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Sex

Eine Frau massierte meine Vagina bei einer Tantra-Session

Werde ich weniger verklemmt, wenn sie meine "energetischen Knoten" durch eine Vagina-Massage lösen?
Einer Frau werden die Beine massiert, wie es auch bei der Vorbereitung auf eine Vagina Massage stattfindet

Das sind nicht die Beine der Autorin, sondern eine Massage in Indien | Foto: imago | Indiapicture

Nicola umarmt mich zur Begrüßung, obwohl wir uns nicht kennen, sondern nur kurz telefoniert hatten. Anderseits: In wenigen Minuten werden wir beide nackt sein, in den nächsten zwei Stunden wird sie mir zwischen die Beine fassen. Für die Tantramassage bin ich in eine kleine Wohnung in einer Wohngegend gefahren, vierter Stock, schwere Vorhänge verdunkeln den Raum. Das Zimmer ist voller rosé-farbener Bergkristalle. Auf einem kleinen Tisch steht das Foto einer Schamanin.

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Nicola trägt eine indisch angehauchte Pluderhose. Sie hat ein sympathisches Gesicht, von dunklen Locken umrahmt. Ich versuche, ihr Alter zu schätzen und tippe auf Ende 30. Später wird sie erzählen, dass sie 45 ist. Ich kann nicht sagen, ob ich sie heiß finde, aber ich habe das Gefühl, dass ich mich bei ihr fallen lassen kann. Trotzdem muss ich immer wieder auf die Matratze hinter Nicole blicken. Was mich darauf gleich erwartet? Eine Feder liegt daneben, eine Thermoskanne, außerdem zwei Handtücher und rotleuchtende Lampen, die Wärme abstrahlen.

Ich habe eine Tantra-Massage gebucht und außerdem eine Yoni-Massage. Yoni ist der tantrische Begriff für weibliche Genitalien. Zum ersten Mal in meinem Leben wird sich also eine Frau um meine Vagina kümmern. Ich bin 28 und hatte bisher ein durchschnittlich aufregendes Sexleben: Kein Bondage, keine SM-Erfahrungen, keine Dreier. Vielleicht bin ich zu konservativ? Oder habe, wie es in tantrischer Sprache heißt, energetische Knoten?

Nicola erklärt mir, dass sie versuchen wird, solche aufzuspüren und mit ihren Händen zu lösen. Sie erzählt, dass sie aus einem katholischen Haus stammt und auch eher verklemmt wahr. Erst vor neun Jahren habe ein Mann ihre sexuelle Energie entfesselt. Darauf machte sie es zu ihrer Mission, andere Menschen sexuell zu befreien.

Beim Tantra-Ritual geht es laut der Seite des Tantramassage-Verbandes um "die Bejahung der Sinnlichkeit und Sexualität als Lebenskraft". Es soll die Sexualenergie einer Person aktiviert werden, damit sie dadurch ein höheres Bewusstsein erlangt. Die Wurzeln von Tantra liegen in Indien, wo die Philosophie seit Jahrhunderten praktiziert wird. Seit Sex and the City ist die Intimmassage auch in der westlichen Welt ein Begriff.

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Inzwischen gibt es sogar einen Tantramassage-Verband. Als billige Befriedigung taugt die Behandlung nicht: 180 Euro kostet der Spaß, das ist ja glatt ein Wochenendtrip. Aber was investiert man nicht schon alles für den freien Fluss der Sexualenergie! In Deutschland lassen sich meistens Männer durch eine Tantramassage auflockern. Frauen und Paare kommen häufig erst ab Mitte 40 in die Massagepraxis. Ich bin also eher die Ausnahme.

Mir egal, ich habe das Gefühl, die Zeit ist reif für sexuelle Befreiung. Erst gestern habe ich mein erstes graues Haar ausgezupft und die Orangenhaut poabwärts wird wohl auch nicht besser. Noch ist mein Körper einigermaßen in Schuss—und ich sollte ihn nutzen, bevor es zu spät ist.

Als ersten Schritt bittet Nicola mich zu duschen. Ich schäume mich mit ihrem Minze-Bergamotte-Duschgel ein und wickle mich ungeschickt in das gelbe Pareo-Tuch, das im Bad für mich bereit hängt. Auf die Frottee-Schlappen verzichte ich und tapse barfuß zurück in die Massage-Höhle. Auch Nicola hat sich mittlerweile in ein dünnes Tuch gehüllt, das sie elegant zum Neckholder-Kleid drapiert. Wir stehen voreinander. Dann fallen die Tücher. Nicola hat einen sehr weiblichen Körper. Mir gefällt es, wie ihr lockiges Haar über die Schultern wallt.

Ich lege mich hin und schließe die Augen. Im Hintergrund spielt indische Musik. Als die Massage beginnt, denke ich noch an die energetischen Knoten. War da etwa einer? Hat sie ihn gelöst bekommen? Irgendwann schaltet der Kopf aber ab. Ich genieße es einfach, wie sie mit der Feder und ihren Haaren über meinen Rücken und Bauch fährt, spüre die Wärme der aufgelegten Steine. Nicola redet während der Massage halblaut zu mir. Schon im Vorgespräch erzählte sie mir, wie wichtig Sprechen im Bett ist. Dass der Sex erst richtig gut wird, wenn man sich erzählt, was man fühlt, und wo man gern angefasst wird. Zugegeben: Das mache ich so gut wie nie. Im Bett bin ich eher schweigsam.

Das Ganze fühlt sich gut an—aber irgendwie auch einseitig. Sie anfassen darf ich nicht. So sind die Regeln. Urplötzlich gleitet ihre Hand zwischen meine Beine. Mit Ankündigung wäre es vielleicht noch komischer gewesen. Aber das Gedankenkarussell springt trotzdem wieder an: Was mache ich jetzt bloß? Wie verhalten sich andere Kundinnen? Macht Nicola das alles eigentlich auch Spaß?

Ihre Bewegungen sind sanft und doch bestimmt. Ein Drücken hier, ein Zupfen dort, außen, innen. Ich habe den Eindruck, sie weiß ganz genau, was sie da macht—und wie es sich für mich anfühlen muss. Alles in meinem Beckenboden scheint anzuschwellen, pulsiert. Ein Spannungsbogen wie beim Sex fehlt dabei aber, ein Orgasmus bleibt aus. Und irgendwie bin ich auch froh darüber. Sonst hätte es sich wie eine bezahlte Sex-Dienstleistung angefühlt.

Ich weiß nicht, ob meine energetischen Knoten gelöst sind. Aber vielleicht sind sie zumindest gelockert. Bei der Intimmassage habe ich gemerkt, wie gut es gut, wenn eine Person genau weiß, wo sie hinfassen muss. Aber nicht jeder meiner Bettpartner wird professionell Vaginen massieren. Ihnen muss ich wohl genau erklären, was mir gefällt. Und zwar nicht nur mit Bewegungen, sondern auch mal mit Worten, wie Nicola rät.

Nach zwei Stunden ist die "Feeling of Elation"-Behandlung vorbei. Nicola lässt mich für ein paar Minuten allein im Raum mit heißen Steinen auf meinem Oberkörper. Irgendwo in der Mitte meines Körpers prickelt es. Ich fühle mich gut und so, als hätte ich tatsächlich etwas gelernt. Aber als im Hintergrund Walgesänge ertönen, frage ich mich plötzlich wieder, was ich hier eigentlich mache, nackt, in der Wohnung einer fremden Frau, am Stadtrand.