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Popkultur

Was ich bei einem 'Fast & Furious'-Marathon über Österreich gelernt habe

Ich habe mir zum ersten Mal diese absurd erfolgreiche Filmreihe angeschaut. Neben großer Action-Begeisterung kommen mir auch Schlagwörter wie Homophobie, Seximus bis "Ehre, Freiheit und Bruderkuss" in den Sinn.
Foto von VICE Media

Ich halte mich nicht für die Zieldemographie, die die Fast & Furious-Reihe ansprechen will. Zwar besitze ich einen Führerschein, aber ich benutze ihn eigentlich nur als Icebreaker beim Fortgehen, wegen dem super-lächerlichen Foto das drinnen klebt.

Was ich sagen will, ist: Autos kann ich grundsätzlich gerade mal am Logo voneinander unterscheiden. Meine Freundin hat mir letztens das Geheimnis verraten, woran man einen Lamborghini und einen Ferrari auseinander erkennt, und ich hab sogar das schon wieder vergessen. Sie sind meistens rot, oder? Trotzdem haben mir die Fast & Furious-Filme mir größtenteils Spaß gemacht.

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Action-Glanzleistungen, die einem die Faust in die Luft stoßen lässt, mitsamt einem lauten „Hell Yeah", haben mich erfolgreich von ganz vielen No-Gos in dieser Serie abgelenkt. Wirklich, ich hätte mir nicht erwartet, dass Autorennen mich so packen würden—und wie viel geilen Schwachsinn man in ein an sich simples Genre-Konzept reinpacken kann.

Altmetall und Zeitgeschichte

The Fast and The Furious ist von Anfang an eine seltsame Mischung. Er hat einen gewissen Bud-Spencer-Terence-Hill-Charme. So seltsam, wie die Charaktere miteinander umgehen und dabei trotzdem irgendwie die Guten sind, während sie Autos mit der Effizienz von 100 Blues Brothers verschrotten. Nach und nach werden tatsächliche narrative Informationen eines größeren Handlungsbogens eingearbeitet—in den ersten beiden Filmen noch kaum, da es hauptsächlich um Autorennen und Kleinkriminalität geht.

Die späteren Teile werden dann nach dem dritten und absolut wegweisenden Tokyo Drift als dazwischengequetschtes Prequel düster mit Irakkrieg-artigen Visuals und Raubüberfällen angereichert. Der siebte überrascht dann plötzlich mit einem Plot, der mit Überwachungselektronik an den NSA-Skandal erinnern will. Diese smarte Prämisse macht zwar Kurt Russells Figur—die eineiige Kopie von Spottswoode—wieder ein bisschen kaputt, aber hey, darüber können wir uns aufregen, sobald Citizen Four im IMAX läuft.

Alle Screenshots, wenn nicht anders angegeben, von Universal Pictures

Denn aus irgendeinem Grund braucht das FBI, die Polizei, die Regierung oder auch ein Mafia-Kingpin jedenfalls immer Menschen, die ganz doll Autofahren können. Und niemand kann so toll Autofahren wie Dominic Tortilla, Paul Walker und ihre Crew. In einer Welt, in der man Bösewichte praktischerweise immer an den etwas längeren Bartstoppeln und dem dunklen Schatten über dem Gesicht erkennt.

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Und zwischendurch machen wir dann immer Party, die so aussieht wie etwas, das ATV gerne mitfilmen würde. Das sind Neonpartys mit dekorativen Bikinifrauen, von Bodybuilding gestählten Männerkörpern, Kronehit-Hiphop und ganz viel Drama. Und natürlich ist das eine Umkehr von Ursache und Effekt.

Screenshot: ATV

Als jemand, an dem das Passage-Nachtleben genauso wie Autofilme grundsätzlich eher vorbeigehen, sind mir die Parallelen erst jetzt aufgefallen. Ich finde aber, dass diese nicht zu vernachlässigen sind. Im Gegenteil, ich glaube dass die Fast & Furious-Filme vielleicht wie wenig andere eine Molti-Leitkultur widerspiegeln.

Das soll natürlich nicht heißen, dass die Filme etwa objektifizierende Darstellungen von Frauen erfunden haben, aber kaum jemand traut sich, sie so zu zelebrieren und wird gleichzeitig trotzdem derart in der Mitte der Gesellschaft akzeptiert. Ob man die Filme dabei ernst nimmt oder nicht, ist gar nicht so sehr der Punkt—nicht erst seit dem Aufkommen der heimischen „Hipster-Kultur" wissen wir, dass man eine Subkultur auch durch Ablehnung und Negation derselben definieren kann. Das Problem ist eher, dass Sexismus auch dann, wenn man ihn irgendwie ironisch meint, Ausdruck eines Rollenbildes ist, das man eher aufweichen als ewig wiederholen sollte.

So oder so füttern die Filme aber auch lokale Subkulturen. Und da wurde mir plötzlich beim Filmmarathon klar: Ich weiß, wo ich all das schon gesehen habe. Fast & Furious steckt meiner Meinung nach den Finger ganz tief in die Wunde des modernen Herr Karl.

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Mir san Mir

Eigentlich kann man den Furious-Filmen wirklich keine Fremdenfeindlichkeit oder Rassismus vorwerfen. Allein der Cast hat den wahrscheinlich höchsten Anteil an ethnischer Diversität in der gesamten Filmgeschichte aufzuweisen. Aber das ins komplett Lächerliche eskalierende Autoritätsproblem der Protagonisten ist ein gutes Beispiel für meine These.

Versteht mich nicht falsch, ich bin einer der Letzten, der für Hörigkeit gegenüber der Obrigkeit plädiert, aber bei den Furious-Reihe nimmt es die Form eines schon beinahe mafiösen Omerta-Ehrenkodex der Außenseiter an. Freunde sind Familie, und man hält zusammen, komme was wolle. Wer dein Auto baut, auf den baue dein Leben.

Durch die illegale Natur der Straßenrennen müssen die Protagonisten in einer Parallelwelt abhängen, vor der Polizei flüchten, die aber wiederum im Notfall von der Hilfe der Verfolgten Gebrauch machen muss. Niemand außer den liebevollen Schurken kann da helfen, wenn eine Entführung aufgelöst werden muss, oder eine Undercover-Mission einen Drogenboss auffliegen lassen soll. Alles kann man lösen, solange man das richtige Auto dafür hat und solange das Herz am richtigen Fleck ist.

„Manchmal ist man sehr einsam, und ich war, glaub mir, auch in einer sehr schwierigen, einsamen Situation. Manchmal ist man leider auf sich allein gestellt. Ich bin aber ein Teamspieler. Mir ist wichtig, dass ich nicht ein Alleinkämpfer bin." - HC Strache

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Genauso unterdrückt wie die Recken mit dem Herz am rechten Fleck fühlen sich auch die rechten Racker mit dem Fleck am Herz. Überall ist Unehrlichkeit, Verrat, Drama und Kätzchenstreit, nicht einmal mehr in Ruhe hetero darf man sein, so verfolgt wird man schon!

Geile Ärsche und No Homo

Natürlich kann ich den unpackbaren Sexismus in diesen Filmen nicht unkommentiert lassen. Dafuq, einfach nur. Wo man dem Film, wie erwähnt, kaum mangelnde Diversität vorwerfen kann, muss man auf der anderen Seite umso klarer sagen: Frauenquote erfüllt er sicherlich keine. Wahrscheinlich müssen deswegen die männlichen Protagonisten immer wieder betonen, wie hetero sie nicht sind.

Sie leben in einer heteronormativen Traumwelt von Männlichkeit, Bruderküssen und Babes. Es fühlt sich fast wie in einer Burschenschaft an und quer durch die Bank scheint jemand NO HOMO schreien zu müssen. Freud hätte seinen Spaß an der puren Menge unterdrückt homosexueller Augenzwinkerer gehabt.

Letty, gespielt von Actionstar Michelle Rodriguez, ist, frei nach dem Schlumpfine-Prinzip, die einzige Frau, die mitmischen darf. Sie darf dafür auch manchmal mehr als nur ihre Nippel bedecken und sogar Autos fahren, die nicht aus dem Barbie-Katalog kommen. Dafür muss sie sich natürlich auch benehmen wie einer von den Männern. Das kann man natürlich als Empowerment verstehen, wenn man unbedingt möchte. Oder eben als Alibi.

Gleichzeitig funktioniert so eine Runde von sexy Männern nicht ohne Anzüglichkeiten: Wenn etwas für Dominic Torpedo und seine Häschentruppe absolut kein Thema ist, dann ihre (Hetero-)Sexualität, die sie genausowenig verraten würde wie ihre Treue zu einander. Dank politischer Correctness müssen wir hier zwar keine Worte wie „Schwuchtel" hören, aber wenn jemand zu feig ist, mit einem Auto aus einem Flugzeug zu hupfen, ist das natürlich ein Angriff auf die Männlichkeit—und damit selbstverständlich eine Gefährdung der Mission. Die Lösung: man zwingt denjenigen eben zu seinem Glück. Weicheier kann man nicht brauchen—wo sind wir denn hier, beim Zivildienst vielleicht? Auch das entspricht einer Wertvorstellung, die zuvor genannte Laiendarsteller unterschreiben würden. Auch, wenn ihre Mission eher das Ankurbeln der Wodka-Wirtschaft zu sein scheint. Die Fast & Furious-Filme sind natürlich ein Kind ihrer Zeit. Wenigstens das kann man jedem vor die Nase halten, der behauptet, Feminismus und Homophobie wären Themen von gestern. Aber immerhin—die Action macht voll Laune und hat diese Filme zur einer der unerwartet erfolgreichsten Reihen gemacht, mit insgesamt 1.099.000.000 eingespielten Dollars. Das ist mindestens so traurig wie es überraschend ist, aber leider sind genau die Dinge, die am meisten Spaß machen, auch oft auf irgendeine Art ziemlich wrong. Eine gute Ausrede für all den Scheiß, der uns hier beiläufig als ganz normal vorgesetzt wird, ist das trotzdem nicht. Es ist eher eine Erklärung für den Reiz, den die Filme trotz allem ausüben. Auch wenn ich mich jetzt sehr lange duschen und nie wieder Autofahren will.

Folgt Fabian und seinen Marathons auf Twitter: @f4b_