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Interviews

Ein Interview mit Oberst Johann Golob

Heute haben wir gleich zwei mal dasselbe Interview mit Oberst Johann Golob, dem Leiter der Pressestelle der Polizeidirektion Wien geführt.

Oberst Golob wollte nicht, dass wir ein Foto von ihm verwenden, also haben wir einen Typen von der Demo an den Anfang dieses Artikels gestellt. Alle Fotos von VICE.

Heute haben wir zwei Mal dasselbe Interview mit Oberst Johann Golob, dem Leiter der Pressestelle der Polizeidirektion Wien geführt. Einmal hat sich Zoran Sergievski per Telefon mit ihm unterhalten und uns dann die Mitschrift geschickt. Weil wir mittlerweile fast so skeptisch wie die Montagsdemonstranten auf alle möglichen Informationen reagieren, haben wir Herrn Golob angerufen und zur Sicherheit noch einmal nachgefragt, ob sich das Gespräch tatsächlich so zugetragen hat. Wir sind eine halbe Stunde am Telefon festgehangen, weil der Oberst mit uns das Interview Wort für Wort durchgegangen ist—ohne etwas zu ändern. Trotz vieler inhaltlicher Differenzen haben wir uns noch nie so freundlich mit einem Cop unterhalten. Jetzt wünschten wir uns, dass alle Polizisten so wären wie Johann Golob, weil er ein besonnener Mann ist, der in klassischer Wiener-Art am liebsten jeden Konflikt bei einem Spritzer lösen möchte. Zumindest hat er uns diesen Eindruck vermittelt. Leider schaut die Realität anders aus und es scheint bei der Polizei einige Typen zu geben, für die Deeskalation ein Fremdwort ist. Wir hoffen, dass diese schwarzen Schafe bald aus dem Verkehr gezogen werden. Johann, wir verlassen uns auf dich!

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Bei jeder Demo macht es Sinn, die Rechtshilfenummer parat zu haben. Viele schreiben sie sich deshalb auf den Unterarm.

VICE: Herr Oberst, von der Antifa-Demonstration am Wochenende gibt es Fotos polizeilicher Reizgaseinsätze gegen Personen, die sich kniend die Augen auswaschen. Warum kam es so weit?
Oberst Johann Golob: Wenn Pfefferspray verwendet wird, dann ist das ein Waffengebrauch im Sinne des Waffengebrauchsgesetzes. Bei einzelnen Verwendungen dieses Pfeffersprays von einzelnen Kollegen und Kolleginnen ist das auch zu begründen und zu rechtfertigen. Es kommt immer auf den Einzelsachverhalt an. Wenn ein Polizeibeamter sich entscheidet, Pfefferspray einzusetzen, zum Beispiel, um sich zu verteidigen oder um das Recht, dass die Polizei ja zu vollziehen hat, durchzusetzen, dann muss er das auch begründen können.

Das ist nachvollziehbar. Augenzeugen berichten aber, dass die Ausschreitungen beim Museumsplatz von Polizisten provoziert wurden und erst dann Steine flogen.
Schauen Sie, es kann ja jeder behaupten, was er will. Es ist nur so, dass wir, wenn es Vorwürfe gibt, diesen nachgehen, Sachverhalte klären und dann rechtsstaatlich entsprechend auch weiterleiten an die Staatsanwaltschaft, an unabhängige Behörden, die das polizeiliche Verhalten beurteilen. So ist das in einem Rechtsstaat.

Wer ist verantwortlich für das Fehlverhalten eines Wiener Polizisten?
Für das Verhalten des einzelnen Beamten ist der Beamte selbst verantwortlich.

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Wie kann ich den Beamten zur Verantwortung ziehen, sollte ich Fehlverhalten feststellen und wie am Wochenende dokumentieren können?
Jede Amtshandlung, die ein Beamter macht, muss dokumentiert werden. Das wird ja alles verschriftlicht. Jeder Waffengebrauch wird auch verschriftlicht, damit das eben nachzuvollziehen ist. Gerade, wenn konkrete Beschwerden einlangen, wird das der jeweiligen Amtshandlung zugeordnet.

„Wiener Polizisten schützen die Faschisten!"—Ja, aber das ist nun mal einfach ihr Job.

Apropos Nachvollziehbarkeit: Es ist doch auch in Ihrem Interesse, womöglich kriminell agierende Kollegen aus dem Verkehr zu ziehen. Wäre es daher nicht sinnvoll, die Dienstnummer sichtbar an der Einsatzkleidung zu tragen?
Das ist eine politische Forderung, die können wir nicht kommentieren. Aber ich möchte Sie darauf hinweisen, dass bei der Richtlinienverordnung der Sicherheitspolizei die Bekanntgabe der Nummern speziell geregelt ist und aber auch gleichzeitig die Beamten zur Dokumentation ihres Handelns verpflichtet sind.

Das VICE Video belegt, wie Identitäre einem offenbar ranghohen Polizisten, vermutlich dem Einsatzleiter, trotz seiner Sicherheitsbedenken einige Minuten für die Abschlusskundgebung abpressen. Hat der Beamte über das Versammlungsgesetz hinaus mit Rechten paktiert?
Nun, es war eine angemeldete Versammlung von den Identitären. Die Versammlungsroute hätte gehen sollen vom Christian-Broda-Platz über die Mariahilfer Straße zum Volkstheater. Das war nicht möglich. Nach Rücksprache mit dem Veranstalter wurde die Route geändert, weil die Gegendemonstration diese rechtmäßig angemeldete Route blockiert hat. Wir sind dann relativ großräumig über die Burggasse ausgewichen und plötzlich sind Gruppen der Gegendemonstration Richtung Burggasse gelaufen. Um dann - es ist ja alles in Bild und Wort dokumentiert – massiv zu stören, zu blockieren, und dann unten im Bereich des Volkstheaters kam es zu massivsten Angriffen gegenüber Polizeibeamten, es wurde mit Holzprügeln eingeschlagen, es wurde mit einer Steinschleuder geschossen, es wurden Pflastersteine, Steine hineingeworfen, es gab verletzte Polizeibeamte und dieser Gewalt muss man sich entgegenstellen. Und schließlich war die Abschlusskundgebung der angemeldeten Versammlung der Identitären im Bereich des Volkstheaters geplant.

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Wenn ich mich des Polizeiberichts recht entsinne, hieß es dort, es wurde eine Steinschleuder beschlagnahmt und es gab einen verletzten Polizisten – im Gegensatz zu fünf schwerverletzten Frauen auf der Gegenseite.
Ja, es wurde mit verschiedensten Mitteln gegen die Polizei vorgegangen, das haben Sie ja sehen müssen.

Dem widerspricht auch niemand.
Das ist ja alles dokumentiert. Es wurde eine Steinschleuder sichergestellt mit Stahlschrauben. Und wissen Sie, was passiert, mit so einer Stahlschraube, wenn wir nicht diese Schutzkleidung anhätten? Wenn Sie die Zeitung aufgeschlagen hätten, hätten Sie gesehen, dass diese Steinschleuder offensichtlich verwendet wurde.

Natürlich, die eine Steinschleuder, und im Verhältnis dazu stehen …
Es ist Faktum, dass massiv Gewalt angewendet wurde. Und ich glaube, Ihnen eines sagen zu dürfen darüber hinaus, zur sachlichen Situation: Ich glaube, dass man unterschiedliche Meinungen und Konfliktsituationen in einer Demokratie mit Argumenten austragen sollte und nicht mit Gewalt.

„Faschisten" trifft oft den Kern der Sache nicht ganz. Manche würden vielleicht „Nazi-Dummbeutel“ sagen, aber sicher nicht wir, weil das möglicherweise klagbar ist. Ludwig Reinthaler, der hier mit den Identitären mitmarschiert, ist zumindest so weit rechts außen, dass seine Bürgerliste „Die Bunten" nicht zur Wahl zugelassen wurde. Das schafft nicht einmal die deutsche NPD.

Da sind wir wieder bei politischen Fragen, die Sie ja umgehen wollten. Aber lassen wir das. Sie haben auch die Dokumentation angesprochen. Am Dienstag sind zwei Fotos aufgetaucht, die eine interessante Optik ergeben: auf dem ersten tragen Polizisten offensichtlich ein Transparent der „Offensive gegen Rechts“ fort. Stunden später posieren Identitäre mit diesem Transparent. Woher haben die das?
Schauen Sie, was ist für ein Sachverhalt dahinter?

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Es wurde ein Transparent der „Offensive gegen Rechts“ …
Ja, es wurde, es wurde, es wurde! Schauen'S, bei so einem Polizeieinsatz, wo so viele Menschen sind, so viele einzelne Sachverhalte sind, gibt es natürlich verschiedenste Berichte und Vorwürfe, die müssen alle geklärt werden. Ich kann das jetzt am Telefon nicht beurteilen. Alles, was im Verdacht steht, nicht im Sinn der Rechtsordnung zu sein, muss von der Polizei dokumentiert und auch zur Anzeige gebracht werden. Über Recht und Unrecht entscheiden Gerichte. Wenn es im verwaltungsrechtlichen Sinn ist, geht es zur Verwaltungsbehörde, wenn es im strafrechtlichen Sinn ist, geht es zu den Gerichten. Das kann ich dazu sagen.

Ich wiederhole meine Frage, vielleicht war sie zu unklar …
Schauen Sie, Sie brauchen das gar nicht alles wiederholen. Wir sind mit Vorwürfen konfrontiert, wenngleich die Gewalt eindeutig von der Gegendemonstration ausgegangen ist. Aber es ist ja völlig klar, dass wir in unserem Rechtsstaat diesen Vorwürfen nachgehen werden.

Herr Oberst, es geht überhaupt nicht um die Gewaltfrage, die haben Sie schon anfangs beantwortet.
Wissen Sie, Sie können mir noch 10 oder 20 Einzelbeispiele erzählen. Ich kann Ihnen nur sagen, sollte etwas sein, dann wird dem Sachverhalt nachgegangen und der weiteren Beurteilung zugeführt.

Herr Oberst, es geht in dieser Frage nicht um Gewalt, sondern um die einfache Frage …
Was heißt einfache Frage? Ich kann diese Situation aus der Hüfte nicht beurteilen, wenn Sie sagen, es wurde ein Transparent dort gesehen oder dort gesehen. Wenn Ihnen etwas unklar vorkommt, dann setzen Sie ein Schreiben auf und schicken es an die Landespolizeidirektion Wien zur Prüfung.

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Kommen wir zur nächsten Frage. Es geht um die Frau in der Josefstädter Straße, die behauptete, schwanger zu sein. Zum Zeitpunkt der Amtshandlung wussten Ihre Kollegen nichts von der vermeintlichen Lüge. Was sagt das über Exekutivbeamte aus, wenn sie eine potenziell Schwangere derart angehen?
Schauen Sie, was uns dokumentiert ist, ist folgendes: im Rahmen der vorläufigen Festnahmen von Personen in einem Geschäftslokal in der Josefstädter Straße, wo Sachbeschädigungen begangen wurden …

ein paar Parfümflakons, ja …
(lauter) … hat eine Frau gegenüber Polizeibeamten angegeben, sie wäre schwanger und hätte Schmerzen im Unterleib. Die Polizeibeamten, die dort gewesen sind, haben den Rettungsdienst verständigt aufgrund dieser Aussage und die Frau wurde sofort in ein Krankenhaus verbracht und das—weil sie vorläufig festgenommen wurde—unter Polizeibegleitung. Die Frau wurde in das Spital gebracht und auf freiem Fuß angezeigt. Also, die Beamten haben das ausdrücklich wahrgenommen, was die Frau gesagt hat und haben darauf reagiert. Wie sie angegeben hat, sie habe Schmerzen und sei schwanger, wurde der Rettungsdienst verständigt. Also das ist eine völlig schlüssige Sache.

Dann meine letzte Frage: für Donnerstag ist eine Demonstration gegen Polizeibrutalität angemeldet. Rechnen Sie dort mit Gewalt?
Na ich hoffe nicht. Das Versammlungsrecht bitte, das ist so ein hohes Gut. Das geht ja vom Recht der Meinungsfreiheit aus. Und ich sagte ja schon, man soll Konflikte, wenn welche bestehen, mit Argumenten austragen und nicht mit Gewalt. Ja, und es ist zu hoffen: Nicht. Aber ich kann ja bitte nicht beurteilen, ob der oder der Demonstrant friedlich das macht oder Gewalt anwendet. Schauen Sie, bei diesen Demonstrationen am Samstag war das leider nicht der Fall. Die sichergestellten Sachen, die wir vorgefunden haben: wieso haben die Demonstranten diese Gegenstände mitgenommen? Um friedlich zu demonstrieren? Das ist ja bitte ein Beweis, dass man schon mit gefährlichen, waffenähnlichen Gegenständen zu der Demonstration gegangen ist und sie auch angewendet hat.

Das waren auch wieder sehr viele Einzelfälle, und da gehen die Meinungen—wie Sie sagen—auseinander.
Jo, aber es liegt in der Natur der Sache, dass man unterschiedliche Zugänge hat. Konflikte gehören ausdiskutiert und nicht mit Gewalt gelöst.

Vielen Dank für das Gespräch.