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Ein Best-of der nächtlichen FPÖ-Widerrufe

Ewald Stadler ist nicht schwul, Alexander Pollak von SOS Mitmensch gehört keinen gewalttätigen Kreisen an und die SPÖ Wien hat keine Gewalttäter aus dem deutschsprachigen Raum eingeladen.

Es gibt christlichere Zeiten, um politische Inhalte zu kommunizieren, als Montags, kurz vor Mitternacht. Doch plötzlich flattert da, um exakt 23:50 Uhr, eine Aussendung der FPÖ Wien durch die Adventsnacht in Richtung Nachrichtenagentur. Titel und Inhalt erklären dann auch, wieso das wohl so spät passiert: "Widerruf", steht da.

Die Partei muss ihre Aussagen der letzten Monate über die SPÖ-Politikerin Sonja Wehsely zurücknehmen und für "unwahr" erklären. Die FPÖ hatte der Wiener Sozialstadträtin unter anderem öffentlich vorgeworfen, Angaben nicht-österreichischer Mindestsicherungsbeziehern nicht zu prüfen. Wehsely hatte erfolgreich dagegen geklagt.

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Der nachtschwärmenden Twitter-Bubble entging dieses Schuldeingeständis jedenfalls nicht, noch weniger die taktisch gewählte Uhrzeit. Es folgen etliche witzelnde Kommentare, unzählige Retweets und Shares, sowie tausende Klicks und Folgemeldungen, die sich die Partei Montagnacht wohl eher nicht erträumt hatte.

Alles schläft, einsam wacht,… oh wie lacht… die FPÖ versendet ihren Widerruf kurz vor Mitternacht…— cariklaus (@KlausSchwertner)13. Dezember 2016

Ich finde 23h50 ja eine ungeschickte Zeit für einen Widerruf. Da könnte ihn noch wer sehen. 3h00 früh wäre ideal.— Armin Wolf (@ArminWolf)13. Dezember 2016

Dienstags um 8:45 Uhr früh soll die Aussendung dann laut der Tageszeitung Heute sogar auf Platz 1 des österreichischen Social Media Rankings rangiert haben.

Öffentlich zugeben zu müssen, dass man gelogen hat, ist natürlich keine angenehme Sache. Doch manchmal muss man es tun. Vor allem, wenn ein Gericht es so sagt. Die FPÖ musste das übrigens—bei einem Blick auf die OTS-Aussendungen der letzten Jahre—weit öfter tun als alle anderen Parteien.

Einmal ging es da um die vierte Strophe der Kärntner Landeshymne, die die "kärntnerfeindliche SPÖ" nicht abschaffen will, dann darum, dass Ewald Stadler nicht schwul ist, oder Alexander Pollak von SOS Mitmensch keinen gewalttätigen Kreisen angehört.

Und auch der Zeitpunkt war bei so gut wie all diesen Aussendungen wohl taktisch überlegt—nämlich nach Redaktionsschluss der meisten Medien.

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Wir haben die FPÖ-Widerrufe der letzten zehn Jahre hier nun zusammengefasst, falls ihr sie vielleicht verschlafen habt.

24.1. 2005 - 21:05 Uhr:

"In einer OTS-Aussendung des FPÖ-Landtagsklubs vom 11. Oktober 2002 mit dem Titel 'SPÖ-Vorstand beschließt, vierte Strophe des Kärntner Heimatliedes zu streichen' haben der Kärntner FP-Landtagsklub und Landesparteiobmann Strutz behauptet,

der SPÖ-Parteivorstand habe mehrheitlich beschlossen, parlamentarische und politische Initiativen zu setzen, damit die vierte Strophe des Kärntner Heimatliedes gestrichen wird und zukünftig bei offiziellen Anlässen nicht mehr gesungen werden kann;

die SPÖ Kärnten habe damit einen kärntenfeindlichen Akt und Affront gesetzt und Kärntenfeindlichkeit offenbar zu ihrem Programm erhoben.

Der FPÖ-Landtagsklub und Landesparteiobmann Martin Strutz widerrufen hiermit öffentlich gegenüber den Empfängern der genannten OTS-Aussendung sowie gegenüber den Lesern des Artikels 'Kärntner Heimatlied: Nun Streit um die vierte Strophe' auf Seite 12 der 'Kleinen Zeitung' vom 12. Oktober 2002 diese Behauptungen als unwahr;

Dr. Martin Strutz,
Klub der Freiheitlichen Abgeordneten zum Kärntner Landtag"

28.7. 2007 - 22:00 Uhr:

"Wir haben in der OTS-Aussendung OTS 0044 5 0295 FPK 0001 vom 17.1.2007 mit der Überschrift 'FP-Klement: Jörg Haider hat Kärnten belogen'

die Behauptung aufgestellt und verbreitet, Dr. Jörg Haider hätte Kärnten belogen und seine Versprechen gebrochen.

Wir widerrufen diese Behauptung als unwahr.

Dipl.-Ing. Karlheinz Klement
Freiheitliche Partei Österreich (FPÖ), Landesgruppe Kärnten"

26.11. 2010 - 21:00 Uhr:

"Wir haben im August 2008 die unwahren Behauptungen verbreitet,

Mag. Ewald Stadler wäre homosexuell und wäre trotz seiner eigenen Homosexualität übertrieben gegen Homosexualität aufgetreten,
'um seine Nähe zu Haider zu vertuschen'.

Wir widerrufen hiermit diese Behauptung.

Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) - 'Die Freiheitlichen' Harald Vilimsky"

4.12. 2011 - 00:35 Uhr:

"Durch die APA-OTS-Meldung vom 21.6.2011 durch den Aussender Freiheitlicher Klub im Niederösterreichischen Landtag wurden Herr Abgeordneter zum Nationalrat Otto Pendl, Obmann der GEBÖS Gemeinnützige Baugenossenschaft Österreichischer Siedler und Mieter, reg. Genossenschaft m. b. H, sowie der Vorstand und die Verantwortlichen dieser Genossenschaft zu Unrecht verdächtigt, durch Veranlassung des Verbaus bleihältiger Wasserrohre in der Wohnanlage der GEBÖS in Schwechat, Brauhausstraße 16, aus hemmungsloser Profitgier die Gesundheit hunderter Menschen gefährdet zu haben.

Diese Verdächtigung wird mit dem Ausdruck des Bedauerns durch den Klubobmann des Klubs der FPÖ im NÖ Landtag, Gottfried Waldhäusl, und die FPÖNiederösterreich zurückgenommen.

Freiheitlicher Klub im NÖ Landtag"

1.1. 2014 - 18:15 Uhr:

"Wir haben in einer APA-OTS-Aussendung behauptet,

dass die Sozialdemokratische Partei Österreichs - Landesorganisation Wien linke Gewalttäter aus dem gesamten deutschsprachigen Raum eingeladen habe, während des WKR-Balls zu randalieren. Diese Behauptung widerrufen wir hiemit als unwahr.

BR Hans-Jörg Jenewein
Freiheitliche Partei Österreichs, Landesgruppe Wien"

31.1. 2014 - 20:04 Uhr:

"Wir haben in einer Aussendung vom 17.09.2012 behauptet, beim Spielcasino des Christian Bodizs sei die Insolvenz wegen fehlender Masse gescheitert.

Diese Behauptung wird hiermit widerrufen.
Freiheitliche Pressestelle"

12.8. 2014 - 19:47 Uhr:

"Wir haben - bezogen auf die SPÖ Sozialdemokratische Partei Österreichs, Landesorganisation Wien - in einer APA-OTS-Aussendung unter anderem folgendes behauptet:

"Aber die Häupl-Truppe und ihr dubioser Geschäftspartner, ein mutmaßlicher Mörder, scheinen so viel Dreck am Stecken zu haben, dass sie knapp vor der Nationalratswahl lieber den demokratischen Grundkonsens dieser Republik aufkündigen als ihre Verantwortung für diesen Kriminalfall einzugestehen"

und die SPÖ Wien sei Bestandteil einer"offenbar tief in mafiöse Machenschaften verstrickte rot-grüne Partie", die "Herrschaften (sollten) für ihre mutmaßlich schwerstkriminellen Taten - darunter vermutlich Grundstücksspekulation zu Lasten der Bürger, Beteiligung an oder gar Bildung einer mafiösen Vereinigung, Untreue und Unterschlagung - vor oder nach der Nationalratswahl hinter schwedische Gardinen wandern".

Diese Behauptungen widerrufen wir hiermit als unwahr.
Heinz-Christian Strache"

4.2. 2015 - 20:17 Uhr:

"Ich habe im März 2012 die Behauptung verbreitet, Alexander Pollak gehöre potentiell gewalttätigen Kreisen an.Ich widerrufe diese Behauptung hiermit als unwahr.

Hans-Jörg Jenewein"

10.4. 2015 - 21:05 Uhr:

"Wir haben in der APA-OTS-Aussendung vom 12. 2. 2013 behauptet, die Sozialistische Jugend rufe zum Mord auf.

Diese Behauptung wird nunmehr als unwahr widerrufen."

2.11. 2016 - 21:10 Uhr:

"Der Freiheitliche Landtagsklub und KO Mag. Christian Leyroutz verpflichten sich gegenüber den klagenden Parteien ÖGB sowie Mag. Clemens Schneider,

es ab sofort zu unterlassen, die Behauptung 'die Kläger seien eindeutig betrügerisch vorgegangen, indem der Sachwert der Seen durch die Gutachter des ÖGB doppelt so hoch angegeben wurden, als tatsächlich zulässig' und/oder sinngleiche Behauptungen zu verbreiten."

Und last, but not least:

12.12. 2016 - 23:50 Uhr:

"Wir widerrufen die Behauptungen, Mag. Sonja Wehsely,

habe den Beamten der MA 40 die rechtswidrigen Weisungen erteilt,- alle Mindestsicherungsanträge der neu zugezogenen Ausländer positiv zu erledigen und dabei keine Fragen zu stellen;

- von den Mindestsicherungsantragstellern ebenso wie von Antragstellern auf Begleichung von hohen Mietrückständen oder auf eine Einrichtungspauschale keine entsprechenden Belege zu verlangen, obwohl dies rechtlich vorgeschrieben wäre;
- nicht zu überprüfen, ob die Angaben der nicht-österreichischen Mindestsicherungs-Empfänger stimmen;
- nicht zu überprüfen, ob die vorgelegten Dokumente echt sind; - keinesfalls die Polizei zu rufen, wenn ihnen auffällt, dass gefälschte Dokumente vorgelegt werden;
als unwahr.

Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), Landesgruppe Wien"

Thomas auf Twitter: @t_moonshine