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Jeden Tag 4/20

Dieser Typ eröffnet einen Coffeeshop in Berlin—ob die Polizei will oder nicht

Oliver Becker meint das ernst. Ich habe ihn in Marokko erreicht, von wo er das Haschisch importieren will.

Seit ein paar Tagen gibt es auf YouTube ein Video, in dem ein Mann vor einem bunten Bus in der Sahara fröhlich verkündet, dass er genau am 21. Juni im Görlitzer Park in Berlin einen Coffeeshop aufmachen will—den ersten Deutschlands. Er scheint sich das ziemlich gut überlegt zu haben: Er hat einen Gewerbeschein, der ihm den „Verkauf und Import von marokkanischem Hasch“ „erlaubt“, und ein Poster, auf dem die ganzen Sorten Hasch abgebildet sind, die er dann verkaufen will. „Kommt in den Görlitzer Park!“, ruft er in die Kamera. „Ich bin dabei, ich werde ’ne ganze Menge Dope mit dabei haben!“

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Der Mann heißt Oliver Becker und bezeichnet sich selbst als Hanf-Aktivist der ersten Stunde. Als ich beim Deutschen Hanf-Verband anrief, wurde mir versichert, dass Herr Becker die Aktion durchaus ernst meint. Kurz darauf hatte ich eine Skype-Verbindung zu Oliver in Marokko, der mir seinen Plan erklärt hat.

Oliver auf Recherche in Marokko. Alle Fotos mit Genehmigung von Oliver.

VICE: Hallo Oliver, ich habe gerade dein Video auf YouTube gesehen. Ist das ernst gemeint?
Oliver Becker: Natürlich ist das ernst gemeint! Ich scherze nicht, Junge. Ich bin schon sehr, sehr lange in der Hanf-Bewegung unterwegs. Der 21.06. ist für mich der richtige Zeitpunkt—das ist der Tag, an dem Deutschland gegen Ghana spielt—, der Görlitzer Park ist der richtige Ort, die Coffeeshop-Eröffnung ist das richtige Zeichen, und ich bin die richtige Person dafür. Ich will die ganze Sache wirklich an die große Glocke hängen. „Holywoodstock“—ein heiliges Woodstock, in Berlin.

Ok. Und dein Plan ist ….
Ich fahr da mit dem Wohnmobil rein, häng da ein Schild dran, „Mobiler Coffeeshop“, ich habe auch 'ne Soundanlage mit dabei, und dann werd ich’s einfach machen. Ich habe auch nichts angemeldet oder sonst irgendwas. Ich mach das einfach.

Aber hattest du nicht sogar ein Gewerbe angemeldet?
Ja genau. Ich bin einfach aufs Gewerbeamt gegangen. Ich wusste, dass das ein eher jüngerer Kerl ist, der da im Gewerbeamt sitzt, und habe den mehr oder weniger überrumpelt. Ich habe gesehen, der war Feiern am Wochenende, und hab gesagt: „Ich möchte gerne ein Gewerbe anmelden: Verkauf und Import von marokkanischem Haschisch.“ Der erstmal so: „Das ist doch verboten!“ Meinte ich: „Ne, ist nicht verboten, ist genehmigungspflichtig.“ Und daraufhin hat er mir den Gewerbeschein ausgestellt.

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Nicht schlecht.
Gut, dann hat der eine Dreiviertelstunde später angerufen und meinte, er hätte sich informiert, ich sollte doch bitte kommen und mein Gewerbe wieder abmelden. Hab ich dann auch gemacht.

Hast du gemacht?
Ja, ich will ja nicht, dass der Mann da Ärger kriegt. Die Anmeldung hat mich 45 Euro gekostet, und den Zettel, den hab ich halt gepostet. Und mit so einem Gewerbeschein habe ich natürlich auch einen viel besseren Verhandlungsspielraum, wenn ich hier auf offizielle Behörden zugehe. Da habe ich hier was vorzuweisen, wo drinsteht, dass ich mich mit dem Verkauf und Import von marokkanischem Hasch auseinandersetze. Da wird man hier viel eher Gehör finden, wenn man ein offizielles Dokument vorweisen kann. Ich bereite gerade auch einen Brief an den König vor, um dort eine Audienz zu erhalten.

Der Gewerbeschein. Nur original aus dem Saarland.

Hast du eigentlich keine Angst vor den marokkanischen Behörden?
Da hab ich überhaupt keine Angst.

Warum? Gibt es da nicht ziemlich hohe Gefängnisstrafen auf Rauschgifthandel?
Ich hab ja gar nichts! Klar, wenn ich mit ein paar Kilo Hasch unterwegs bin, dann ist das natürlich strafbar. Aber bei mir wirst du nichts finden. Ich habe sogar aufgehört zu rauchen. Das ist eine Herausforderung, aber man wird auch mein Blut kontrollieren können und alles.

Aber du willst doch Haschisch nach Deutschland importieren?
So steht’s auf dem Gewerbeschein. Aber ob ich das jetzt persönlich importiere, das steht ja auf einem ganz anderen Blatt. Dadurch, dass ich schon so lange in der Hanf-Bewegung unterwegs bin, habe ich natürlich Kontakte zu Leuten in Deutschland, die damit im größeren Stil umgehen.

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Das heißt, du wirst nicht mit ein paar Kilo Hasch im Flugzeug sitzen?
Natürlich nicht. Auch wenn ich da reinfahre, dann heißt das noch lange nicht, dass in meinem Bus oder an mir selber irgendwelches Material ist. Da kann es immer noch irgendjemanden geben, der mir aus der Menge was übergibt … zum Beispiel. Da gibt es ja ganz andere Möglichkeiten.

Und was, wenn die Polizei dich am Görli trotzdem mitnimmt?
Dann geh ich in den Hungerstreik. Ich will, dass das alles gewaltlos abgeht, nicht dass da irgendein schwarzer Block in Berlin Steine schmeißt. Ich werde mich der Sache fügen. Ich hoffe, dass dann bis zum 50. Tag, das ist der 9. August, der Tag der Hanfparade, genügend Support für mich da ist.

Du willst 50 Tage Hungerstreik machen?
Ja. Ich werd die Sache durchziehen—obwohl ich insulinpflichtiger Diabetiker bin.

Hoffen wir mal, dass es nicht dazu kommt, oder?
Ja! Ich glaube auch nicht, dass es dazu kommen wird. Ich werde die Polizei darüber informieren. Ich habe Monika Herrmann, die Bürgermeisterin von Kreuzberg, und Christian Ströbele, den Direktkandidaten für Kreuzberg angeschrieben und gebeten, mir Kontakt zum Polizeichef von Kreuzberg herzustellen. Ich leiste Widerstand und berufe mich aufs Grundgesetz!

Das ist also eine Widerstandsaktion?
Natürlich! Das ist Widerstand im Sinne des Paragraphen 20, Absatz 3 des Grundgesetzes: „Jeder Deutsche hat das Recht auf Widerstand, wenn andere Hilfe nicht möglich ist.“ [Eigentlich Absatz 4, Anm. d. Red.] Wer wegen Drogen in eine Kiste gesteckt wird, ist in meinen Augen immer ein politischer Gefangener. Wenn ich mir anschaue, wie unsere Drogenbeauftragte Marlene Mörtele Werbung für Alkohol macht—ich glaube, dass das überhaupt nicht geht. Ich leiste Widerstand dagegen.

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Wenn 120 Strafrechtsprofessoren eine Resolution an den Bundestag schreiben und nichts, nichts passiert, dann muss mal jemand aus dem Volk aufstehen und den Mund aufmachen! Und das mach ich. Ich bin Berufsrevolutionär—oder Evolutionär. Mir geht's darum, etwas zu verändern.

Olivers Bus in der Sahara.

Du willst damit auch auf die Veröffentlichung deines Buches aufmerksam machen, oder?
Ja, Die Legalisator Autobiographie. Ich bin seit Anfang der 90er Jahre in der Hanf-Bewegung unterwegs, ich war Deutschlands erster Hanfsamen-Großhändler. Ich bin leider mit dafür verantwortlich, dass der Kunstlichtmarkt sich in den letzten Jahren so entwickelt hat, und in meinen Augen ist das keine positive Entwicklung. Ich will da ein paar Wege aufzeigen, diese Sache wieder ein bisschen zur Natur hinzurücken.

Wie meinst du das?
Um THC produzieren zu können, braucht man unter natürlichen Bedingungen einen Berg. Alle Hanfanbaugebiete der Welt liegen in den Bergen: ob das das Rif-Gebirge in Marokko, das Himalaya-Gebirge in Indien oder Afghanistan und Nepal ist, oder das Kerala-Gebirge in Südindien, die Blue Mountains in Jamaika, und so weiter. Mit Kunstlicht wird so was simuliert. Dadurch hat man THC-Werte erreicht, die ein Hochgebirge vielleicht im Bereich von 5.000 bis 6.000 Metern Höhe erreicht, wo man unter normalen Bedingungen gar keine Pflanzen mehr anbauen kann. Deshalb sind auch die THC-Werte bei Kunstlicht-Sorten gestiegen.

Alle Samen, die im Augenblick auf dem Markt sind, werden ja unter Kunstlicht produziert. Ich finde das nicht gut. Ich selber rauche es gar nicht mehr, weil einen das viel träger macht. Ich möchte dagegen ein bisschen angehen, das ist einer der Gründe. Der Hauptgrund ist natürlich, die Diskussion um Drogen ein bisschen anzuregen.

Klingt nach einem spannenden Buch.
Ich habe ziemlich viel zu erzählen! Ich habe da ziemlich viele Enthüllungen, die manchen Leuten gar nicht gefallen werden. Ich stehe aber zu allem, was da drin steht, ich bin kein Verbrecher, auch wenn ich mal irgendwas über die Grenze gebracht habe oder hier und da mal was verkauft habe. Ich sehe eine Verkäuferin im Supermarkt, die an einen Achtzehnjährigen eine Flasche Whisky verkauft, mindestens genauso als eine Drogendealerin an wie mich.

Mehr über Olivers Buchprojekt könnt ihr hier erfahren, über sein Projekt Holywoodstock hier, und hier über die Drehbücher, die er gerade für die Verfilmung von Die Legalisator Autobiographie schreibt.

Folgt Matern auf Twitter: @m_boeselager.