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Sex

'Fifty Shades of Grey' ist ein Abklatsch von 'Twilight'. Mit Sex, aber trotzdem prüde.

Der Streifen wird dem Thema BDSM genauso wenig gerecht, wie das Buch und hat bei den Journalisten an der Pressevorstellung in den romantischsten Momenten Gelächter ausgelöst.
captain.orange

Foto von Flickr; Mike Mozart; CC BY 2.0

Ihr werdet es kaum glauben, aber wir haben bereits mehr als nur diesen Artikel zum Thema Fifty Shades of Grey geschrieben. Hier könnt ihr euch die volle Dosis holen.

Ich habe mir Fifty Shades of Grey trotz geringen Erwartungen angeschaut. Der Film bedient schon am Anfang alle Klischees. Die 21-jährige Anastasia ist eine graue Maus, ohne Selbstbewusstsein, aber mit intaktem Jungfernhäutchen. Mit festgetackertem Welpenblick stolpert sie in das Büro von Mr. Grey und legt sich prompt vor ihm auf die Nase. Ich muss an Bella aus Twilight denken, die bei jeder Gelegenheit über ihre eigenen Füsse stolpert, nur um gerettet zu werden.

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Das Ganze wirkt so angestrengt tollpatschig, dass ich mich frage, ob Dakota Johnsons schauspielerisches Talent ausschlaggebend für die Besetzung war, oder doch die Abstammung von Melanie Griffith. Diese hat in einem Interview erzählt, dass ihre Tochter ihr verboten habe, sich den BDSM-Streifen anzusehen. Insofern ist Dakota vielleicht doch die Idealbesetzung: Strotzend vor Prüderie.

Foto von Flickr; Nigel Horsley; CC BY-SA 2.0

Christan Grey ist der irdische Abklatsch von Edward Cullen aus Twilight. Heiss, erfolgreich, düster und stinkreich. Und so wie sich Edward nicht von Bella fernhalten kann, outet sich auch Christian als professioneller Stalker. Er taucht bei Anas Arbeit auf. Er schleift sie aus einer Bar, nachdem er bemerkt, dass sie getrunken hat. Er lässt ihr neue Kleider kaufen. Er verkauft ihr Auto und stellt ihr ein neues, teureres vor die Haustüre. Wieso dieses Verhalten den weiblichen Teenie-Mündern tiefe Seufzer entlockt, frage ich mich wirklich.

Ana nimmt das Geschenk mit einem verklemmten: „Haaach, das ist doch zu viel!" an. Ja Ana, das ist zu viel! Zu viel Einmischung in deine Entscheidungsfreiheit und Privatsphäre. Wenn ich einen draufmachen will, dann lasse ich mich nicht von einem eifersüchtigen Kontrollfreak nach Hause schleifen. Und ich lasse mir auch nicht meine Selbstständigkeit und Würde zusammen mit einem Autoschlüssel nehmen.

Nachdem Christian Ana von einem gefährlichen Radfahrer beschützt hat (Twilight-Fans wissen, dass Edward Bella vor einem Truck rettet) und sich die beiden erstmals tief in die Augen schauen, warnt Christian sie vor dem Monster in ihm. „Ich bin nicht gut für dich." Ich komm nicht umhin, mir vorzustellen, wie er seine Reisszähne fletscht und ihr in die Halsschlagader rammt.

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Foto von Flickr; mage somido; CC BY 2.0

Wer das letzte Jahr nicht im Dschungelcamp verbracht hat, kennt aber das Geheimnis, um das er einen solchen Tamtam macht: Christian steht auf SM. Er mag Peitschen, er mag Schläge, er mag Kontrolle. Ana reagiert mit noch grösseren Kulleraugen und macht ein Gesicht, als hätte sie es nun mit Edwards Reisszähnen zu tun und der potentiellen Möglichkeit auf Verblutungstot.

Natürlich rennt Anastasia aber nicht weg. Sie will Christian. Und sie versteht, dass sie sich deshalb auf seine Welt einlassen muss. Als sie seinen Playroom gesehen hat und so verwirrt reagiert, als habe sie zum ersten Mal menstruiert, sagt Mr. Grey endlich etwas Sinnvolles: Der Reiz, sich jemandem komplett auszuliefern, liegt darin, Kontrolle loszulassen. Sich zu befreien. Lust zu empfinden.

Ich bin sehr froh, dass der Streifen zumindest noch die Grundidee von BDSM aufgreift. Christian möchte Ana seine sexuellen Vorlieben näher bringen und mit ihr über ihre eigenen Grenzen und Fantasien sprechen. Doch Ana hat von Tuten und Blasen schlichtweg keine Ahnung. Als Christian von Anas Jungfräulichkeit erfährt, lässt er die Peitsche beiseite und entjungfert sie zärtlich im eigenen Bett. Danach klimpert er auf dem Flügel vor der Fensterfassade seiner Penthousewohnung traurige Melodien. Die Journalisten im Kinosaal lachen. Die unzähligen Teenies werden auch hier seufzen.

Foto von

Flickr

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chuck coker

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CC BY-ND 2.0

Endlich hat Christian seine sensible Seite gezeigt. Ana stürzt sich auf sie und bohrt in seiner Vergangenheit nach Traumata, die seine sexuellen Präferenzen psychologisch erklären könnten. Da sie es nicht verstehen kann, dass ein 27-jähriger, einsamer Milliardär und Workaholic gewisse Neurosen im Bezug zu Macht entwickelt hat, bittet sie ihn, ihr zu zeigen, wie die schlimmste Seite in ihm aussieht. Er fragt ein Dutzend Mal nach, ob sie das wirklich will.

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Der Film endet damit, dass Grey Ana sechs Schläge mit einem Gürtel auf den nackten Po und Rücken verpasst. Mit Tränen in den Augen und abschätzigem Blick stösst sie ihn von sich. Im Twilight-Universum hätte das Ganze so geendet:

Bella: Ich liebe dich. Auch wenn du wirklich ein Vampir bist. Zeig mir nur deine wahre Seite.
Edward: Ich bin wirklich ein Vampir.
Bella: Das hätte ich nie von dir erwartet. Du Monster!

Es ist aber Fifty Shades of Grey. Ana hat ihre sexuellen Präferenzen nicht kennengelernt, dafür aber gelernt, auch mal „Nein" zu sagen. Sie verlangt sogar noch ihr altes Auto zurück. Ich bin fast schon ein bisschen stolz auf Dakotas selbstbewussten Blick, als sie entrüstet zum Fahrstuhl stürmt, der übrigens ein Leitmotiv im Film darstellen soll.

Foto von Flickr; Mike Mozart; CC BY 2.0

Sobald der Abspann zu laufen beginnt, laufen auch die Journalisten. Ich will nur noch aus dem Kinosaal, an die frische Luft und klare Gedanken fassen. Ich danke dem Universum dafür, Fifty Shades of Grey nicht gelesen zu haben. Der Plot ist so mies—wie absehbar. Diese Faktoren, gekoppelt mit einem schlechten Schreibstil (vor dem ich mehrfach gewarnt wurde), hätte ich nicht ertragen.

Demnach dürfte der Film sogar besser als das Buch sein, da die Machart absoluter Hollywood-Standard ist. Weiterer Pluspunkt: Man sieht viel nackte Haut, Busen, Nippel und sogar ein kleines Stückchen Penis. Traurig macht mich, dass die Thematik Sadomasochismus so verklemmt angegangen wird, wie der Sex in Twilight. Dass BDSM weiterhin ein Tabu darstellt. Dass BDSM überhaupt noch schockieren soll. Und dass es gleichzeitig antörnend sein soll, auf der anderen Seite gestalkt und bevormundet zu werden.

Nadja auf Twitter: @NadjaBrenn

Vice Switzerland auf Twitter: @ViceSwitzerland


Header von Flickr; CC BY-ND 2.0