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Literweise Fett und Plastikkäse—eine Tour durch die unhygienischsten Restaurants der Stadt

Ich habe mich in Liverpool durch die Speisekarte von drei gastronomischen Einrichtungen gequält, die wegen ihrer katastrophalen Hygiene-Umständen kurz vor der Schließung stehen.

Falls du mit dem Gedanken spielst, ein Restaurant zu eröffnen, dann solltest du wahrscheinlich am meisten darauf achten, dabei niemanden zu vergiften. Die Food Standards Agency (FSA) ist die Regierungsbehörde des Vereinigten Königreichs, die sicher stellen soll, dass Großbritanniens Restaurantbesitzer die Gäste mit ihrem Essen nicht tagelang ins Krankenhaus bringen.

Wenn irgendein Lokal diese Minimalanforderung aufgrund von fehlender Hygiene nicht erfüllen kann, dann wird es von der FSA geschlossen. Die Behörde führt auch eine von allen einsehbare Hygiene-Bewertungsliste für fast jedes Restaurant Großbritanniens. Wenn man diese Liste nach den Orten durchsucht, wo man sich betrunken gerne mal den Magen vollschlägt, können einem wirklich die Augen geöffnet und der Appetit gründlich verdorben werden.

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So wie jede andere Stadt ist auch Liverpool nicht immun gegen beschissene Restaurants, in denen unter unhygienischen Umständen gekocht und serviert wird. Anfang 2013 wurde das chinesische Restaurant ‚Buffet Star' geschlossen, nachdem eine ganze Reihe von Horror-Geschichten ans Licht kam. Demnach soll Rattenscheiße in den Vorratskammern gefunden und rohe Eier und auftauendes Fleisch direkt neben dem gekochten Essen gelagert worden sein.

Bilder der schmierigen und mit Rattenkot verdreckten Kochbereiche bewiesen, dass Küchen doch sehr gefährlich für deine Gesundheit sein können. Es war wirklich grauenvoll. Vor ungefähr einem Jahr musste auch das ‚Shangri-La', eine fest etabliertes Dim Sum-Restaurant, dichtmachen. Grund dafür war ein Kakerlaken-Befall vom Oktober 2012. Für diejenigen, die mitschreiben: Ja, dort hat man ebenfalls Rattenscheiße gefunden.

Die Lokale, die einer Zwangsschließung durch die FSA gefährlich nahe kommen, bekommen auf der Hygiene-Skala eine unappetitliche Null. Laut der Behörde „wiesen diese Restaurants wahrscheinlich schon in der Vergangenheit Mängel auf", durften euch aber trotzdem weiterhin Essen servieren.

Trotz der vielen schlimmen Geschichten ist es aber eher unüblich, sich über die Hygiene-Einstufungen zu informieren. Ich habe meine Bekannten gefragt und nicht einer hat je daran gedacht, diesen öffentlichen und übersichtlichen Service zu nutzen. Aber welchem Risiko setzt man sich überhaupt aus, wenn man in einem schlecht bewerteten Restaurant isst? Ist schlechte Hygiene auch ein Anzeichen dafür, dass das Essen nicht gut schmeckt, oder sind das zwei verschiedene Paar Schuhe? Ich entschied mich dazu, meinen Magen auf's Spiel zu setzen und diese Fragen mit einer Gastro-Tour durch Liverpools Lokale mit einer Null-Bewertung zu beantworten.

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Wie kommt ein Zeitschriftenladen zu einer so schlechten Bewertung? Diese Frage habe ich mir im Laufe der letzte Woche ziemlich häufig gestellt. Das direkt am Liverpooler Hauptbahnhof gelegene ‚PRM' hat es trotzdem geschafft. Das Geschäft ist bei Studenten sehr beliebt—wohl auch wegen dem kostenlosen Geldautomaten gleich neben ihren Unterkünften. Im Laden findest du alles Mögliche, von geflochtenen Armbändern über Baked Beans bis hin zu Kippen.

Ich sah mich kurz um und entdeckte eine Auslage voller Baguettes. Sie sahen ziemlich aufgeweicht aus. Wenn ich ein paar Tage später wiederkommen würde, würden vermutlich immer noch dieselben Sandwiches daliegen. Nur der Salat wäre vermutlich etwas brauner. Abgesehen davon machte alles einen ordentlichen Eindruck. Die Böden waren sauber und der typische Geruch eines Zeitschriftenladens lag in der Luft.

‚PRM' bekam die Null vor neun Monaten am 17. Januar, ich konnte jedoch keinen Unterschied zu anderen Nachtshops erkennen. Vielleicht gibt es das nächste Mal eine bessere Bewertung. Trotzdem lässt es einen schon die Augenbrauen hochziehen, wenn ein Geschäft eine solche Einstufung bekommt, in dem quasi nur eingeschweißte und angelieferte Waren verkauft werden.

Ich entschied mich für das Geflügelsalat-Sandwich und hoffte, nicht krank zu werden. Eine Anfrage bei der FSA ergab, dass es bei einer Null-Bewertung keine festgelegten Vorgehensweisen gibt. Es kommt ganz auf die festgestellten Mängel an und wie die örtlichen Behörden damit umgehen. Als ich also zum ersten Mal abbiss, wusste ich nicht, was ich zu erwarten hatte. Ein Schauer durchfuhr mich. Esse ich da gerade etwas voller Parasiten, die dann meine Innereien angreifen? Alles war möglich.

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Bei meinem ersten Bissen vermischte sich trockenes Fleisch mit matschigen Tomaten und warmer Mayonnaise. Das Brot sorgte für etwas Biss. Das Sandwich brachte ich runter und irgendwie hatte es auch etwas. Es kam mir zwar auch fast wieder hoch, aber das wäre wohl bei jedem Nachtshop-Sandwich der Fall gewesen. Ich wurde nicht blind oder fing an zu halluzinieren und blieb wohl erstmal am Leben.

Mein zweiter Halt führte mich zu ‚The Olive Tree'. Klingt wie ein nettes italienisches Restaurant, oder?

Tatsächlich war es eine ganz normale Dönerbude. Der im Licht schimmernde Fleischberg ließ in mir die Frage aufkommen, wie viele Kuh-Arschlöcher sich darin wohl befinden.

Essenstechnisch war es wirklich keine leichte Entscheidung. Meine Wahl fiel auf den Olive Tree Special Burger—ein Rindfleisch-Patty bedeckt mit Dönerfleisch. Farblose Tomaten, Plastikkäse und trockener Salat rundeten das Ganze ab. Nach dem ersten Bissen lief so viel Öl mein Kinn herunter, dass ich ernsthaft darüber nachdachte, einen Strohhalm zu verlangen.

Wie schon bei ‚RPM' entsprach auch hier das Essen den anscheinend nachlässigen Sauberkeitsstandards. Das Dönerfleisch war nur lauwarm und zäh. Der Salat trug zum Geschmack quasi gar nichts bei, weil er selbst nach absolut gar nichts schmeckte. Das Patty war labbrig und zerfiel schnell in seine Einzelteile.

Anders als im Nachtshop, wird das Essen bei ‚The Olive Tree' direkt vor deinen Augen zubereitet. Besagtes Essen war zwar ziemlich fettig und mit ein paar Bierchen intus hätte es wohl besser geschmeckt, aber es war jetzt auch nicht total ungenießbar und bei der Zubereitung fiel mir auch nichts Außergewöhnliches auf. Niemand nieste direkt auf den Grill oder so, auch wenn der mal eine gründliche Reinigung vertragen hätte. Ich aß auf und bekam keine Schweißausbrüche. Vielleicht hatte sich im Restaurant nach der letzten Inspektion Einiges getan oder die FSA ist ein bisschen übereifrig. Ich versuchte, nicht darüber nachzudenken, was sich wohl hinter den Kulissen des Ladens abspielen könnte.

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Meine letzter Halt—‚Bombay Spice'—machte einen guten ersten Eindruck. Draußen und im Inneren sah es nett aus und auch der Geruch war angenehm. Alles war wie in einem normalen indischen Takeaway-Restaurant. Der Gastraum sah mit seinen Ledersofas OK aus, den Teppich und die Tapeten findet man irgendwie auch in jedem anderen Restaurant dieser Art und die Angestellten waren alle freundlich und zuvorkommend. Die Hygiene-Qualitäts-Korrelation, die ich aufgrund der zwei vorher getesteten Orte aufgestellt hatte, schien hier nicht zu gelten. Ich war zuversichtlich.

Für eine komplette Hauptspeise war in meinem Magen inzwischen kein Platz mehr, deswegen bestellte ich zwei klassische Vorspeisen: gemischtes Kebab und Hühnchen-Chaat. Der Schein kann wohl wirklich trügen, denn bei ‚Bombay Spice' wurde mir das schlechteste Essen des ganzen Abends serviert. Zuerst kam das gemischte Kebab. Das dazu gereichte Zwiebel-Bhajji war dabei groß genug, um als Kindermütze durchzugehen. Mit jedem Bissen umspülte eine Ladung Öl meine Zähne—fast wie Mundwasser. Die Lammköfte waren zäh, wässrig und fad. Ein andere Gast sah mir beim Essen zu und setzte einen besorgten Gesichtsausdruck auf.

Das Hühner-Chaat sah aus wie eine wütende Papiertüte voller Kotze und schmeckte auch dementsprechend. Der Teig hatte die Konsistenz eines frittierten Handtuchs. Die Hühnchen- und Kartoffelfüllung konnte man kaum als solche erkennen. Es wurde viel Zucker verwendet. Vielleicht wollte man damit den Geschmack überdecken, unter Umständen handelte es sich aber auch um ein schiefgegangenes Experiment. Es schmeckte einfach scheußlich und war das einzige Gericht, das ich nicht aufaß. Trotzdem: auch hier ging es mir danach nicht schlecht und ich hatte das kulinarische Russisch Roulette überlebt.

Wieder zurück am Liverpooler Hauptbahnhof hatte ich ein bisschen Zeit zum Nachdenken, während sich das extrem fettige und schwer verdauliche Essen in meinem Inneren zu schaffen machte.

Ich hatte mir keine Lebensmittelvergiftung zugezogen, aber mit den verzehrten Gerichten habe ich mir jetzt auch keinen Gefallen getan. Was bei dieser ganzen Sache wohl die meisten Sorgen bereiten sollte, ist der ganz normale Anschein, den die Restaurants machten. Zwar besteht schon ein vager Zusammenhang zwischen den Null-Bewertungen und der Qualität des Essens, aber eher in dem Sinne, dass auch kein Restaurant eine schlechte hygienische Bewertung bekommt, das auf einen Michelin-Stern aus ist. Im Grunde waren das nur drei etwas unterdurchschnittliche Lokale, wo man während jeder durchzechten Nacht landen könnte, oder in denen man noch schnell etwas essen will, bevor man in den Zug steigt. Auch das muss man erstmal verdauen.