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Popkultur

Hört auf, euch im Internet für eure Eltern zu schämen

Oder haben sie sich etwa für euch geschämt, als ihr noch in die Hosen geschissen habt?

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Meine Mutter postet nicht viel auf Facebook, aber wenn sie es tut, sind es entweder lustige, inspirierende Zitate, Fotos von einem Weinglas oder Links, die sie mit „Nachdenken!" kommentiert. Manchmal ertappe ich mich selbst dabei, wie ich mich ein bisschen dafür fremdschäme, dass sie eines der gängigsten Mama-Klischees erfüllt und mit ihren vergleichsmäßig ohnehin nur sehr wenigen Facebook-Freunden Inspirational Quotes teilt.

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Mein Vater hingegen ist zwar nicht auf Facebook, hat aber mittlerweile WhatsApp für sich entdeckt und schickt mir meistens maximal irrelevante Nachrichten, die er mit völlig zusammenhangslosen Emojis verziert. Er verwendet WhatsApp wie das Facebook-Statusfenster und schickt mir „Hallo, bin gerade in der Arbeit!@!!" mit drei Bierkrügen, einer Schlange und einem Weihnachtsmann-Emoji, als würde er sich gezwungen fühlen, mir permanent mitzuteilen, was er macht. Meistens lege ich als Reaktion einfach nur mein Handy weg und schicke ihm eine Stunde später wortlos ein Daumen-hoch-Emoji—erstens, weil ich nicht weiß, was ich zu dieser Offenbarung sagen soll und zweitens, weil ich nicht ertrage, was mir dieser Mann da gerade in der Hoffnung auf ein bisschen Coolness geschickt hat.

Denn wenn Eltern eines nicht sind, dann ist das cool im Internet. Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass sie die technologische Revolution des sozialen Webs nur mitmachen, um sich auf allen zur Verfügung stehenden Kanälen in meinen Freundeskreis zu drängen—und das ist bei genauerem Hinsehen auch gut so. Sie interessieren sich für unser Leben, wollen nach unserer Abnabelung weiter ein Teil davon sein und lernen dafür sogar mit dem #Neuland umzugehen, was sie zu den wohl liebevollsten Stalkern der Welt macht.

Natürlich ist das im ersten Moment manchmal peinlich. Meine Mutter versucht zum Beispiel immer wieder, Dinge, die sie auf Facebook sieht, in Gespräche einzubauen, indem sie Dinge sagt wie: „Was hast du denn da wieder ins Facebook getan? Der Bursch auf dem Bild wär doch was für dich!" Es hat einige Zeit gedauert, bis sie durchschaut hat, dass ich nicht permanent Fotos „ins Facebook tu", sondern sie einfach nur Bilder in ihrem Newsfeed angezeigt bekommt, die ich eben like.

Sich für die Online-Eltern zu schämen ist also wahrscheinlich ein bisschen normal. In Wahrheit ist es aber immer auch ziemlich anmaßend. Meine Mutter erträgt es vorbildlich, wenn ich auf Facebook das tausendste Selfie oder schlimm besoffene Party-Foto poste und schickt mir manchmal auch noch ein „Viel Spaß!" mit Bussi-Emoji, nachdem sie die Bilder gesehen hat. Da ist es das Mindeste, dass ich es nicht nur ertrage, wenn sie ein Hotdog-Beine-Foto vom Strand in Italien postet, sondern dass ich es like und ihr viel Spaß im Urlaub wünsche.

Ja, es gibt Dinge, die unsere Eltern im Umgang mit neuen Medien nicht verstehen oder beherrschen. Sozialmediales Feingefühl gehört da genauso dazu wie die Verwendung der richtigen Emojis. Aber wir sollten auch nicht vergessen, dass unsere Eltern jene Menschen sind, die uns gezeigt haben, wie ein halbwegs normaler Mensch zu essen, unser Leben auf die Reihe zu bekommen und richtig aufs zu Klo gehen.

Auch wenn manche Facebook-Umgangsformen für uns das Normalste auf der Welt sind—für unsere Eltern war es in unserer Kindheit wohl auch das Normalste auf der Welt, sich nicht in den unpassendsten Situationen in die Hosen zu scheißen oder zu kapieren, dass das Nachbarsmädchen nicht Lulia, sondern Julia heißt. Wenn nicht, haben sie es zumindest sehr gut versteckt und überspielt—und uns dadurch gezeigt, dass man für jemanden, den man gern hat, ruhig auch manchmal ein bisschen Fremdscham in Kauf nehmen kann.

Schickt Verena inspirierende Zitate auf Twitter: @verenabgnr