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„Diese Tagung ist vollkommen schwachsinnig“ – Eine G7-Gegnerin über ihre Motive

Wir wollten herausfinden, wer die Leute sind, vor denen die Staatschef so wahnsinnige Angst haben.
Titelbild via Photopin

Titelbild: G7 GERMANY via photopin(license)

Drei Tage vor dem G7-Gipfeltreffen im bayrischen Elmau bei Garmisch-Partenkirchen konnten die Aktivisten einen ersten Sieg davon tragen: Die im Vorfeld für das geplante Protestcamp bereitgestellte Wiese wurde am Dienstagnachmittag in letzter Minute per Gerichtsentscheid freigegeben. Nach einem monatelangen Kampf um die Garmischer Wiesen ein kleiner Erfolg für die G7-Gegner. Die Demonstrationen können beginnen.

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Abgeschirmt durch einen 16 Kilometer langen Sicherheitszaun und rund 20.000 Polizisten aus Österreich und Deutschland wollen sich die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Wirtschaftsnationen auf dem diesjährigen Gipfel treffen, um an zwei Tagen „die Weltwirtschaft sowie zentrale Fragen der Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik" (G7-Webseite) zu diskutieren. Außerdem stehen die 2015 stattfindenden UN-Konferenzen zum internationalen Klimaschutz auf dem Programm. Umweltschutz, Ressourceneffizienz, Handelsstandards, Gleichstellung und Energieversorgungssicherheit stehen auf zweitrangiger Liste.

EPP Summit, Brussels; October 2014 via photopin(license)

Die Ausgaben für den G7-Gipfel belaufen sich derzeit auf knapp 81 Millionen Euro. Polizei und Sicherheitsstab möchten potentielle Krawalle sofort unterbinden, die Stimmung ist jetzt schon angespannt. Die Polizei rechnet bereits für Donnerstag mit einer erste Gewalteskalation.

Neben klassischen Kapitalismusgegnern demonstrieren aber auch Umweltschützer gegen den Gipfel. Daniela Hochmuth ist eine Aktivistin in der österreichischen Gruppe „Protect Our Winters". Die Gemeinschaft wurde vom amerikanischen Pro-Snowboarder Jeremy Jones ins Leben gerufen. Sein Ziel: Kampf dem Klimawandel. Ein Unterfangen, das nicht unbedingt mit den Interessen mancher Regierungschefs konform geht, denn die wirtschaftlichen Interessen der Industrienationen genießen Priorität. Zusammen mit einer Delegation aus Aktivisten und Sportlern will die 26-Jährige schon am ersten Kundgebungstag in Garmisch-Partenkirchen gegen den G7-Gipfel demonstrieren und die geplante Blockade rund um das Schloss Elmau unterstützen. Wir haben mit Daniela gesprochen, damit sie uns erklärt, warum sie gegen die G7 protestieren will—und ob sie Angst vor einer Eskalation hat.

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Daniela Hochmuth. Foto: Miguel Estrada

VICE: Was sind deine persönlichen Beweggründe, gegen den G7-Gipfel auf die Straße zu gehen? Was stört dich daran besonders?
Daniela Hochmuth: Mich stört grundsätzlich, dass die sieben großen Staaten denken, sie könnten sich für unsere Rechte einsetzen, aber dabei eigentlich nur rein wirtschaftliche Interessen vertreten. Die Tagungsgäste stehen nicht repräsentativ für die Bürger, geschweige denn für die Weltbevölkerung. Mir ist es wichtig, dass wir auch in Zukunft noch in einer Welt leben können, in der die Natur noch eine große Rolle spielt. Ich möchte nicht in ein paar Jahren nur noch Gemüse aus vergifteten Boden konsumieren können. Der Gipfel verschlingt zudem eine absurde Menge an Geld, das anderswo viel nötiger gebraucht wird. Hier geht es nicht nur ums Prinzip, sondern um unsere Zukunft. Der Gipfel geht uns alle etwas an. Welche Ziele möchtest Du gerne durchsetzen? Und was erhoffst du dir von der geplanten G7-Blockade?
Es muss endlich mal gehandelt werden. Es müssen Taten folgen und nicht nur leere Phrasen gedroschen werden. Eine Tagung, die Kosten im achtstelligen Bereich verursacht und bei der rein gar nichts Produktives herauskommt, ist vollkommen schwachsinnig. Wo sind denn die Resultate der letzten Gipfel? Ich sehe keinen Sinn eines solchen Meetings. Wir sind diesmal eher spontan organisiert, aber fest entschlossen, mit vielen Gleichgesinnten an den Demos teilzunehmen. Im Vorfeld gab es ja bereits ziemliche Repressalien gegen die Veranstalter. Die Wiese für das vorgesehene Aktivistencamp wurde aufgrund von Hochwassergefahr vorläufig gesperrt. Wie schätzt du das ein?
Sicher ist hier nur eines: Es war bestimmt keine reine Präventionsmaßnahme. Das lag doch auch auf der Hand. Mit diesen Repressalien hat man es ja immer wieder zu tun. Es wird mit allen Mitteln versucht, die Leute davon abzuhalten, zur Demo zu kommen. Man erhofft sich eine abschreckende Wirkung, das sieht man auch gut an den massiven Grenzkontrollen auf österreichischer Seite. Das ist meiner Meinung nach eine reine Einschüchterungstaktik. Wirklich etwas bezwecken wird es nicht. Wir kommen alle! Viele Einwohner von Garmisch-Partenkirchen haben ihre Häuser aus Angst vor möglichen Krawallen verriegelt oder sind gar ausgereist. Wie hoch schätzt du das Potential für Ausschreitungen ein?
Hierzu kann ich natürlich im Vorfeld nichts sagen. Natürlich sind Blockaden und auch einige Aktionen geplant, wir sind jedoch gegen jedwede Form von Gewalt oder Eskalation. Die Demonstrationen sowie die verschiedenen Aktionen sind friedlich. Natürlich gibt es auch immer wieder ein paar Aktivisten, die etwas lauter werden. Trotzdem haben wir ein Recht auf freie Meinungsäußerung und auch ein Recht auf diese Demonstration. Wenn die Polizei als Aggressor allerdings einen Grund sucht, die Menge zu provozieren, dann finden sie diesen auch. Und dann muss man reagieren. Findest du die Sicherheitsvorkehrungen der Polizei gerechtfertigt?
Natürlich ist das absolut übertrieben. Die Veranstaltung ist als friedliche Demonstration ausgelegt. Die Demonstranten und Aktivisten stehen hinter dieser Prämisse. Aber natürlich kann man nie wissen, was passieren wird. Die gesamte Lage ist momentan dermaßen instabil, dass eigentlich nichts wirklich planbar und vorhersehbar ist. Ich gehe davon aus, dass alles friedlich bleibt. Zumindest hoffe ich das.

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Der Support der Bürger von Garmisch-Partenkirchen ist ziemlich groß. Die Bürger der Stadt unterstützen die DemonstrantInnen, wo sie können. Ist eine derartige Unterstützung vom genügsamen Bürgern etwas Außergewöhnliches?
Ich find's super! Das ist natürlich schon toll. Diese Form der Solidarität habe ich so auch noch nicht miterlebt. Das ist leider immer noch nicht die Norm. Die Menschen müssen wieder raus auf die Straße. Es kann doch nicht sein, dass dies nur Randgruppen tun!

Es ist leicht, eine Randgruppe zu kriminalisieren, bei der Bevölkerung einer ganzen Stadt wird das schon schwieriger. Auch in Innsbruck bemerke ich schon ein gewisses Umdenken. Besonders Themen wie TTIP oder Fracking rücken immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit. Das wird von den Medien natürlich zusätzlich geschürt. Die daraus entstehende Empörung finde ich gut. Auch durch die Social-Media-Netzwerke haben die Leute mehr Zugang zu solchen Themen und sind besser organisiert.

Der Gipfel verschlingt nicht nur eine Menge Geld, sondern gefährdet auch die Natur rund um den Tagungsort. Empören sich vielleicht auch deshalb so viele Bürger über den G7 Gipfel?
Es ist echt so lächerlich! Wir haben Informationen vom österreichischen Alpenverein vorliegen, dass Wanderer in dieser Region unbedingt ihren Ausweis mitführen sollten. Andernfalls könnten diese für „Terroristen" und „Störenfriede" gehalten werden und müssten mit einer Sicherheitsverwahrung rechnen. Derartige Repressalien machen natürlich die Runde und bezwecken nur eines: Unmut unter den Bürgern. Und Unmut unter jenen, die sich bisher unparteiisch verhalten haben.

Was erhoffst du dir von den bevorstehenden Demos und Aktionen?
Dass dadurch endlich mal ein Ruck durch die Gesellschaft geht und diejenigen, die sich als Repräsentanten der Länder bezeichnen, ihren Worten Taten folgen lassen. Ebenfalls muss etwas gegen TTIP und die Freihandelsabkommen unternommen werden. Das ist mein persönlicher Wunsch. Die große Mehrheit der Gesellschaft ist ohnehin schon dagegen.

Demonstriert ihr dann auch gegen die anderen Themen des Gipfels—wie z.B. den Kampf gegen ISIS?
Darum geht es doch gar nicht. Wichtig ist, dass endlich mal Beschlüsse gefasst werden, die wirklich etwas bezwecken. Man sollte auch mal die Stimme des Volkes erhören, anstatt unter Polizeischutz zu tagen, um dann einfach blind über die Köpfe hinweg zu entscheiden.