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Der ultimative Abstimmungs-Guide für Schweizer, die auf Politik scheissen

Du hast keine Lust, dich mit dem Abstimmungszirkus zu beschäftigen—wir verstehen dich.
Foto von Peter Griffin

Am 25. September wirst du wohl zum dritten Mal in diesem Jahr die staatliche Einladung, deine Stimme abzugeben, ausschlagen—ausser du interessierst dich wider Erwarten doch für Politik oder gehörst zu den rund 37 Prozent der Schweizer Bevölkerung, die gar keine solche Einladung bekommen. Vielleicht weisst du schon, welche drei Fragen du auf den Stimmzetteln mit einem simplen Ja oder Nein beantworten solltest. Vielleicht wirst du das bald herausfinden. Viel wahrscheinlicher ist gemäss ersten Umfragen aber, dass du schleunigst weiterscrollst, wenn es das Wort "Abstimmung" wagt, sich in deinen Facebook-Feed zu verirren. Hier findest du Antworten auf die Fragen zu den Abstimmungen, die dich wohl tief in deinem Innern trotzdem quälen

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Was bringt es mir, wenn ich abstimmen gehe?
Der grösste direkte Vorteil ist wohl, dass du dir keine Argumente suchen musst, um dich vor den klugscheisserischen Zeigefingerpredigten deiner abstimmenden Freunde zu rechtfertigen. Sonst bringt dir das Abstimmen auf den ersten Blick reichlich wenig. Du beschäftigst dich in erster Linie mit Themen, die in etwa so spannend erscheinen wie eine Bingo-Dauersendung in einem Senioren-TV-Sender: "AHVplus", "Grüne Wirtschaft" und "Nachrichtendienstgesetz". Ich könnte dir jetzt trotzdem vorschwärmen, wie wichtig und spannend es ist, sich damit zu beschäftigen—doch ich habe versprochen, ehrlich zu sein. Und das ehrliche Fazit zur ersten Frage ist: Abstimmen bringt dir, ausser einem weiteren Schritt in Richtung staatsbürgerlichem Karma-Highscore im Tausch gegen fünf Minuten deiner Lebenszeit, kaum etwas — aber es bringt dir eben noch weniger, wenn du nicht abstimmen gehst.

Kann meine Stimme überhaupt etwas bewirken?
Es ist wohl wahrscheinlicher, dass Mike Shiva die Zukunft voraussagen kann, als dass es genau deine Stimme sein wird, die das Ergebnis der Abstimmung kippt. Aktuell sieht es so aus, dass auch ohne dein Zutun die Initiativen Grüne Wirtschaft und AHVplus abgelehnt werden und das Nachrichtendienstgesetz angenommen wird. Aber beim Abstimmen geht es auch darum, Teil eines grossen Ganzen zu sein. Trotzdem wird versucht, die direkte Demokratie so bequem wie möglich zu machen. Bis zum 20. September hast du darum noch die Möglichkeit in wenigen Minuten per Brief abzustimmen (so einfach geht das). Das 21. Jahrhundert ist erst in wenigen Kantonen unserer Vorzeigedemokratie angekommen und die Stimmabgabe über das Internet ist noch in etwa so weit entfernt wie die Paralleluniversen in Rick and Morty.

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Wieso sollte mich eine Initiative mit dem Namen "AHVplus" überhaupt interessieren?
Die Politik macht oft den Eindruck, ihr Hauptziel bestehe darin, lediglich Politikstudierende und die Stammtische des Landes mit Kanonenfutter zu versorgen. Das Mittel dazu findet sie oft in unsäglichem Amtsdeutsch und bürokratischer Trägheit. Doch nun hat die Initiative AHVplus tatsächlich über 100.000 Unterstützer gefunden und du wirst mit dem Stimmcouvert in deinem Briefkasten (oder mittlerweile deinem Papierkorb) dazu aufgefordert, hinter ihrer langweiligen Fassade etwas Spannendes zu entdecken—auch wenn du nur darauf aus bist, weniger Geld für die AHV ausgeben zu wollen.

Um Geld geht es sowohl den Befürwortern, als auch den Gegnern der AHV-Initiative: Erstere wollen die monatliche AHV-Rente im Durchschnitt um 200 Franken erhöhen, letztere sagen, dass sei angesichts der brüchigen AHV vergebene Mühe. Erstere wollen, dass der geplante Zuschlag durch eine allgemeine Erhöhung der AHV-Abzüge von 0.4 Prozent finanziert wird, letztere denken sich wohl "Spinnt ihr?!" und sagen stattdessen Worte wie "Giesskannenprinzip". Hier haben wir eine Rentnerin und eine Lernende auf eine Art und Weise über die AHV-Vorlage diskutieren lassen, die selbst dem letzten Politikverdrossenen zumindest Spass macht.

Was hat es mit dem Nachrichtendienstgesetz auf sich?
Die Abstimmung zum Nachrichtendienstgesetz (NDG) haben wir hier und hier schon für dich zusammengetragen. Im Grunde geht es beim NDG um die Frage, was dir wichtiger ist: dass der Geheimdienst nicht in deine Privatsphäre eindringt und gegen Menschenrechte verstösst (dann stimmst du Nein) oder die Möglichkeit, dass er auf Kosten der beiden irgendwann einmal vielleicht ein Attentat verhindert (dann stimmst du Ja).

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Was steckt hinter der "Grünen Wirtschaft"?
Die Menschen hinter der Initiative möchten, dass bis zum Jahr 2050 die Umweltbelastung der Schweiz auf ein verträgliches Mass reduziert wird. Sie wollen mehr Recycling, mehr Schweizer Produkte und dass du dein Smartphone nicht schon nach einem Jahr gegen das neuste Modell eintauschen musst. Die Gegner sprechen von einem "grünen Zwang", von einer "grünen Illusion" und von steigenden Preisen. Wie es die Zukunft aber so an sich hat, weiss niemand mit Sicherheit, welche Auswirkungen die Initiative wirklich haben könnte.

Should I stay or should I Go? | Foto von Eddy Van 3000 | Flickr | CC BY-SA 2.0

Muss ich bei dem ganzen Zirkus wirklich mitmachen?
Nein, du musst gar nichts. Du musst deine Unterwäsche nicht jeden Tag wechseln, deinen Job nicht machen, wie es dein Chef von dir verlangt, und auch nicht abstimmen gehen. Nur musst du eben damit leben, dass du dann eine wandelnde Bakterienschleuder bist, gefeuert wirst oder andere über dich bestimmen. Politologen schätzen, dass nur etwa jeder vierte Schweizer bei jeder Abstimmung teilnimmt. Etwa jeder Fünfte nimmt nie an einer Abstimmung teil. Der Rest geht hin und wieder abstimmen, zum letzten Mal wahrscheinlich bei der Abstimmung zur Durchsetzungsinitiative. Mit der Wahl, am 25. September nicht abstimmen zu gehen und somit andere über dich entscheiden zu lassen, wärst du also in guter Gesellschaft.

Gibt es keinen einfacheren Weg, sich durch den Abstimmungsdschungel zu schlagen?
Willst du deine Ja- oder Nein-Stimmen wirklich qualifiziert fällen, musst du wohl oder übel den ganzen mühsamen Weg durch die Wirren der Pro- und Contra-Argumente gehen. Natürlich kannst du aber auch einfach schauen, ob die Partei deines (Halb)vertrauens zu den einzelnen Vorlagen Ja oder Nein sagt—und danach damit klugscheissen, dass du nach Heuristiken abgestimmt hast:

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Collage von VICE Media

Hast du nach diesem FAQ doch noch Lust, dich durch die von einer Geografieunterrichts-Stimme begleiteten Abstimmungsvideos und die Meinung des Bundesrates zu kämpfen, wirst du auf seinem YouTube-Account fündig. Rascher und um einiges angenehmer zeigen die Menschen von Easyvote, um was es am 25. September geht.

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Titelbild von Peter Griffin | PublicDomainPictures.net | CC 1.0