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Es ist nur Schweiß

Wir müssen endlich aufhören, schwitzende Menschen zu verurteilen.
Foto: Minghong via Wikimedia Commons

Wer im Sommer mit der U6 fahren muss, sollte gut die Luft anhalten können. Beim Einsteigen kommt einem schon mal ein Schwall aus Erbrochenem, Kebab und Bier entgegen. Bei 36 Grad Außentemperatur werden all diese Gerüche zusätzlich noch mal konzentriert und verdeutlichen, warum dieses schöne Durchfallbraun nun mal die einzig passende Farbe für Wiens unbeliebteste und zugleich längste U-Bahn-Linie ist.

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Das Linien-Aroma hat derzeit jedoch vor allem eine ganz bestimmte Note, die nur in der limitierten Sommer-Edition von „Eau de U6" auftaucht: Körpergeruch, genauer gesagt: Schweiß. Ja, es ist unfassbar heiß, die U6 wird zur finnischen Sauna und das bringt Menschen zum oder ins Schwitzen. Die Mehrheit der Betroffenen ekeln oder schämen sich—je nachdem ob sie aktiv oder passiv mit übermäßiger Transpiration konfrontiert sind.

In der Regel gibt es drei Auslöser, die uns die Nässe auf die Haut treiben: Emotionen wie Nervosität oder Aufregung, hohe körperliche Betätigung und der aktuell ungeschlagene Spitzenreiter für Schweiß: viel zu hohe Temperaturen. Hitze. Hölle.

Manche Menschen schwitzen mehr, manche weniger. Starkes Schwitzen wird generell als unattraktiv und unangenehm empfunden. Ergo findet man bei einer Google-Suche nach körperlichen Ausdünstungen sehr, sehr viele Tipps dazu, was man gegen dieses lästige Schwitzen tun kann und vor allem auch sollte. Die Botschaft ist in etwa diese: Niemand will deinen Schweiß riechen, geschweige denn sehen. Also tu gefälligst was dagegen. Jeder ekelt sich vor dir.

Für extreme Starkschwitzer kann es natürlich auch einfach lästig sein, am laufenden Band in der eigenen Soße zu baden. So oder so greifen viele leztendlich zu drastischeren Maßnahmen—Botox in die Achseln, Schweißdrüsenentfernung, medikamentöse Behandlung. Klingt alles nicht gerade angenehm, nur um trocken zu bleiben.

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In einem Werbespot des Hygieneartikel-Herstellers Kotex wurden spezielle Binden sogar damit beworben, besonders wirksam gegen Schweiß im Genitalbereich während des Sports zu sein. Frauen wird darin mehr oder weniger vermittelt, sie dürften während körperlicher Aktivität nicht schwitzen, weil sie ansonsten dafür verurteilt werden und letztendlich—zumindest läuft es doch meistens darauf hinaus—auf Männer nicht mehr attraktiv genug wirken könnten.

Das will natürlich keine Frau—nach und während dem Sport sind ausschließlich trockene Schambereiche gesellschaftlich akzeptabel. Dabei wird vergessen, dass jeder Mann, der eine Frau tatsächlich für ihr Schwitzen verurteilen würde, höchstwahrscheinlich ein ziemlicher Arsch ist. Die Endung „Shaming" wird doch sowieso schon viel zu oft verwendet—Sweat-Shaming soll sich da bitte nicht einreihen. Menschen sollte man nicht dafür verurteilen, dass sie menschlich sind.

Foto: Kenneth Freeman | Flickr | CC BY 2.0

Das heißt aber nicht, dass man auch keine Deos verwenden sollte—man sollte nämlich Deos verwenden. Wenn schon nicht aus freiem Willen, dann zumindest aus Höflichkeit. Schweiß trocknet nämlich, und Schweiß riecht meist unangenehm wenn er trocknet. Und dann ist man wieder in der U6. Deo ist dein Freund, immer und überall.

Weil ich dumm bin, benutze ich Deos entgegen jeglicher Ratschläge auch immer auf frisch rasierter Haut, nur um anschließend wieder vor Schmerzen im Kreis zu hüpfen. Ich habe irgendwie gelernt, dieses fürchterliche Brennen in Kauf zu nehmen—um meiner Mitmenschen willen. Die einzige Alternative wäre nämlich, ohne Deo das Haus zu verlassen und das ist bei diesen Temperaturen schlicht und einfach keine Option.

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Foto: Finizio | Flickr | CC BY-ND 2.0

Wir empfinden Schweiß als etwas Ekelhaftes, dabei ist er das eigentlich gar nicht. Schweiß tötet sogar Bakterien. Ich selbst schwitze zum Beispiel stark auf den Handflächen, was Händchen halten mit mir zwar zu einer ziemlich glitschigen Angelegenheit macht, aber eben auch zu einer äußerst keimfreien.

Wir sollten die Farbe unseres T-Shirts nicht nach Schweißflecken-Sichtbarkeitswahrscheinlichkeit auswählen müssen, und schon gar nicht sollte jemand für Schweißflecken oder Perlen auf der Stirn verurteilt werden. Beim Sex stört uns Schweiß doch auch nicht, viel mehr findet man ihn da plötzlich gut. Scheißt euch nicht so an—jeder Mensch schwitzt. Es ist das Natürlichste auf der Welt. Es sollte aber genau so natürlich sein, sich auch mal zu waschen.

Franz auf Twitter: @FranzLicht


Header: Minghong | GFDL | CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons