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Die Do it Well and Leave Something Witchy Issue

Der Bürgerkrieg in Syrien hält Liebende auf Abstand

Hochzeiten zwischen Exil-Syrern in Israel und Syrern werden unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen gefeiert.
Fotos von Andrea & Magda/ICRC

In der Gebirgsstadt Madschdal Schams in Israel wartet der Bräutigam Asad Khlone auf seine zukünftige Frau. Sie lebt im kriegsgebeutelten Syrien-einem Erzfeind Israels, der nun auch noch voller islamistischer Terroristen ist-und Khlone braucht eine Sondergenehmigung der israelischen Regierung, um seine Braut über die Landesschwelle tragen zu dürfen. Als einziger Sohn seiner betagten Eltern sieht sich Khlone außer Stande, sein Zuhause zu verlassen, und wegen der gut 76 Kilometer langen, unüberwindbaren Grenze haben die Liebenden sich nun schon seit sieben Jahren nicht mehr gesehen.

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„Ich bin eigentlich nicht der geduldige Typ", sagt Khlone, ein stämmiger Bauarbeiter mit einer dicken, schwarz gerahmten Brille. Aus seiner Brieftasche zieht er ein Foto seiner Braut-eine klassische rothaarige Schönheit. Auch wenn es keiner ausspricht-für diese Frau lohnt sich das Warten.

Auf den Golanhöhen kommen recht häufig Ehen auf Distanz zwischen Syrern, die in Israel leben, und solchen, die noch im Mutterland sind, vor. Die Bergkette gehörte zu Syrien, bis israelische Truppen sie 1967 im Sechs-Tage-Krieg annektierten. Obwohl das Territorium nahezu ein halbes Jahrhundert besetzt war, haben einige immer noch die Hoffnung, dass es irgendwann an Syrien zurückgegeben wird. So werden arrangierte Ehen und der Grenze trotzende Jugendlieben durchaus als Mittel betrachtet, die Verbindung aufrechtzuerhalten. (Khlone und seine Verlobte sind in der Tat Großcousins, deren Familien einst voneinander getrennt wurden.)

Doch zum ersten Mal, seit Israel und Syrien sich vor 47 Jahren auf einen Waffenstillstand einigten, kommt es an der Grenze, die die Bräute beider Länder überqueren, nun wieder vermehrt zu Kriegshandlungen. Nur wenige Kilometer von dem Grenzübergang in Quneitra entfernt, wo Bräute in weißen Kleidern die staubigen, mit Stacheldraht verbarrikadierten Grenzposten passieren, gehen Mörsergranaten und Artilleriefeuer hin und her.

Laut eines Mitarbeites des Internationalen Roten Kreuzes haben seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1991 jährlich mindestens drei Bräute die Grenze überquert, seither also etwa 88 syrische Bräute, obwohl Anwohner eher von 300 ausgehen. Seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs vor drei Jahren ist die Anzahl der Hochzeitsüberquerungen jedoch um 60 Prozent zurückgegangen.

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Wir fahren ein paar Kilometer auf einer schmalen Straße, die sich durch Betonhäuserschluchten windet, um Hanan Fkeralden zu treffen. Die 38-Jährige mit dem blond gesträhnten Haar und dem pinken T-Shirt kam 1998 mit sieben anderen Bräuten über die Grenze. Seitdem sind ihre Eltern in Syrien gestorben, und ihr Neffe wurde gekidnapped. „Das ist ein furchtbares Gefühl", sagt sie uns in der Wäscherei, die sie in Madschdal Schams betreibt.

Fkerladen durfte nicht zur Bestattung ihrer Mutter zurück in ihr Land reisen, mit ihrer Schwester kommuniziert sie aber täglich über ein Handy, das ununterbrochen Benachrichtigungstöne für SMS, Skype-Anrufe, Viber, WhatsApp und Tango von sich gibt.

„Ich liebe meinen Mann sehr und kannte die Konsequenzen, bevor ich hierherkam", erzählt sie mir. Mit sieben sah Fkerladen im Fernsehen zum ersten Mal, wie eine Braut die Grenze passierte. In ihrem jugendlichen Leichtsinn dachte sie, für die jungen Frauen sei das ein Abenteuer, eine aufregende Reise. Ihre Mutter verpasste ihr daraufhin eine Ohrfeige und sagte: „Du gehst nirgendwohin", erzählt Fkerladen, lachend über die ferne Erinnerung.

Bei Khlone wird es wahrscheinlich noch viele Jahre dauern, bevor er über die Prüfungen, die er derzeit bestehen muss, lachen kann. Seit einem Jahr und acht Monaten müht er sich mit einem Einwanderungsverfahren ab, das andere unglückselige Liebespaare längst veranlasst hätte, sich zu trennen oder aber gemeinsam in ein anderes Land zu gehen. Er sagt, er habe den israelischen Einwanderungsbehörden nicht weniger als 50 Dokumente geliefert, die seine Beziehung zu seiner Verlobten im Detail schildern. Letztes Jahr heuerte er jemanden „mit Verbindungen" an, der ihm helfen sollte, den Papierkram zu erledigen-eine Strategie, von der sich so mancher Bräutigam eine Beschleunigung des Verfahrens verspricht. Ein paar Monate später berichtete Khlones Kontaktmann, der Antrag sei erfolgreich gewesen und seine Braut dürfe im Februar die Grenze passieren. Auf der syrischen Seite schmiss die Braut eine Abschiedsparty für all ihre Freunde und die Familie. Khlone fuhr zur Grenze und brachte Essen und Süßigkeiten mit für die Gäste, die sich auf dem Niemandsland zwischen Israel und Syrien versammelt hatten. Als er gerade seinen Festanzug anziehen wollte, teilten die Behörden ihm mit, der Grenzübertritt sei gar nicht genehmigt worden.

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Der Mittelsmann hatte die Papiere überhaupt nicht geschickt. Es war alles ein großer Schwindel.

„Das hatten wir wirklich nicht erwartet", sagt Khlone. „Wir waren kurz davor, und dann war alles auf einmal … gar nicht wahr."

Während ich seiner Geschichte lausche, fällt mir unweigerlich der Diana-Ross-Song „Ain't no mountain high enough" ein, in der ursprünglichen Aufnahme von Marvin Gaye und Tammi Terrell, der aus demselben Jahr stammt, in dem diese Bastion des syrischen Stolzes von ihrem Mutterland abgeschnitten wurde. Ich spiele Khlone den Song vor und übersetze ihm den Text. Er hat noch nie von Diana Ross gehört, aber die Botschaft kommt sofort an.

„Das ist so wahr", sagt er. „Ich meine, für mich ist das die Realität."

Khlone gibt zwar zu bedenken, dass er doch eher Celine-Dion-Fan sei, verspricht aber zu versuchen, den Song auf seiner Hochzeits-CD unterzubringen.