind schon kompliziert genug, aber wie sieht es eigentlich mit der praktischen Seite aus? Wer musste mit wem schlafen?

„Oh nein, das wollten wir nicht", sagt Sjoerd, als ich frage, ob Daantje mit dem biologischen Vater (der anonym bleiben möchte) Sex hatte. „Im Grunde funktionierte es folgendermaßen: Daantje und Dewi fingen an, in dem einen Zimmer rumzumachen, während wir im anderen waren. Irgendwann rief Dewi: ‚Ja, wir sind bereit!' und dann spazierten wir mit einem Glas voller Spermien ins Zimmer."

Dewi erklärt: „Wir hatten irgendwo gelesen, dass die Spermien aufgrund der Schleimhäute und der Kontraktion des Gebärmutterhalses besser in die Frau eindringen, wenn sie zum Zeitpunkt der Besamung einen Orgasmus hat. Wir verwendeten diese Pipetten, die wir an unserem Hochzeitstag bekommen hatten, aber die waren viel zu groß. Es war sehr viel Luft drinnen und die Samen landeten überall, wo sie eigentlich nicht hingehörten."

„Das erste Mal war eher ein Desaster als ein Erfolg", lacht Sjoerd.

„In der Zeit um den Eisprung kamen die Jungs immer vorbei und nach jedem Versuch tranken wir gemeinsam eine Tasse Tee, während Daantje mit den Beinen in der Luft auf der Couch saß. Zum Glück dauerte es nur zwei Monate, bis sie schwanger wurde. Ich weiß noch, wie ich dachte: Stell dir vor, wir müssten das ein Jahr lang machen: diese Gläser mit den Samen, die Pipetten und all das", erinnert sich Dewi.

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„Die Ejakulation kann zu einer sehr körperlichen, praktischen Sache werden", meint Sjoerd. „Ich habe schon oft von heterosexuellen Paaren gehört, dass Sex irgendwann keinen Spaß mehr macht, wenn man versucht, ein Kind zu zeugen. Sie wären wahrscheinlich auch besser dran, wenn sie es auf die gleiche Art wie wir versuchen würden—wenigstens bleibt Sex dann Sex und wird nicht zu einer lästigen Pflicht."

Die große Familie (das Baby wird fünf Elternteile, 11 enthusiastische Großeltern und 21 Tanten und Onkel haben) scheint für jegliche Probleme, denen sie sich bei der gemeinsamen Erziehung eines Kindes möglicherweise stellen müssen, gewappnet zu sein. „Wir sind fast zu gut vorbereitet", sagt Sjoerd. „Wir haben schon Schulen ausgewählt. Es sind hauptsächlich die Leute um uns herum, die mit Problemen rechnen, aber dieser ganze Mythos, dass es schwieriger wird, Entscheidungen zu treffen, umso mehr Personen involviert sind, hat sich für uns nicht bewahrheitet. Bei uns gibt es nicht viel Platz, unvernünftig zu sein. Wenn man zu zweit ist, wird man viel leichter in eine emotionale Diskussion verwickelt, die jeder gewinnen will. Aber wenn man zu fünft ist, ist man gezwungen, eine vernünftige Lösung zu finden."

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Dewi sagt, die Kritik seitens der LGBT-Community habe sie überrascht. „Die Leute sagten Dinge zu Daantje und mir wie: ‚Ihr solltet die Männer nicht mitmischen lassen' und zu den Jungs: ‚Seid vorsichtig mit diesen Lesben, die werden euch euer Kind wegnehmen.' Es geht um Besitz, um Ängste und um das Ego."

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„Und um Stereotypen über Männer und Frauen— dass wir Männer nur in den guten Zeiten da sein werden, die schönen gemeinsamen Tage mit Papa, und dass Dewi von den Hormonen überwältigt sein wird und zu einem beschützerischen Mamabär mutiert. Ich glaube nicht, dass es so kommen wird", ist Sjoerd überzeugt.

Ein weiteres Problem, über das sich ihre Familien und Freunde Sorgen machen, ist die Frage, was passieren würde, wenn Daantje und Jaco (die rechtlichen Eltern) beide in einem Autounfall ums Leben kämen. Sjoerd argumentiert: „Wenn das passieren sollte, wäre das für uns ein weniger großes Problem als für eine traditionelle Familie. Ich wünschte, jeder hätte so ein Sicherheitsnetz wie wir. Wenn ich plötzlich meinen Job verliere, kann unser Sohn immer noch Geigenstunden nehmen oder was auch immer. Ich verstehe nicht, wieso nicht mehr Paare gemeinsam Kinder haben. Es gibt so viele junge Eltern, die die ersten Jahre kaum überleben. Sie bekommen nicht genug Schlaf und sehen ihre Freunde kaum noch. Wir haben immer noch genug Energie, um ein paar Mal die Woche Freunde zu treffen und über etwas anderes als Babys zu reden."

Ihre Freunde sehen definitiv die positive Seite, genügend Schlaf zu bekommen, sowie die Vorteile, die es hat, wenn das Kind unterschiedliche Einflüsse von fünf verschiedenen Personen haben. „Wir haben Yoga, Akrobatik, Musik, Politik und Bildung in unserem Talentpool", sagt Sjoerd. „Wir fünf sind alle sehr unterschiedlich, aber das ist unsere Stärke."

Sie erwarten das Baby noch diese Woche und alle Elternteile möchten bei der Entbindung anwesend sein. Während des Interviews mit Sjoerd und Dewi stießen Jaco und Sean dazu, nachdem sie gerade den Geburtspool in Daantjes und Dewis Haus aufgebaut hatten. Dewi sagt, dass Daantje ein bisschen gebraucht hat, bis sie sich mit der Vorstellung, dass alle bei der Geburt dabei sein werden, gewöhnt hat. „Sie musste sich uns in dieser Hinsicht zuerst öffnen—schließlich geht es um ihren Körper. Aber sie möchte, dass alle die Entbindung miterleben können und fühlt sich mittlerweile in unserer Anwesenheit wohl genug." Jedem wurde für die Geburt eine Aufgabe zugewiesen: Sjoerd kümmert sich um die Snacks und die Getränke, Sean und Jaco werden Massagen geben, wenn es nötig ist, und Dewi wird sich hauptsächlich um ihre Partnerin kümmern.

Als ich frage, ob sie sich in die Bindungstheorie bei kleinen Kindern eingelesen haben, erzählt Sjoerd, dass eine seiner Freundinnen gerade eine Doktorarbeit zu diesem Thema schreibt: „Sie sagt, das Wichtigste sei die Beständigkeit in der Familie und das ist etwas, das wir dem Kind bieten können."

„Im Laufe der Zeit wird die Welt eines Babys immer größer, aber anfangs kann es nur zu ungefähr fünf Leuten eine Verbindung aufbauen—für uns ist das also perfekt", sagt Dewi.