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Eine Jane Bond wäre das Beste, was uns passieren könnte, aber nicht passieren wird

Gillian Anderson als James Bond wäre ein Mord an James Bond. Wie wunderbar; nur leider fehlt ihr ein drittes Bein, um glaubhaft Frauen auf den Arsch zu klopfen.

Give Gillian Anderson the role Jane Bond. David D as Bond boy & pay him half of her salary! — Mackay Rozy (@mackayro)22. Mai 2016

James Bond ist der Tyler Durden feuchter Männerträume: Er fickt, wie wir ficken wollen, sieht aus, wie wir aussehen wollen, er ist smart, fähig und auf eine Weise frei, wie reale Männer es niemals sein werden. Und deshalb muss er sterben. Sterben, weil Freiheit nicht eine Lizenz zum Töten bedeutet, weil Smart-Sein sich nicht mit einem zynischen Spruch in allen Lebenslagen erschöpft und weil die Art, wie er mit Frauen verkehrt, dieser Tradition entspringt:

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Mit der Tradition ist das so eine Sache: Sie bewahrt und verhindert zugleich. Die Welt hat sich seit den 60er Jahren weitergedreht, nur ist die Figur des James Bond in ihrer Essenz weitgehend stehengeblieben. Im vorletzten Teil etwa geht das Bond-Girl Sévérine bei einem Schießwettbewerb zwischen James und dem Bösewicht Raoul Silva kaputt. Sie diente als Whiskyglas-Ablage à la Wilhelm Tell. Als sie tot ist und das Glas zu Boden fällt, lautet Bonds Kommentar sinngemäß: „Schade um den Scotch."

Natürlich ist das furztrocken komisch und kommt (Vorsicht Wortwitz), wie aus der Pistole geschossen, es ist aber auch scheiße. Doch bei Bond ist das OK, denn mit der Tradition ist das wieder so eine Sache: Sie adelt die Tat und manchmal erhebt sie sie auch noch zum Kult, und Kult legitimiert, was nach zivilisierten Maßstäben eigentlich nicht mehr legitim sein sollte. Stimmt schon; eigentlich ist es ja nicht gerade die feine Art, eine Frau zu bumsen und kurz darauf mehr dem verschütteten Whisky nachzutrauern als dem Tisch, den sie während eines extremen Dartduells verkörperte; aber das ist ja Bond, der darf das, der ist Kult. Mehr noch: Genau solche Szenen machen den Kult aus, genau wegen solcher Szenen gehen die Leute ins Kino.

Filme mit Explosionen gibt es nämlich zuhauf, dafür brauchen wir den Doppelnull-Agenten nicht. Bond ist mehr als eine bloße Action-Franchise, er bedient die Sehnsucht des kleinen Mannes nach Überlegenheit und Exklusivität: Oxfordknoten, maßgeschneiderte Anzüge, Aston Martin und Martinis; mit der rechten Hand legt Bond am Casino-Tisch einen Straight Flush, mit dem kleinen Finger der linken Hand bringt er simultan die widerspenstige Ausnahmefrau Vesper Lynd zum Höhepunkt und wenn er wollte, könnte er mit seinem dritten Bein Golfbälle in Löcher putten (Hole-in-one, versteht sich).

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Die Figur des James Bond ist ein Relikt eines alten Establishments, das Verträge noch mündlich bei einem Brandy mit einem Handschlag in Herrenclubs besiegelte und vorzeitige Samenergüsse bei dem Wort "Chesterfield-Sessel" bekam. Dabei ist es egal, ob der moderne James Bond eine schwarze Miss Moneypenny als souveränes Gegengewicht zur Seite gestellt bekommt oder er auch mal einen umweltfreundlichen Roller-Scooter anstatt eines Supersportwagens fährt: Die Filmemacher werden wie bei der Whiskyglas-Szene nicht umhin kommen, immer mal wieder mit diesem überholten, aber eben zum Kult erhobenen Image zu kokettieren, denn ohne diese Facette wäre James Bond kaum mehr als ein Jason Statham in Transporter nur mit mehr Haaren oder ein Tom Cruise in Mission Impossible nur größer als 1,20 m.

Und genau deshalb laufen viele der Debatten um die jüngst ins Gespräch gebrachte Gillian Anderson als potenzielle Bond-Darstellerin ins Leere. Nur zur Erinnerung: Daniel Craig hat vor wenigen Tagen eine Offerte über einen 87-Millionen-Euro-Vertrag für die nächsten zwei Bond-Filme ausgeschlagen. Ganz sicher ist man zwar nicht, ob er wirklich aufhören will, oder doch nur seinen Marktwert hochschrauben möchte, aber das ist nicht der springende Punkt. Irgendwann wird er aufhören und dann ist seine Stelle vakant. Der Name "James Bond" ist nur ein Platzhalter, genau wie die Nummer "007" auch; beide referieren auf die Tätigkeit eines Agenten und natürlich könnte diese Rolle von jeder erdenklichen Person eingenommen werden, solange sie nur die Funktion eines Agenten erfüllt, die vornehmlich darin besteht, Bösewichten die Scheiße aus dem Leib zu prügeln. Ein Pferd könnte 007 spielen, wenn man ihm beibrächte, gezielt Menschen zu treten. Es gibt Tausende Frauen, die auf Anhieb glaubhaft eine Agentin darstellen könnten—bestimmt auch Gillian Anderson mit etwas Martial-Arts-Training—nur darum geht es hier nicht. Denn die Funktion der Rolle in einem Film ist nicht dasselbe wie die Funktion der Rolle für einen Film. Im Film würde Anderson als Agentin funktionieren, doch für den Film und die eingefleischten Zuschauer würde sie nicht als 007-Agentin funktionieren, weil sie mit ihren Brüsten und dem fehlenden Penis das zum Kult erhobene Männlichkeitsgebaren nicht bedienen könnte.

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Und so entsteht wiedermal das Problem der Äquivokation: Es werden ähnliche oder gleiche Worte verwendet, aber mit unterschiedlichen Sinngehalten geladen. Die jeweiligen Lager reden aneinander vorbei: Während sich die Befürworter für einen weiblichen James Bond fragen, warum nicht auch eine Frau die Rolle, sprich Tätigkeit, eines Geheimagenten übernehmen sollte, verweisen die Bond-Hardliner auf die Rollen-Tradition, die für sie fast schon etwas Heiliges und Unantastbares besitzt. Bond hat ein Mann zu sein, Engländer und am besten weiß. Political Correctness schön und gut, aber irgendwo ist auch mal halt, nicht wahr? Schließlich haben wir es hier mit einem Gott der (Pop)-Kultur zu tun und für den gelten ja wohl noch andere Maßstäbe?! Was kommt als nächstes? Ein Bond, der etwa all das hier ist:

In today's PC society, the new James Bond will be a black dwarf with ginger hair, be in a wheelchair and be transgender. — John Pile (@John_Pile)19. Mai 2016

— Konstantin_News (@polarnywolf)24. Mai 2016

Selbst für den Bond-Klassiker Roger Moore ist es unwahrscheinlich, dass der ebenfalls immer wieder ins Gespräch gebrachte Schauspieler Idris Elba ein legitimer 007-Nachfolger von Daniel Craig werden könnte—der schwarze Darsteller sei nicht "englisch-englisch" genug.

Weil aber all diese Codes wie "englisch-englisch", all das Geschwafel von der Tradition und der zum Kult erhobenen Pop-Ikone nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Figur Bond neben ihrem Unterhaltungswert vor allem auch eine Bastion chau­vi­nis­tischer Selbstgefälligkeit ist, sollte sie sterben. Sterben durch die Verkörperung einer Frau. Das aber wird erst passieren, wenn die Welt sich so weit gedreht hat, dass die Marke "James Bond" am Boden liegt und kaum jemand so ficken, denken oder sein will wie er. Dann wird man als Frischzellenkur oder den letzten Versuch einer Wiederbelebung eine Frau als James Bond vor den Kino-Karren spannen, so lange die Maschenire dagegen noch läuft, wie sie läuft, nicht. Ist es dann aber so weit, wird dies der endgültige Tod des Doppelnull-Mythos sein und auch ich, der durch jahrzehntelange Prägung gleichfalls von einem Aston Martin DB5 und eleganten Damen an Pokertischen träumt, werde die ein oder andere Träne verdrücken, sie wird mir fehlen, diese omnipotente Lichtgestalt vergangener Tage, es wird schmerzen und doch wird es gut sein, wenn sie geht, denn wie heißt es so schön: "Nur dort gibt es Zauber, wo Götter unter unseren Augen sterben".

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