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Dinge, die du nie zu jungen Eltern sagen solltest

Ein Kind zu haben, ist wunderschön. Weniger schön sind alle Kommentare von besserwisserischen Menschen, die keine Ahnung von Kindererziehung haben.
Rettungsanleitung für einen Säugling im Flugzeug

Foto: ArtBrom | Flickr | CC BY-SA 2.0

Es ist wirklich schön ein frischgeborenes Kind zum ersten Mal im Arm zu halten, den milchig-süßen Babyduft einzuatmen und sich dabei vorzustellen, selber so einen Wonneproppen zu Hause zu haben. Diese Illusion von einer heilen, kinderreichen Welt bleibt aber nur so lange intakt, bis man den Nazgul-Schrei des Säuglings hört und die erste volle Windel riecht. Und auch, wenn man sich dann freut, doch nicht gleich ohne Verhütung in die Kiste gehüpft zu sein, hat man das Gefühl, über das Wohl dieses Kindes mitsprechen zu können. Man ernennt sich selber zu einem Experten, weil man ja irgendwann schon irgendwas über Erziehung gelesen hat.

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Solche Amateure sind der absolute Alptraum eines jeden frischgebackenen Elternpaares. Und vor allem für die Mütter ist es am Anfang schwer, ruhig zu bleiben, wenn sich jemand zu einmischen versucht. Daran ist der Hormoncocktail schuld, der den Mutterinstinkt so sehr anstachelt, dass man das Baby am liebsten nie wieder aus der Hand geben möchte.

Eine meiner besten Freundinnen macht nicht nur ein anständiges Studium—nein, nicht Publizistik—, sondern hat auch schon zwei kleine Kinder. Sie hat mir beigebracht, wie schlimm der Mutterinstinkt wirklich ist, wie man ruhig bleibt, wenn das Baby schreit und wie man seinen Kindern mit Respekt begegnet. Kurz gesagt: Sie und ihr Freund sind meine absoluten Helden. Wenn sie Professor Dumbledore sind, dann bin ich Hermine Granger. Und da ich später meine Kinder wahrscheinlich genauso erziehen werde, will ich auch mal etwas Gutes für die beiden tun. Hier habe ich die klischeehaftesten und lamesten Sätze gesammelt, die mein Power-Couple am liebsten nie wieder hören würde. Also tut den Eltern dieser Welt einen Gefallen und löscht diese Kommentare aus eurem Wortschatz.

„Bist du nicht zu jung/ zu alt um ein Kind zu haben?"

Foto: mliu92 | Flickr | CC BY-SA 2.0

Die einzige richtige Antwort, die es auf diese Frage gibt, ist: „Seit ich 18 bin, bin ich eigentlich für gar nichts mehr zu jung!" Jetzt mal ehrlich, wenn man sich nach den allgemeinen gesellschaftlichen Werten richten würde, dürfte man wohl nur in einem Zeitfenster von 26 bis 35 Jahren Kinder bekommen. Sind Frauen jünger als 25, oder schauen zumindest so aus, laufen sie Gefahr, entweder für eine Teilnehmerin von Teenager werden Mütter oder für eine religiöse Fanatikerin gehalten zu werden. Ist man aber merklich älter als 35, kommt man gleich auf das Cover der Ganzen Woche und wird als „65-jährige Frau, schwanger mit Vierlingen und 13-fache Mutter" tituliert. Oder man ist die bemitleidenswerte Karrierefrau, für die das Einfrieren der Eizellen überhaupt erst erfunden wurde. In beiden Fällen möchte man sich am liebsten die Kugel geben, wenn einem so etwas an den Kopf geworfen wird.

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„Kriegt das Kind genug Kekse? Das arme Baby braucht Zucker."

Foto: Ayca Wilson | Flickr | CC BY 2.0

Die einzige Situation, in der dieser Satz angebracht ist, ist bei einer lausigen Hinterhof-Theaterversion von Rotkäppchen. Ansonsten sollte man eine Säuglingsmutter nie auf die Ernährung ihres Kindes ansprechen, denn das fällt in den heiligen Bereich der Baby-Privatsphäre. Du bist, was du isst und natürlich möchten Mütter nicht einfach so als über- oder unfürsorglich abgestempelt werden. Vor allem nicht von fremden Leuten im Park, die gleich ein Keksi parat haben, das sie dem Säugling gerne zustecken möchten. Solche Menschen sind wohl die Manifestation eines Candyman, der es satt hat, zu morden und stattdessen Kinder mit Karies terrorisiert. Wenn du die Mutter persönlich kennst und keine creepy Parkperson bist, dann solltest du zumindest nett fragen, ob du dem Kind etwas geben darfst—und auch ein Nein akzeptieren, ohne die Erziehungsmethoden in Frage zu stellen.

„Lass es schreien. Es will dich mit dem Geplärre nur manipulieren."

Foto: Harald Groven | Flickr | CC BY-SA 2.0

In den 1950er-Jahren gab es da so eine Erziehungsbibel, von der wahrscheinlich alle damaligen Mütter gehört haben. Ein Kinderarzt namens Benjamin Spock hat sich eingebildet, dass man das Aufwachsen von Menschenkindern eins zu eins mit dem Leben eines Kälbchens vergleichen kann. Den ganzen Tag an der frischen Luft zu verbringen und dabei nur zu bestimmten Zeiten gefüttert zu werden, war für ihn das Ideal einer jeden Erziehung. Was sich jetzt nach einem emotional unterkühlten Ratgeber anhört, der genauso gut vom anderen Mr. Spock—also dem aus Star Trek—hätte geschrieben werden können, war damals total ernst gemeint. Für viele Mütter schien es nach diesem „wissenschaftlichen" Urteil nur logisch, dass man alles tut, um dem manipulativen kleinen Teufel, den man in seinem Ofen neun Monate gebacken hat, nicht zu verfallen. Dafür stellten sie das Kinderbett einfach stundenlang in den Garten, um dem Baby Frischluft zu garantieren. Wer also als Erwachsener immer noch am liebsten im Freien schläft, weiß nun, woher das kommt. Ihr könnt euch vielleicht schon denken, dass solche Erziehungsmethoden heute nicht mehr ganz OK sind.

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„Lass das Kind um keinen Preis schreien. Du machst es sonst zum emotionalen Krüppel."

Foto: Noel Pennington | Flickr | CC BY 2.0

Bei Erziehungstipps ist es nicht gerade selten, dass man total gegensätzliche Meinungen zu hören bekommt. Meistens haben auch beide Seiten ihre guten Argumente dafür, warum genau sie das Rad neu erfunden haben—und die andere Seite quadratischen Bullshit redet. Als Elternteil ist man nicht nur hin und her gerissen, welcher Ideologie man folgen soll, sondern auch, wie man das Ganze dann in der Praxis umsetzen soll. Eine Freundin wollte sich eigentlich an die „Nein-zum-Schreien"-Seite halten, aber irgendwie konnte ihr niemand erklären, wie lange das Kind weinen darf, bevor es für immer zum Psychopathen wird. Was, wenn man aufs Klo muss? Entscheidet man sich dann für das heulende Kind, oder für eine vollgepinkelte Hose? Solche Fragen, die eigentlich komplett logisch erscheinen, stressen Mütter nach der Geburt fast zu Tode. Von dem Umstand, zwei oder mehr kleine Kinder auf einmal im Haus zu haben, wollen wir in diesem Fall mal gar nicht sprechen. Macht es mit euren unseriösen Meinungen nicht noch schlimmer.

„Dein Kind ist krank, warum bist du nicht zum Arzt gegangen?"

Foto: Christiaan Tiebert | Flickr | CC BY 2.0

Junge Eltern schockt nichts mehr, als wenn das zerbrechliche Baby zum ersten Mal krank wird. Und natürlich wird dann auch der Arzt aufgesucht. Schließlich sind die meisten Menschen vernünftiger, als man denkt. Meistens wird man dann recht schnell vom Doktor des Vertrauens beruhigt. In einer idealen Welt würden die Eltern nach so einem Arztbesuch auch glücklich nachhause gehen und sich auf das Auskurieren konzentrieren. Wäre da nicht das Baby, das natürlich immer noch krank aussieht und so zur Zielscheibe für mitleidige Blicke und Kommentare wird. Denn selbst, wenn die Eltern längst wissen, dass eine kleine Erkältung nicht so schlimm ist, glauben Außenstehende, sie müssten Wunderheiler und Patch Adams gleichzeitig spielen. Und so geht der Kreislauf des Sich-stressens und des Gestresst-seins immer weiter.

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„Du hast dir doch ausgesucht, Mutter zu sein. Warum bist du nicht glücklich?"

Foto: Rolands Lakis | Flickr | CC BY 2.0

Ok, es reicht. Dieser Satz ist einfach nur ziemlich gemein. Stellt euch mal vor, ihr würdet so angemotzt werden, weil ihr euch über euer Studium aufregt oder euch über eure Freunde beschwert. Ja, das hat man sich auch alles ausgesucht, aber das heißt in den meisten Fällen noch lange nicht, dass man sich komplett damit zufriedengeben muss. Junge Eltern müssen anscheinend selbst dann megahappy durch die Welt laufen, wenn sie nur zwei Stunden geschlafen haben, das Baby krank ist und der Job ihnen gerade die Nervenenden zersetzt. Wer das von einem Elternteil erwartet und selber über Kinkerlitzchen wie Freunde und Studium jammert, der soll sich nicht wundern, wenn einen die Person plötzlich mit einem Shining-mäßigen Grinsen im Gesicht anfällt. Es ist OK, sich über sein eigenes Leben zu beschweren, mit oder ohne Kinder. Auch wenn man anderen damit manchmal auf die Nerven geht.

Anne-Marie auf Twitter: @Viennesecat